GOMADINGEN. »Die sogenannten Corona-Geburten haben uns in die Bredouille gebracht«, sagt Kämmerin Silke Hirsch. Im Jahr 2021 kamen 31 Gomadinger Kinder zur Welt – das sprengt alle Statistiken, denn in »normalen« Jahren waren und sind es sonst immer um die 20. Der Ausreißer hat enorme Auswirkungen auf die Kindergartenbedarfsplanung, mit der sich Silke Hirsch und Bürgermeister Klemens Betz beschäftigt und nun auch im Gemeinderat vorgestellt haben.
Fakt ist: »Der Betreuungsbedarf ist am höchsten, wenn die Kinder eineinhalb bis zwei Jahre alt sind«, so Hirsch. Dass man auf die Geburtenzahlen von 2021 reagieren muss, ist also schon länger klar, und in der Tat hat die Gemeinde rechtzeitig viel unternommen, um sich auf den Engpass vorzubereiten. Im ehemaligen Schulhaus in Dapfen gibt’s schon seit Jahren eine Kleinkindgruppe, Erweiterungsmöglichkeiten lagen durch den Auszug der bis Mitte 2022 ebenfalls dort untergebrachten Ortsverwaltung auf der Hand. Die Gemeinde hat die Räume hergerichtet und sich auf Personalsuche begeben – und ist dabei sogar zweigleisig gefahren.
Personalsuche endlich erfolgreich
Denkbar, erklärt Silke Hirsch, war aufgrund der großzügigen Räumlichkeiten der bestehenden Kinderkrippe in kommunaler Regie einerseits deren Erweiterung. Andererseits wurde aber auch der Tagesmütterverein Reutlingen aktiv, der in den frisch umgebauten Räumen eine Gruppe einrichten sollte und wollte – den »Lauter-Tiger«. »Wir hätten im Januar 2023 starten können«, sagt Silke Hirsch mit Blick auf den fertigen Umbau. Das Dilemma: Platz war zwar da, das Personal aber fehlte – die Suche blieb trotz intensiver Bemühungen lange Zeit erfolglos. »Im Frühjahr hätten wir dann schlagartig genug Personal gefunden«, berichtet Hirsch, »zu dem Zeitpunkt waren dann aber schon alle Kinder anderweitig versorgt.«
Dennoch: Am 2. September hat Gudrun Armbruster als erste Tagesmutter ihre Arbeit im »Lauter-Tiger« aufgenommen, eine Kollegin wird bald dazukommen, sodass in der Einrichtung derzeit bis zu fünf und bald bis zu sieben Kinder betreut werden können. Die kommunale Kinderkrippe im selben Haus wird ebenfalls um eine halbe Gruppe aufgestockt, dort stehen dann 15 Plätze zur Verfügung.
Warum? Um auf die nächste Auslastungsspitze vorbereitet zu sein. Denn nach einer Verschnaufpause – 2022 wurden »nur« 17 Kinder geboren – wird der Betreuungsbedarf Ende 2024, Anfang 2025 wieder ansteigen, sagt Silke Hirsch: 2023 stehen 27 Geburten in der Statistik, für 2024 sind es bis jetzt 13. Um noch besser und flexibler planen und reagieren zu können, hat die Gemeinde auch den Umfrage-Modus geändert: Eltern werden direkt nach der Geburt ihres Kindes angeschrieben und erhalten auch einen Bogen, mit dem sie ihren voraussichtlichen Betreuungsbedarf anmelden kann.
Auch im Kindergartenbereich – für die Altersgruppe der Drei- bis Sechsjährigen also – wird’s eng. Bisher hat der Sternbergkindergarten eine Betriebserlaubnis vom Landesjugendamt für drei Gruppen mit insgesamt maximal 70 Kindern in drei Betreuungsmodellen. Diese sind allerdings nicht strikt voneinander getrennt, weder räumlich noch mit Blick auf die pädagogische Ausrichtung. Voneinander abweichend sind lediglich die Betreuungszeiten – und genau hier setzen die Gomadinger an, um künftig 15 Plätze mehr anbieten zu können.
