PFULLINGEN. Die Täter sind heimtückisch und vergreifen sich an den Schwächsten. Sie füllen Gift in Leckerli oder stopfen scharfe Gegenstände in Wurst. Alles nur mit der Absicht, ein Tier zu töten. Suzana Steinmaier hält sich bewusst zurück, als die Pfullingerin erzählt, was ihrem Hund Ende Juli widerfahren ist. Auf der alten Bahntrasse geht sie an diesem Tag mit ihrer zweijährigen Hündin spazieren, mit dabei auch ihre zehnjährige Tochter. Vor dem Kindergarten in der Schulstraße ist es passiert, da hat sie beobachtet, dass ihre Hündin wohl auf etwas gekaut hat – dem aber zu diesem Zeitpunkt keine größere Beachtung geschenkt.
20 oder 30 Minuten später ist das Trio in der Nähe der Laiblin Villa angekommen. Die Hündin Sheer hat sich hingelegt, sie kann nicht mehr laufen, hat Schaum vor dem Mund, ihre Zunge ist lila. Suzana Steinmaier klingt ganz beherrscht, als sie davon erzählt. Das ist sie zu jenem Zeitpunkt auch, sie versucht ihre zehnjährige Tochter zu beruhigen, die große Angst um ihren Hund hat, und gleichzeitig die Rettung ihres tierischen Familienmitglieds in die Hand zu nehmen. Den packt sie kurzerhand ins Auto, ruft ihren Tierarzt an und kündigt ihr Kommen an.
Nur wenige Hunde können widerstehen
Dort geht das Drama weiter, Sheer bekommt eine Spritze, damit sie sich übergeben muss. Unter dem, was sie hervorwürgt, sind Käsestücke. Deshalb vermutet Suzana Steinmaier, dass darin das Gift versteckt war. Ihre Hündin verliert das Bewusstsein, die Nerven bei der Halterin liegen blank. Eine weitere Spritze mit einem Gegengift bringt die Wende. Die junge Hündin muss noch einige Tage Tabletten schlucken und ist heute wieder auf dem Damm. »Ich hoffe, sie hat aus dem Vorfall gelernt«, sagt Steinmaier, weiß aber genau, dass das ein frommer Wunsch ist: Giftköder riechen gut, schmecken gut und sind oft mit einem Bissen weg. Nur wenige Hunde können ihnen widerstehen.
Angezeigt hat sie den Vorfall damals nicht. So wie die anderen Hundebesitzer in Pfullingen auch nicht, die sich in den sozialen Medien austauschen und sich an den GEA gewandt haben. Aber genau dazu raten die Tierschutzorganisationen dringend, um deutlich zu machen, dass Giftköder, häufiger als man denkt, dafür verantwortlich sind, dass Tiere qualvoll verenden. Das Auslegen ist kein Kavaliersdelikt, auch wenn Haustiere der Rechtsprechung nach eine Sache sind. Es ist eine Straftat. Und zwar eine versuchte Sachbeschädigung. Schon der Versuch ist strafbar und wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder einer Geldbuße geahndet.
Harte Strafen drohen
Sobald ein Tier zu Schaden kommt, ändert sich die Grundlage. Dann greift das Tierschutzgesetz. Das sieht vor, dass jemand, der »ein Wirbeltier ohne vernünftigen Grund tötet« oder »einem Wirbeltier aus Rohheit erhebliche Schmerzen oder Leiden oder länger anhaltende oder sich wiederholende erhebliche Schmerzen oder Leiden zufügt« mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe bestraft wird. Das ist schon ganz schön happig.
Es ist aber oft schwierig, den Täter dingfest zu machen. »Die Polizei kann auch nichts machen«, sagt Suzana Steinheim. Hintergrund ist, dass ganz oft nicht geklärt wird, ob tatsächlich ein Giftköder für den Zustand des Hundes verantwortlich ist, denn die notwendigen Laboruntersuchungen sind teuer, weswegen sie nur wenige Hundebesitzer machen lassen. Und die Polizei klärt letztlich auch nicht, ob es sich bei den ausgelegten Ködern tatsächlich um Giftköder handelt. Offensichtlich ist das nur, wenn die Tierquäler scharfe Gegenstände in Wurst, Käse oder Leckerli stecken.
Verdächtiges der Polizei melden
Suzana Steinmaier und ihrer Mitstreiterin Sarah Große ist es deshalb wichtig, die Menschen für das Thema zu sensibilisieren. Sie wünschen sich, dass die Pfullinger ein Auge darauf haben, was um sie herum passiert. Und vielleicht auch mal, wenn sie sehen, dass jemand etwas Verdächtiges wegwirft oder an den Wegen drapiert, die Polizei oder das Ordnungsamt informieren.
Was tun bei einer Vergiftung?
Hundehasser platzieren Giftköder überall dort, wo Hunde regelmäßig anzutreffen sind. Die Tierschutzorganisation mit Tierregister Tasso hat Tipps zusammengestellt, damit Hundehalter auf den Ernstfall vorbereitet sind: »Hegen Sie auch nur den kleinsten Verdacht, dass Ihr Liebling einen Giftköder aufgenommen haben könnte, müssen Sie schnell handeln und ihn zum Tierarzt bringen.«
Die meisten Giftköder verursachen schon binnen kürzester Zeit erste Vergiftungsanzeichen. Erbrechen ist ein häufiges und oft das erste Symptom von Vergiftungen. Übermäßiges Hecheln, vermehrt weißer Speichel, blasse Schleimhäute, veränderte Pupillen und eine allgemeine Teilnahmslosigkeit deuten ebenfalls auf eine Vergiftung hin. Allerdings machen sich die Symptome nicht immer sofort bemerkbar, erklärt die für Tasso tätige Tierärztin Dr. Anette Fach.
Vieles hängt von der Art des Giftköders ab. Im Internet ließen sich zwar Erste-Hilfe-Tipps für den Fall einer Vergiftung nachlesen, die meisten seien jedoch kaum praktikabel oder könnten sogar lebensgefährlich sein. »Bringen Sie Ihren Hund keinesfalls zum Erbrechen. Wurden ihm ätzende Stoffe oder scharfkantige Gegenstände verabreicht, könnten Sie dadurch seinen Zustand verschlimmern«, warnt Dr. Anette Fach. »Auch das Verabreichen von medizinischer Aktivkohle kostet Sie im Ernstfall überlebenswichtige Zeit.« Im Ernstfall zähle jede Minute. »Kontaktieren Sie sofort einen Tierarzt oder eine Tierklinik, kündigen Sie Ihren Notfall an. Nur eine sofortige Behandlung kann das Leben des Vierbeiners retten.« (GEA)
Und wie ist es jetzt, mit Sheer rauszugehen? »Ich halte sie kurz, lasse sie jetzt nicht mehr allein laufen«, erzählt Suzana Steinmaier. Sie ist vorsichtiger geworden, sie will nicht, dass es ihrer Hündin noch einmal so dreckig geht oder diese gar stirbt, wie es eine andere Hundehalterin in den vergangenen Wochen erleben musste. Deren Tier erlag inneren Blutungen, verursacht mit großer Wahrscheinlichkeit von einem Giftköder. Am Ende verliert Suzana Steinmaier dann doch noch fast die Contenance. Aber was sie über die Menschen denkt, die Giftköder auslegen und was sie mit ihnen machen würde, will sie dann doch lieber nicht in der Zeitung lesen. (GEA)