BODELSHAUSEN. Zur Einweihung der drei Millionen Euro teuren Vorzeigeanlage, die Tübingens Landrat Joachim Walter als ideale Verbindung von Landschaftspflege und Inklusion bezeichnete, war vielfach der Wunsch zu hören, dass dies als »Leuchtturmprojekt« ins Land ausstrahlen solle. Zugleich bekamen aber auch die Vertreter der Politik, die zur Einweihung gekommen waren - neben den Landtagsabgeordneten Daniel Lede Abal (Grüne) und Rudi Fischer (FDP) war auch der Reutlinger Bundestagsabgeordnete Michael Donth (CDU) in den »verwaisten« Bundestagswahlkreis Tübingen-Hechingen gekommen - einiges zu hören. Über das, was in Deutschland schiefläuft.
Schon in seiner Einleitung bekannte der Stiftungsvorsitzende Wolfgang Welte dass er, hätte er von den bürokratischen Fallstricken vorher gewusst, das Projekt so womöglich kaum in Angriff genommen hätte. »Wir haben immer das Gefühl gehabt, dass das Projekt politisch gewollt war«, lobte Welten die handelnden Akteure auf den verschiedenen Ebenen. »Aber rechtlich wurde das Projekt überreguliert und bürokratisch gehemmt.« So ist die Anlage derzeit nur als Modellprojekt mit einer Laufzeit von drei Jahren genehmigt, obgleich ähnliche Anlagen in der Schweiz problemlos genehmigt werden und sich ihr Nutzen für die Umwelt in der Praxis bewiesen hat.
»Wir mussten uns fragen: Bauen wir hier etwa ein Atomkraftwerk?«
Hinzu kommt der Aufwand, den die Beantragung der zahllosen Fördertöpfe mit sich bringt. So mussten etwa Anträge beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), bei Plenum, dem KVJS und bei verschiedenen Stiftungen eingereicht werden. Eben auch, weil das Geld bei den Trägern des Kastanienhofs, der KBF und dem AiS, alles andere als locker sitzt. »Ein solches Projekt war finanziell für uns als soziale Einrichtung in diesen Zeiten eine Herausforderung«, formulierte es Wolfgang Welten. Im Klartext: Statt einer auskömmlichen Finanzierung kommt man heutzutage kaum ohne Förder- und Projektmittel über die Runde. Die aber wollen alle erst entdeckt, beantragt, geprüft und genehmigt werden.

Auch Landrat Joachim Walter kritisierte die überbordende Bürokratie und lobte AiS-Geschäftsführer Marcus Hölz für seine »Terrier-Mentalität«, mit der er sich durch diesen Behördendschungel gekämpft habe. »Dieses Projekt ist ökologisch absolut sinnvoll«, urteilte Walter und ergänzte: »Es kann nicht sein, dass wir uns dank der Überregulierung fragen mussten, ob wir hier ein Atomkraftwerk bauen.« Was Bund und Land in Sachen Entbürokratisierung bisher geleistet hätten, sei »ziemlich mager«. In Sachen Kastanienhof bekannte Walter: »Wir waren teilweise am Rande der Verzweiflung unterwegs.« Nun müsse schnellstens Planungssicherheit her: »Dieser Schwebezustand kann nicht sein. Wir brauchen eine dauerhafte Genehmigung, keine für nur drei Jahre.« (GEA)