Passgenaue Lösung
Um das Optimum herauszuholen, hat die Gemeinde zwei Erhebungen gemacht, berichtet Silke Hirsch. Alle Eltern von Kindern zwischen null und sechs Jahren wurden gefragt, welche Betreuungszeiten sie benötigen. Die Erzieherinnen wiederum haben über einen längeren Zeitraum hinweg dokumentiert, wann welches Kind gebracht und wieder abgeholt wird. »Manche Eltern haben vielleicht 7 bis 16 Uhr gebucht, bringen ihr Kind aber immer später«, verdeutlicht Hirsch. Es ging also darum, herauszufinden, ob das, was gebucht wird, in Wirklichkeit auch in Anspruch genommen wird.
Das Ergebnis: Den Kindergarten nicht schon um 7, sondern erst um 7.15 Uhr zu öffnen, reicht völlig. »Nur« eine Viertelstunde später, ja – aber sie ist das Zünglein an der Waage, das den Ausschlag dafür gibt, dass andere rechtliche Spielregeln gelten und mehr Kinder aufgenommen werden können. Ab Januar hat der Sternbergkindi 87 Plätze anzubieten – 56 für den Zeitraum von 7.15 bis 13 Uhr, 20 von 7.15 bis 16 Uhr und elf von 7.15 bis 14 Uhr.
Dafür muss die Änderung der Betriebserlaubnis beantragt werden, den etwas erhöhten Personalbedarf hofft die Gemeinde relativ einfach über die Rückkehr von Mitarbeiterinnen aus der Elternzeit decken zu können. Platz ist genug da, umgebaut werden muss also nicht. Die Elternbeiträge, deren Anpassung nun turnusgemäß angestanden hätte, wird auf Dezember verschoben: Dann wird der Gemeinderat die neuen Sätze beschließen, die dann schon auf die neuen Varianten umgerechnet sind und ab Januar 2025 gelten.
Was die Grundschule angeht, ist Gomadingen gut aufgestellt – eigentlich. So ist die Betreuung jeden Tag bis 15.30 Uhr gesichert – auch dank der Unterstützung von Vereinen und zwei Ehrenamtlichen, deren Aufwandsentschädigung zu 100 Prozent über ein Jugendbegleiter-Förderprogramm gedeckt ist. Was den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung ab dem Schuljahr 2026/27 angeht, ist Gomadingen also auf einem guten Weg, müsste man meinen.
Zuschüsse reichen nicht für alle
Und jetzt das große Aber: Um die Vorgaben zu erfüllen, muss die Gemeinde auch eine neue Mensa für die Schule bauen. Die bisherigen Essensräume könnten dann, so Bürgermeister Klemens Betz, dem Kindergarten zugeordnet werden. Um den Neubau überhaupt finanzieren zu können, hat die Gemeinde 1,5 Millionen Euro Zuschuss beantragt. Das Bundesprogramm ist allerdings deutlich überzeichnet – ob und wann Geld fließt, ist also völlig offen.
Darüber ärgert sich Betz gewaltig und spart nicht mit Kritik am Bund. »2021 hat der Bundestag den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung beschlossen. Drei Jahre hat der Bund danach gebraucht, um ein Förderprogramm auf den Weg zu bringen – allein das ist schon ein Skandal.« Dass dann 380 Millionen Euro für Schulen in der ganzen Republik reichen sollen, ist für Betz der Gipfel. »Da wa von vornherein doch klar: Das langt nicht. Anstatt Geld nachzuschießen, ist man auf die glorreiche Idee gekommen, dass ausgelost wird, wer Fördergelder bekommt. Das gab’s in 30 Jahren Kommunalpolitik noch nie«, schimpft Betz und spricht von einer »noch nie da gewesenen Bankrotterklärung und einem Offenbarungseid der Politik«.
Rechtanspruch nicht erfüllbar
Viele Schulträger werden leer ausgehen, die nötige Infrastruktur könne nicht geschaffen werden, prognostiziert Betz. »Zehntausende Eltern werden mit enttäuschten Erwartungen im Regen stehen gelassen werden und die Gemeinde kann ihrer Verpflichtung, den Rechtsanspruch zu erfüllen, nicht nachkommen.« Konsequent wäre es aus seiner Sicht, den Rechtsanspruch zurückzunehmen, zu verschieben oder das Förderprogramm mit mehr Mitteln auszustatten. Landkreis-, Gemeinde- und Städtetag seien ebenfalls entsetzt, so Betz. Das Losverfahren läuft derzeit, »Einblick kriegt niemand, wer zum Zug kommt, wird man sehen«. (GEA)