PLIEZHAUSEN. Das Land Baden-Württemberg will bis 2030 rund 15 Prozent ihres Offenlandes, also der unbebauten Flächen, in einem Biotopverbund zusammenfassen, um dem Artenrückgang entgegenzuwirken. Die Gemeinde Pliezhausen hat bereits vor zwei Jahren ein Planungsbüro damit beauftragt, in Zusammenarbeit mit dem Landschaftserhaltungsverband im Landkreis Reutlingen die notwendigen Maßnahmen auszuarbeiten und Vorschläge für ein solches Netz miteinander verbundener Lebensräume für Tiere und Pflanzen auf ihrer Gemarkung zu unterbreiten. Konkret geht es darum, Organismen und Arten die Möglichkeit zu schaffen, sich auszubreiten und in ihren Lebensräumen zu bestehen. Ein Netzwerk der Natur also, das die Artenvielfalt fördert. Dr. Florian Wagner vom gleichnamigen Planungsbüro erklärt es so: »Ein Biotopverbund soll es den vielen Organismen, die in unserer Kulturlandschaft unterwegs sind, ermöglichen, von einem Lebensraum zum anderen zu wandern, sich auszubreiten und einen genetischen Austausch zu pflegen.« Der Hintergrund ist, dass inzwischen die Landschaft so intensiv genutzt wird, dass es für viele spezialisierte Arten ein Problem ist, von einem Ort zum anderen zu gelangen. »So mancher Grashüpfer verarmt da genetisch«, sagt Wagner. »Es ist wichtig, dass Arten wandern können und dass sie dafür ein Wegenetz vorfinden.«
Erhalt des Bestehenden als Herausforderung
Zusammen mit Anna Lakeit vom Landschaftserhaltungsverband im Landkreis Reutlingen und Stefan Adam, Leiter der Haupt- und Bauverwaltung der Gemeinde Pliezhausen, sowie einer Handvoll Interessierter ging es vor einigen Tagen durch Pliezhäuser Biotope rund um das Schönbuchstadion. Dabei erläuterten Wagner und Lakeit kenntnisreich und hochinteressant die Hintergründe, die eine Biotopverbundplanung notwendig machen und welche Maßnahmen sinnvoll und umsetzbar wären. Freilich basiert der Maßnahmenkatalog auf Freiwilligkeit, sowohl was die kommunalen als auch was die privaten Flächen anbelangt. Doch Stefan Adam betonte, die Verbundplanung entstehe dennoch aus der Überzeugung heraus, dass dies der richtige Weg sei, um die Artenvielfalt auf der Gemarkung zu erhalten und deren Lebensräume zu verbessern. Das letzte Wort hat freilich der Gemeinderat, der die Biotopverbundplanung dann beschließen wird. Pliezhausen ist mit eine der ersten Gemeinden, die das landesweite Projekt umsetzen.
Dabei ist der Gedanke des nun zur Landesaufgabe erhobenen Verbund-Projektes nicht ganz neu. Bereits in den 1980er-Jahren gab es den Willen zur Biotop-Vernetzung. Damals war man allerdings bemüht, Tümpel anzulegen oder Hecken zu pflanzen, um einen entsprechenden Lebensraum für die Organismen zu schaffen. »Doch so einfach ist es nicht«, sagt Wagner. Bei der jetzigen Verbundplanung geht es deshalb auch um die unterschiedlichen Standorte. »Wir haben ja zum Beispiel auf Ackerflächen andere Vogelarten als auf Streuobstwiesen.« So versuche man, die Vielfältigkeit der Natur einzusortieren und entsprechende Maßnahmen vorzuschlagen. Auf der Pliezhäuser Gesamtgemarkung gibt es laut Wagner relativ viele gesetzlich geschützte Bereiche wie Biotope und Streuobstwiesen. »Manche Bereiche sind in einem tollen Zustand. Dann gibt es Bereiche, die zwar geschützt, aber verwahrlost sind.« Laut Wagner ist deshalb auch der Erhalt des Bestehenden eine größere Herausforderung als die Schaffung neuer Schutzräume.
