REUTLINGEN. Die deutsche Wirtschaft will derzeit einfach nicht so recht in Gang kommen. So erwarten die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute für 2023 nun sogar eine kleine Rezession um 0,6 Prozent. Im Frühjahr war noch mit einem kleinen Wachstum von 0,3 Prozent gerechnet worden. Man muss jedoch bedenken, dass Deutschland im vergangenen Jahr Knall auf Fall seinen Hauptenergielieferanten eingebüßt hat, weil dieser meinte sich über das Völkerrecht hinwegsetzen zu müssen und in sein Nachbarland einmarschiert ist. Zudem zwingen Dürren, Waldbrände und Überschwemmungen die Unternehmen aller Branchen dazu, ihre Produktion auf Klimaneutralität zu trimmen. Dazu schickt sich eine disruptive Technologie wie die KI an, das wirtschaftliche Gefüge in seinen Grundfesten zu erschüttern. Da erscheint einem ein kleiner Wirtschaftsrückgang von 0,6 Prozent doch aller Ehren wert.
Am meisten gebeutelt sind derzeit sicherlich Chemie- und Bauindustrie. Erstere leidet unter den hohen Energiepreisen, während letzterer die Kunden infolge der hohen Zinsen wegbrechen. Man darf jedoch nicht vergessen, das die Baubranche durch die jahrelange Null-Zins-Politik eine beispiellose Boom-Phase durchlebt hat. Und auch wenn in der Chemieindustrie Umsatz und Gewinn einbrechen, sind Konzerne wie Evonik oder BASF noch weit von roten Zahlen entfernt. Dass eine umfassende industrielle Transformation zum Nulltarif zu haben sein würde, konnte nun wirklich niemand erwarten. Wie gut sich die deutsche Wirtschaft in diesen komplizierten Zeiten schlägt, zeigt wie widerstandsfähig und innovationsfreudig unsere Unternehmen sind. Der Arbeitsmarkt ist stabil, noch nie wurden Mitarbeiter so umworben wie heute.
Dies soll jedoch nicht das Leid schmälern, das einzelne Firmen oder Menschen derzeit erleiden. In Zeiten der Transformation gibt es immer auch Firmen, die es nicht schaffen. Und steigende Lebensmittelpreise und kaum noch erschwingliche Mieten erzeugen bei vielen Menschen derzeit Existenzängste. Hier muss der Staat dafür sorgen, dass Alleinerziehende und Geringverdiener nicht unter die Räder kommen.