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Aktuell Versorgung

Treffpunkt für Menschen mit psychischer Erkrankung entsteht in Metzingen

Im Ex-Reformhaus am Kelternplatz wird ein Treffpunkt mit Beratungsmöglichkeiten geschaffen. Was im Einzelnen geboten wird und wann er öffnet.

Noch modeln Handwerker das ehemalige Reformhaus am Kelternplatz um, im Oktober soll es als Anlaufstelle für psychisch Erkrankte
Noch modeln Handwerker das ehemalige Reformhaus am Kelternplatz um, im Oktober soll es als Anlaufstelle für psychisch Erkrankte neu öffnen. Foto: Markus Pfisterer
Noch modeln Handwerker das ehemalige Reformhaus am Kelternplatz um, im Oktober soll es als Anlaufstelle für psychisch Erkrankte neu öffnen.
Foto: Markus Pfisterer

METZINGEN. Noch sind die Handwerker drinnen. Gliedern die Räume anders, richten den Boden her, bauen neue Beleuchtung ein und eine freundliche Inneneinrichtung, streichen die Wände. Ab Oktober sind im ehemaligen Reformhaus Kaliss am Metzinger Kelternplatz Menschen mit psychischer Erkrankung willkommen. Sie werden dort ein Unterstützungszentrum mit Angeboten finden, die ihre äußerlich oft leeren, gedanklich aber häufig bedrängend vollen Tage neu erfüllen können. Die ihnen Kontakt, Beratung, Sinn, Freude und Perspektive verschaffen können.

Ein großes Schild klebt an einem der ehemaligen Schaufenster. GP.Rt steht darauf. Das rote Kürzel im verbindenden blauen Oval steht für Gemeindepsychiatrische Hilfen im Kreis Reutlingen. Es ist wie PP.Rt gegenüber dem Klinikum am Steinenberg in Reutlingen ein Gemeinschaftsprojekt des Zentrums für Psychiatrie Südwürttemberg in Zwiefalten und der Bruderhaus Diakonie. GP.Rt bietet außerklinische Hilfen an, bei den Patienten zuhause genauso wie in ambulanten Anlaufstellen. »Metzingen war noch ein kleiner weißer Fleck«, macht Christian Freisen deutlich, einer der beiden Geschäftsführer von GP.Rt, der das entstehende Projekt im Metzinger Gemeinderat vorgestellt hat.

Raus aus der Isolation

Der Fleck kommt weg. Ab Oktober finden Patienten oder Klienten etwa mit Depressionen oder Angststörungen am Kelternplatz Räume und Fachpersonal. »Die Zahl der Erkrankten nimmt zu«, weiß Freisen. Nicht nur in und um Metzingen. Betroffene aus der Kelternstadt haben bisher ambulante Anlaufstellen in Reutlingen besucht. In ihrer Heimat waren sie auf wenige Fachärzte und Psychotherapeuten angewiesen und auf Gemeinschaftsangebote ohne psychiatrischen Einschlag. Künftig finden sie hier ein flächigeres fachliches Angebot.

Allerdings keins, in dem therapiert wird, machte der GP.Rt-Geschäftsführer deutlich, auch wenn die ärztliche Diagnose der Besucher ein wichtiger Ansatzpunkt für die Mitarbeiter im Ex-Reformhaus sein wird. Und doch kann, wer hierher kommt, einen Rahmen finden, der sie oder ihn stabilisieren kann. Beim Austausch mit Mitbetroffenen und Mitarbeitern der neuen Einrichtung. Beim Essen und Trinken, beim Spielen oder Ratgeben etwa in Sachen Wohnungs- oder Jobsuche oder vor Behördengängen. »Gemeinsam Tagesstruktur gestalten« nennt der Ruhe ausstrahlende Fachmann das, was in der neuen Anlaufstelle möglich sein wird.

Gemeinschaftsraum und Einzelberatung

Das Erdgeschoss wird eine Art Tagesstätte mit großem Raum, Tischen, gemütlichem Mobiliar und zu Dreivierteln milchverglasten Fenstern. »Ein Anlaufpunkt, um sich in Gemeinschaft wohlzufühlen«, beschreibt Christian Freisen das künftige Gepräge. Im Obergeschoss wird es Rückzugsmöglichkeiten geben. Und Beratung. »Mitarbeiter, die helfen.« Die auch weitervernetzen zu individuell noch passenderen Profis, auch wenn diese oft lange Wartezeiten haben. In Akutfällen helfen allerdings die Kliniken.

Niederschwellig ist im neuen Unterstützungszentrum am Kelternplatz alles gedacht. So, dass es den psychisch Erkrankten leichter fallen könnte, herzukommen. Wer an einer Depression leidet, ist im Antrieb oft gehemmt. Menschen mit Angststörung trauen sich häufig nicht aus dem Haus. Wer es dennoch schafft und selbstinitiativ in die Gesellschaft geht, sich dort erfolgreich erprobt, Bestätigung erfährt, Kompetenzen anwenden kann, auch Freude erlebt, kann schon dadurch helfen, seine Erkrankung zu bewältigen oder zumindest nicht im Dauertief hängen zu bleiben.

Mitten in der Stadt

Wiewohl die eigenen vier Wände als Rückzugsort, der Geborgenheit geben kann, noch zentraler erscheint. Erschwinglicher Wohnraum fehlt allerdings, in Metzingen generell, bei Menschen mit psychischen Erkrankungen im Besonderen. »Sie leben oft von Bürgergeld.« In der neuen Anlaufstelle könnten, so vorhanden, auch Wohnmöglichkeiten vermittelt werden.

Seit über fünf Monaten sind die Handwerker im Ex-Reformhaus im Auftrag der GP.Rt am Renovieren. Die nimmt dafür einen deutlich sechsstelligen Betrag in die Hand. »Unfassbar wertvoll« findet Oberbürgermeisterin Carmen Haberstroh die neue ambulante Anlaufstelle am Kelternplatz. Gelegen mitten in der Gesellschaft: in zentraler Lage in einer Stadt, die auch sonst durch ein eng verknüpftes ausgebautes soziales Gepräge auffällt.

Unauffällig ein- und ausgehen

Das Haus mit den überwiegend undurchsichtigen Scheiben wird nicht plakativ Flagge zeigen, es soll sich vor allem von Mund zu Mund herumsprechen. Die Besucherinnen und Besucher werden es auf unauffälligen Wegen betreten. »Das ist auch gut so«, fand Robert Schmid (FWV) im Gemeinderat. Susanne Bernauer (Grüne) hinterfragte diese Haltung sofort: »Es wäre schön, wenn es nicht so schambehaftet wäre«, meinte die Sonderschullehrerin, »ich finde es gut, wenn die Leute dort ein- und ausgehen.« (GEA)

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