Sowohl Gemeinde als auch dem Planungsbüro ist daran gelegen, eine möglichst hohe Akzeptanz für den Biotopverbund zu erlangen. Und das bedeutet, auch die Interessen der Bewirtschafter zu berücksichtigen, wie Stefan Adam betont. »Wir brauchen Menschen, die die Flächen bewirtschaften. Und deren Vorschläge wollen wir ebenfalls einfließen lassen.« Die großen Ackerflächen werden für die Landwirtschaft immer Vorrang haben, werden dort doch die nötigen Nahrungsmittel angebaut. Zugleich sind die Ackerflächen wichtige Lebensräume zum Beispiel für Bodenbrüter wie die Feldlerche. Deren Interessen nun mit den Interessen der Bewirtschafter zu verbinden, dies ist unter anderem die Aufgabe des Landschaftserhaltungsverbandes. Denn, wie Anna Lakeit erklärt, es gebe mittlerweile gute Landschaftspflegeleistungen für die jeweiligen Landwirte.
Hoher Pflegeaufwand im Streuobstbau
Von der jetzigen Streuobstlandschaft wird wahrscheinlich in 20 Jahren nur noch die Hälfte vorhanden sein, schätzt der Fachmann. Denn bereits jetzt seien zwei Drittel der Streuobstbestände in schlechtem Zustand, so Wagner. Grund ist der hohe Pflegeaufwand. Natürlich wäre es wünschenswert, dass Streuobstbäume nachgepflanzt werden. »Aber wenn ich ganz ehrlich bin, muss ich der Gemeinde raten, es nicht zu tun.« Denn allein die Personalkosten für die Pflege in den nächsten Jahren sei exorbitant. »Das kann die Gemeinde nicht leisten.« Deshalb könne es auch sinnvoll sein, andere Bäume wie zum Beispiel Eichen zu pflanzen, die Vögeln ebenfalls als Unterschlupf dienen. Umso wichtiger sei es, dass die Begeisterung für die Streuobstpflege bei den privaten Wiesenbesitzern aufrechterhalten werde, dass man auf Förderprogramme verweise und durch Aktionen, wie zum Beispiel die Mostprobe des Landkreises, auch junge Leute dazu motiviere, in den Streuobstbau zu investieren.
Prägend für die Gemarkung Pliezhausen sind auch die ehemaligen Steinbrüche. Zu einem führte Wagner die Gruppe. Die Steinabbruchkanten sind trockene Lebensräume, die allesamt relativ stark zugewachsen sind. »Vor 70 Jahren waren diese Hänge zum Großteil noch offen.« Sie boten Lebensraum für Nattern. Nach dem Willen des Fachmanns könnten diese alten Steinbrüche wieder ins Licht gesetzt werden, wie er es nennt. Auf diese Weise könnten sich die Nattern, die es noch gibt, wieder vermehrt hier ansiedeln.
Was viele nicht wissen: Es gibt Landesmittel für entsprechende Pflegemaßnahmen, sowohl Privatleute als auch Landwirte, Gruppen oder Vereine können Anträge stellen. Anna Lakeit bedauert, dass innerhalb der Gemeinde Pliezhausen bislang relativ wenig Anträge gestellt worden seien. Da gebe es noch Luft nach oben, sagt sie und rät, es doch einmal zu versuchen. Zumal die Vertreter des Landschaftserhaltungsverbandes mit Rat und Tat zur Seite stehen und im Umgang mit extensiv genutzten Flächen fachkundig beraten. »Wir sind bestrebt, auf diese Weise Landschaftspflege in die Fläche zu bringen und die Artenvielfalt wieder herzustellen.« Ein Anliegen, das auch ganz im Sinne der Gemeinde ist, wie Stefan Adam bekräftigt. »Genau deshalb ist der Biotopverbund eine Chance für uns, ein Instrumentarium für das, was vor Ort möglich ist.« (GEA)