REUTLINGEN-BETZINGEN. Die Umleitung des Betzinger Mühlkanals auf dem Egelhaafareal vom alten Betonkorsett ins neue, naturnahe Bachbett gestaltet sich schwieriger als gedacht. Schon der erste Anlauf musste rückgängig gemacht werden, weil sich wegen des angestiegenen Wasserpegels in den Drainageschächten der Boden der benachbarten Schulsporthalle angehoben hatte. Eine zusätzliche Lehmschicht im neuen Bachbett sollte das Problem lösen. Hat es aber nicht: Auch beim zweiten Versuch wölbte sich der Hallenboden. Die Ursachenforschung kann zwar weitergehen, nicht aber die Umleitung des Mühlkanals. Denn wegen der Fischschonzeit muss jetzt eine Zwangspause bis zum Frühjahr eingelegt werden.
Nahe liegender Zusammenhang
Mitte September war der Mühlkanal zum ersten Mal ins naturnah gestaltete neue Bachbett umgeleitet worden. Dem Projekt- und Gebietsentwickler BPD (Bouwfonds Immobilienentwicklung) war der Baggerbiss eine Feier wert, denn nur so lässt sich der Gewässerrandstreifen zum neuen Wohngebiet auf dem Egelhaafareal einhalten (der GEA berichtete). Als sich kurz nach dem Baggerbiss der Sporthallenboden wölbte, lag nahe, dass es einen Zusammenhang mit der Bach-Verlegung gibt. Und tatsächlich: Nachdem das Wasser wieder in den alten Kanal geleitet wurde, senkte sich der Boden.
Tonabdichtung keine Lösung
Vermutet wurde, dass die natürliche Tonschicht, die kaum Wasser durchlässt, im Bachverlauf eine undichte Stelle hat und deshalb die Grundwasserblase unter der Halle entstand. Also wurde eine zusätzliche Tonabdichtung ins Bachbett eingebaut. »Das hat das Problem leider nicht behoben«, sagt Torsten Müller, Abteilungsleiter Gewässer und Regenwassermanagement bei der Stadtentwässerung Reutlingen (SER): Kaum war das Wasser wieder ins neue Bett eingeleitet, stieg auch schon der Grundwasserpegel in den Schächten und der Hallenboden hob sich erneut an. Wie beim ersten Mal mussten die Schächte ausgepumpt und der Wasserlauf in den alten Kanal rückverlegt werden.
Fischschonzeit bis Ende Februar
Dort muss er eine ganze Weile bleiben. Die BPD und die SER können zwar im trocken gelegten neuen Bachbett auf Ursachenforschung gehen und dabei tun und lassen, was sie wollen. Eines aber dürfen sie nicht: Sollte das Problem behoben sein, dürfen sie das Wasser aus dem Mühlkanal dort nicht einleiten. Denn inzwischen hat die Fischschonzeit begonnen, die bis Ende Februar geht. Aktivitäten im Gewässer sind in dieser Zeit weitgehend tabu. Nicht etwa, weil die als stark gefährdet eingestuften Forellen, die sich im Betzinger Mühlkanal-Bach tummeln, Winterruhe wollen. Ganz im Gegenteil: Die Weibchen legen in dieser Zeit ihren Laich auf dem Gewässergrund ab, der dann von den Männchen befruchtet wird.
Aufwirbelungen töten Laich
Das, erklärt Torsten Müller, funktioniert, wenn das Bachbett von kaltem, sauerstoffreichen Wasser durchströmt wird. Nicht aber, wenn es Trübungen oder Aufwirbelungen gibt und die nach unten sinkenden Feinschwebstoffe das Lückensystem mit dem abgelegten Laich verschließen, was bei der Umleitung des Wassers sehr wahrscheinlich wäre. »Da könnte eine ganze Generation Forellen verloren gehen, deshalb ist das so sensibel«, erklärt der Experte. Alle Maßnahmen im und am Gewässer seien durch die Schonzeiten getaktet. Die nächste könnte für eine weitere Verzögerung sorgen: Im März beginnt die Brutzeit der Wasseramseln, die wie die Forelle zu den geschützten Arten zählt und im Bereich des verdolten Kanals ihr Nistareal hat. Der geplante Abbruch müsste also warten.
Wünschelrutengänger im Einsatz
Wie auch immer: BPD und SER bleibt jetzt viel Zeit, um herauszufinden, wo das Leck im Bachlauf ist. »Wir haben ein Problem, aber noch keine Lösung«, stellt Torsten Müller fest, »das müssen wir jetzt detektivisch nacharbeiten.« Im Einsatz waren bisher nicht nur Geologen: Sogar ein Wünschelrutengänger machte sich auf die Suche nach Wasseradern. Ob die Verschiebung der Bach-Umleitung Auswirkungen auf den Bauablauf hat, lässt die BPD offen: Man könne erst »nach Abschluss der Aufklärung Auskunft geben«, heißt es auf GEA-Anfrage. (GEA)