METZINGEN/TÜBINGEN. Er bestreite die Vorwürfe vollumfänglich, sagte ein 54 Jahre alter Angeklagter am Freitag vor dem Tübinger Landgericht: Dem Mann wird vorgeworfen, seine Stieftochter sexuell missbraucht zu haben, als diese zwischen acht und zehn Jahren alt war. Am Freitag sagte das betroffene Mädchen, mittlerweile eine junge Frau, unter Ausschluss der Öffentlichkeit aus. Dem Angeklagten sprangen seine Schwestern als Zeuginnen zur Seite.
Der Mann soll sich zwischen 2010 und 2012 an dem Mädchen vergangen haben. In der Ehe mit dessen Mutter, die Familie wohnte damals in Metzingen, soll es zu dieser Zeit bereits ziemlich gekriselt haben. Die Beziehung zwischen Mutter und Tochter sei ebenfalls sehr angespannt gewesen, es habe sogar Schläge gegeben, hatte der Mann an einem früheren Verhandlungstag ausgesagt.
»Bei Euch ist es viel ruhiger als bei uns«
Der 54-Jährige vermutete im Lauf des Prozesses, die Mutter habe ihre Tochter zur Anklage angestiftet. Das Mädchen war allerdings im Vorfeld zum Jugendamt gegangen und hatte den Mann angezeigt: Er soll sie anfangs gestreichelt und ihr in die Unterhose gefasst haben und sie in den darauffolgenden Monaten, zu Zeiten, in denen die Mutter nicht im Haus war, regelmäßig missbraucht haben. Es soll zu Sexual- und Oralverkehr gekommen sein. Die Übergriffe hätten erst nach einem heftigen Streit zwischen dem Mann und der Mutter des Kinds aufgehört haben.
Der Angeklagte wies die Vorwürfe von sich. In der die Vorwürfe betreffenden Zeit sei er viel auf Montage und nur am Wochenende daheim gewesen. Er klagte seine damalige Frau an: Diese habe angekündigt, ihn fertig machen zu wollen, nachdem sie von seiner neuen Beziehung erfahren habe. Sie habe das Mädchen, das sie in die Ehe mitgebracht hatte, und die beiden gemeinsamen Kinder in den Streit einbezogen und diese instruiert, wie sie sich ihm gegenüber und vor Gericht verhalten sollten.
»Sie hat oft rumgetobt wie eine Irre «
Um dies zu unterstreichen, lud Verteidiger Michael Erath die drei Schwestern des Angeklagten als Zeuginnen. Sie sollten Einblicke in dessen Eheverhältnisse zur Zeit der Tatvorwürfe geben. Die älteste Schwester sagte aus, die Familie ihres Bruder sei regelmäßig zu Feiertagen wie Weihnachten, Ostern und Pfingsten zu Besuch gekommen: »Unsere Kinder bekamen den Horror, wenn sie sich ankündigten.«
Das habe an der damaligen Frau des Angeklagten gelegen: Dieser habe nie etwas gepasst, sie hätte oft »rumgetobt wie eine Irre.« Und: »Ich habe sie nie lachen gesehen.« Die aktuellen Vorwürfe der Stieftochter seien schon immer ein Druckmittel gewesen, um etwas von ihrem gutmütigen Bruder zu bekommen.
»Die Kinder waren immer auf Habacht«
Die nächstjüngere Schwester des Angeklagten beschrieb dessen damalige Frau als einschüchternd, ihren Kindern aber auch den eigenen gegenüber. Mit denen, ergänzte die jüngste Schwester, sei die Frau teils »krass« umgegangen: »Die waren immer auf hab Acht.« Die damalige Frau des Angeklagten sei, auch ihr gegenüber, schnell laut geworden. Im Umgang mit ihrem Bruder habe die Frau schon mal Teller und Schüsseln fliegen lassen.
Die jüngste Schwester des Angeklagten sagte, das Mädchen, das ihrem Bruder nun vorwirft, sich an ihr vergangen zu haben, habe sie einmal gefragt, ob es nicht von ihr adoptiert könne: »Bei Euch ist es viel ruhiger als bei uns.« Kontakte zwischen den Verwandten des Angeklagten und dessen Kindern gebe es nicht mehr – die habe deren Mutter komplett unterbunden. »Das fand ich schade.«
Am Montag werden die Plädoyers gesprochen, zudem wird mit der Verkündung des Urteils gerechnet. (GEA)
Im Gerichtssaal
Richter: Armin Ernst (Vorsitzender Richter), Julia Merkle. Schöffen: Christoph Beck, Barbara Keppler. Staatsanwältin: Rotraud Hölscher. Verteidiger: Michael Erath. Nebenklagevertreterin: Marie-Luise Dumoulin. (GEA)