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Aktuell Geschichte

Veranstaltung »80 Jahre Kriegsende in Metzingen« mahnte auch zum Einsatz für Frieden

In der zweieinhalbstündigen Veranstaltung im Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium gab es einen Vortrag, einen Film mit Zeitzeugen und eine von Schülerinnen und Schülern erarbeitete Ausstellung.

Sie hatten das Thema hervorragend aufbereitet (von links): Rolf Bidlingmaier,  Gerhard Stahl, Zeitzeugin Ruth Gänsslen, Albrecht
Sie hatten das Thema hervorragend aufbereitet (von links): Rolf Bidlingmaier, Gerhard Stahl, Zeitzeugin Ruth Gänsslen, Albrecht Häussler, Oberbürgermeisterin Carmen Haberstroh, Rudolf Renz. Im Hintergrund schauen die Gäste die Ausstellung an. Foto: Gabriele Böhm
Sie hatten das Thema hervorragend aufbereitet (von links): Rolf Bidlingmaier, Gerhard Stahl, Zeitzeugin Ruth Gänsslen, Albrecht Häussler, Oberbürgermeisterin Carmen Haberstroh, Rudolf Renz. Im Hintergrund schauen die Gäste die Ausstellung an.
Foto: Gabriele Böhm

METZINGEN. Einen informativen und auch sehr emotionalen, zweieinhalbstündigen Abend erlebten die Gäste in der restlos besetzen Aula des Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasiums. In einer ertragreichen Kooperation zwischen Gymnasium, Stadtarchiv, Arbeitskreis Stadtgeschichte (AKS) und Evangelischer Familienbildungsarbeit wurde das Kriegsende in Metzingen vor 80 Jahren, am 8. Mai 1945, beleuchtet.

Der Abend diene dem Erinnern, dem Austausch und dem Brückenbau, sagte Oberbürgermeisterin Carmen Haberstroh in ihrer Begrüßungsrede. »Es ist unsere Verantwortung, Geschichte weiterzugeben, damit sie nicht vergessen wird. Der 8. Mai war ein tiefer Einschnitt in der Geschichte und mahnt, dass die Idee von Frieden und Zusammenarbeit zerbrechlich ist und Einsatz und Achtsamkeit verlangt.« Man müsse sich entschlossen für eine Welt von Toleranz, Respekt und Menschlichkeit einsetzen.

In seinem Vortrag »Metzingen im Jahr 1945 – ein Jahr der Angst« betonte Rudolf Renz vom AKS, man dürfe den 8. Mai 1945 nicht vom 30. Januar 1933, dem Tag der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler, trennen. Der ehemalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker habe den 8. Mai 1945 als Tag der Befreiung von dem menschenverachtenden Regime der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft bezeichnet, die die Ursache gewesen sei für die Grausamkeiten des Kriegs.

Metzingen mit seinen damals knapp 8.000 Einwohnern sei zwar, anders als Reutlingen oder Urach, weitgehend von Zerstörungen verschont geblieben. Doch grassierte in den letzten Kriegsmonaten dennoch die Angst vor Luftangriffen, der Nähe des Feindes und einer ungewissen Zukunft. 1943 habe es in Metzingen 40 Fliegeralarme gegeben, man habe Evakuierungen aus Stuttgart erlebt. »Im Februar und März 1945 gab es fast täglich Alarm«, so Renz. Geregeltes Leben sei kaum möglich gewesen, der Schulunterricht fiel häufig aus, die Luftschutzräume waren unzureichend. Am 9. April 1945 fielen auch in Metzingen Bomben, es gab Tote und Verletzte. Die Front rückte näher, der »Volkssturm« errichtete Panzersperren. Nicht befolgt wurde jedoch der Befehl von Kreisleiter Sponer, vor dem Einmarsch des Feindes selbst alle Häuser und Fabriken zu zerstören.

Da man befürchtete, dass eine Verteidigung der Stadt katastrophale Folgen haben würde, wurden am 22. April die Panzersperren geöffnet, einen Tag später zogen amerikanische Truppen ein. »Sie rückten schon am 1. Mai wieder ab«, sagte der Referent, allerdings nicht ohne alle Waffen, Foto- und Filmapparate mitzunehmen. Dies sei der Grund, warum es aus dieser Zeit kaum fotografisches Material gebe. In den unmittelbaren Nachkriegsjahren habe Metzingen unter Hunger, Wohnungsnot, Einquartierungen, Beschlagnahmungen und Demontagen gelitten. Die Lebensmittelknappheit habe Leib und Leben bedroht. Am 10. Mai 1945 hätten Franzosen ihre Siegesparade abgehalten, an der auch die Verschleppten aus anderen Ländern teilnahmen.

Das Publikum hörte fast atemlos zu, viele schienen sich an die eigenen Erfahrungen zu erinnern. Ab und zu gab es einen Einwurf wie jenen, dass man im wiedereinsetzenden Schulunterricht in Klassen von über 80 Kindern zusammensaß. 439 Metzinger waren im Krieg getötet worden, 212 Soldaten blieben vermisst, mehrere Hundert waren in Gefangenschaft, lautete die Schreckensbilanz.

In der Pause sahen sich die Gäste mit großem Interesse die selbstständig von Schülerinnen und Schülern erarbeitete Ausstellung an, die von Gymnasiallehrer Dr. Michael Becker vorgestellt wurde und in der unter anderem die Kopien zahlreicher Originaldokumente zu sehen sind. Die Schautafeln sind noch in den nächsten zwei Wochen im ersten Stock der Brunnenhalle zu sehen. Sehr lebhaft waren in der Pause auch die Unterhaltungen. »Man hat ja nicht immer Gesprächspartner, mit denen man über diese Zeit reden kann«, brachte es eine Dame auf den Punkt.

Stadtarchivar Rolf Bidlingmaier führte in den Film von Gerhard Stahl (Göppingen) ein, in dem vier Zeitzeugen zu Wort kamen, die 1945 zwischen zehn und 17 Jahren alt waren. »Wir haben lange nichts vom Krieg mitbekommen, doch dann wurde der Vater eingezogen«, hieß es beispielsweise.

»Erinnerungskultur ist wichtig, um aus der Geschichte zu lernen«, sagte Albrecht Häussler von der Familienbildungsarbeit. »Haben wir in Metzingen unsere Lektion gelernt? Ja, ich denke schon.« Unter anderem zeige das der heutige Abend. (GEA)