ROTTENBURG-WURMLINGEN. Es ist viel passiert seit dem letzten Treffen mit den Gründern des Start-ups Nordesign im August 2023. Damals war den Anbietern von hochwertigen und nachhaltigen Küchenutensilien gerade der erste große Coup geglückt. Die Drogeriemarktkette dm hatte ihren Kokosschwamm ins Sortiment aufgenommen. Gleichzeitig trieb die Geschwister Tessa und Ferdinand Schulz die Sorge um, der Drogerie-Riese könnte sie mit einem eigenen, sehr ähnlichen Produkt gleich wieder vom Markt verdrängen. Eine Sorge, die sich glücklicherweise als unbegründet erwies, wie Ferdinand Schulz im Gespräch mit dem GEA berichtet.
»Der Konkurrenz-Schwamm stellte sich als reines Aktionsangebot heraus, das bei dm an ganz anderer Stelle geplant worden ist.« Das Verhältnis zu dm beschreibt Schulz als stets kollegial und unterstützend. Neben dem Kokosschwamm führt die Drogerie-Kette mittlerweile auch ein Spültuch und Spülmittel von Nordesign. Dies erforderte jedoch auch Anpassungen am Produkt. »Die hochwertigen Sprühflaschen aus Glas mit Nachfüllbeuteln lassen sich in den Drogeriemärkten nicht verkaufen. Da ist alleine die Bruchgefahr zu hoch«, erklärt der Gründer. So liefere man dem Einzelhandel ein Produkt in recyceltem Plastik. Die Premiumprodukte vertreibt Nordesign weiter über den Online-Shop. Und das mit beeindruckendem Erfolg.
Umsatz hat sich vervierfacht
Erwarteten die Geschwister 2023 noch eine Umsatzverdoppelung für 2024 auf eine Million Euro, steht tatsächlich eine Vervierfachung auf über 2 Millionen Euro in den Büchern. Dazu habe beigetragen, dass neben dm auch Müller und die norddeutsche Drogerie-Kette Budni ihre Produkte gelistet haben. Müller rolle die Produkte sogar europaweit aus »Unseren Kokosschwamm kann man schon auf Mallorca kaufen«, freut sich Schulz. Der größte Coup gelang den Gründern aber wohl damit, Judith Williams - bekannt aus der Höhle der Löwen -, als Investorin an Bord zu holen. »Den Kontakt zu Williams' Firma Start Now hat uns ein befreundeter Gründer vermittelt«, sagt Schulz. Überhaupt seien gute Netzwerke das Wichtigste. Schulz schwärmt vom tollen Zusammenhalt in der Gründerszene und dem wertvollen Erfahrungsaustausch. Die Leute bei Start Now konnten die Gründer jedenfalls überzeugen. Die Firma investierte einen sechsstelligen Betrag für rund ein Fünftel der Anteile an der Nordesign GmbH. Der Firmenname ist eine Wortschöpfung aus »Nordic« und »Design«, als Hinweis auf die skandinavische Vorstellung von Nachhaltigkeit und Design.
Der große Player im Rücken vergrößere nochmal deutlich das Netzwerk und bringe große Expertise im Marketing mit sich. Und den Mut, größer zu denken. »Tessa und ich sind ja eher vom schwäbisch-bescheidenen Unternehmertum geprägt«, erklärt Ferdinand Schulz. »Vorsichtig kalkulieren, maßvoll aus dem Eigenkapital wachsen.« Start Now habe sie jedoch ermutigt eine ambitionierten Businessplan zu erstellen. »Man traut sich dann schon mehr zu, weil man weiß, die haben das schon oft gemacht und die wissen, was geht.« Nun verkauft Nordesign rund 2.000 Produkte am Tag und die Homepage verzeichnet zwischen 6.000 und 7.000 Besuchen am Tag.
Jobs bei Bosch gekündigt
Das macht natürlich mehr Arbeit als man im Nebenjob leisten kann. Schon 2024 hatte Ferdinand seine Arbeitszeit bei Bosch auf 50 Prozent reduziert, Tessa auf 70 Prozent. Seit Jahresbeginn sind sie nun Unternehmer in Vollzeit. Ihre Jobs bei Bosch haben sie gekündigt. »Unser Arbeitgeber hat uns von Anfang an unterstützt und ermutigt.« Zunächst seien da schon Sorgen gewesen, wie der Arbeitgeber auf die neue »Nebentätigkeit« wohl reagiere. »Die Reaktionen von Chef und Kollegen sind aber durchweg positiv gewesen.«
Nach einer Zwischenstation in einem 7 Quadratmeter kleinen Mietbüro am Stuttgarter Flughafen, hat Nordesign nun ein komfortables 110 Quadratmeter großes Büro an der Stuttgarter Weinsteige bezogen. Zudem beschäftigen die Geschwister seit Jahresbeginn eine Angestellte und eine Praktikantin. Professionelles E-Commerce-Marketing ist nämlich ein Fulltimejob. »Wir laden täglich 4 neue Werbeclips hoch, von denen aber nur etwa 10 Prozent auch funktionieren.« Deren Wirkung müsse dann evaluiert werden und die Erkenntnisse fließen dann in neue Clips ein, dabei nutzen die Gründer auch KI. »Aber auch die besten Clips funktionieren nicht ewig«, erklärt Schulz. Rund 2.500 Euro geben die Gründer täglich für Werbung aus. Die Investition scheint sich auszuzahlen, über 50 Prozent des Umsatzes generiert Nordesign im eigenen Online-Shop.
Nordesign will Richtung Bad wachsen
Um Wachstumspläne ist man bei Nordesign nicht verlegen. So möchte man natürlich auch den dritten großen Player Rossmann gerne als Kunden gewinnen, aber auch eine Partnerschaft mit Rewe oder Edeka sei perspektivisch denkbar. »Auf der Produktseite möchten wir in Richtung Bad wachsen«, erklärt Schulz. Geplant seien Hand- und Badetücher sowie hochwertige Halterungen. Online bespielt Nordesign derzeit die Kanäle Meta und Google, würde dies aber gerne auch auf Amazon und Tiktok ausweiten. Allerdings erfordere jeder Kanal seinen ganz eigenen Content. »Auf Tiktok ist weniger Hochglanz gefragt und mehr Selfie-Stick.« Deswegen sind die Gründer auf der Suche nach jemandem, der sich ganz auf die Arbeit im neuen Content-Studio konzentrieren kann. Den Umsatz wollen die Gründer 2025 auf 6 Millionen Euro verdreifachen.
»Es ist schon manchmal verrückt, vor knapp 4 Jahren haben Tessa und ich mit zusammen 4.000 Euro angefangen und heute hantiere ich mit sechsstelligen Beträgen und schaffe Arbeitsplätze«, staunt Ferdinand Schulz. Das Wichtigste ist ihm, Menschen dazu zu ermutigen, sich selbst Ziele zu stecken und sie zu verfolgen. Das Gründen habe ihm in vielerlei Hinsicht den Horizont erweitert. »Wir haben so viele neue Menschen auf allen möglichen Unternehmensebenen kennengelernt und uns so stark weiterentwickelt, das kann ich jedem nur wünschen.« Sein Wissen teilt er mit Begeisterung. So zum Beispiel mit der Praktikantin, die selbst ein kleines Start-up hat und sich bei Nordesign das ein oder andere abschauen möchte. (GEA)