REUTLINGEN. Auf dem Tisch lagen kleine Bälle. Und Johannes Schwörer, Vizepräsident der Industrie- und Handelskammer (IHK) Reutlingen, merkte dazu an: »Die regionale Wirtschaft läuft nicht mehr rund.« Schwörer und Antonia Hettinger, die Konjunkturexpertin der IHK Reutlingen, stellten bei einem Pressegespräch die Ergebnisse einer Umfrage unter 360 Unternehmen in den Landkreisen Reutlingen, Tübingen und Zollernalb zu deren aktueller Situation und Erwartungen für die kommenden Monate vor. »Man kann es nicht schönreden. Es wird eine Durststrecke geben«, sagte der ehrenamtliche IHK-Vizepräsident, der im Hauptberuf Chef der Bau-Unternehmensgruppe Schwörer mit Hauptsitz in Hohenstein ist.
Bei fast allen bei den Unternehmen abgefragten Themen hätten sich die Werte gegenüber der Umfrage im Frühsommer verschlechtert, berichtete Hettinger. Der Konjunkturklimaindex, den die Kammer drei Mal pro Jahr ermittelt, sei von 102 auf 91 Punkte gefallen. »Bei der 100-Punkte-Marke halten sich positive und negative Tendenzen die Waage«, erläuterte die Leiterin Volkswirtschaft und regionale Wirtschaftspolitik der IHK Reutlingen.
Die aktuelle Lage und der Ausblick der Firmen für die kommenden zwölf Monate in der regionalen Gesamtwirtschaft hätten sich verschlimmert, wie Schwörer und Hettinger darlegten. Demnach betrachten lediglich 26 Prozent der Unternehmen ihre Lage als gut, im Frühsommer waren es noch 33 Prozent. 28 Prozent sind unzufrieden – 10 Prozentpunkte mehr als vor vier Monaten. Knapp 50 Prozent stufen ihre Situation als befriedigend ein. Bei den Erwartungen sind lediglich 17 (Frühsommer: 20) Prozent der Betriebe optimistisch, während 32 (Frühsommer: 29) Prozent sich pessimistisch äußerten.
Investitionsbereitschaft sinkt
Schwörer hob hervor, dass die Investitionsbereitschaft der Unternehmen stark zurückgegangen sei. Nur noch 14 (zuvor: 23) Prozent der Befragten wollen verstärkt am heimischen Standort investieren. 38 (34) Prozent der Betriebe wollen ihre Investitionen gleich hoch halten, 29 (26) Prozent wollen weniger und 19 (16) Prozent gar nicht investieren. Motive für Investitionen seien zudem vor allem Ersatzbedarf, Digitalisierung und Rationalisierung – und weniger Kapazitätserweiterungen. »Das ist ein echtes Warnsignal, das man ernst nehmen muss«, sagte der IHK-Vizepräsident. Denn letztlich führten Investitionen zu Innovationen, Wertschöpfung und Beschäftigung. Daher wäre es klug, jetzt neue Themen voranzutreiben, um für die Zeit eines Aufschwungs gerüstet zu sein.
Nach weiteren Umfrageergebnissen wollen 11 (zuletzt: 15) Prozent der Betriebe Personal einstellen und 31 (27) Prozent Personal abbauen. Auf die Frage nach den Auftragseingängen gaben 49 Prozent der Firmen Rückgänge an. 55 Prozent berichteten von fallenden Umsätzen im Vergleich zum Vorjahr.
Zwar sei die weltpolitische Lage mit Kriegen in der Ukraine und in Nahost schwierig, und die Konjunktur in China schwächele, so Schwörer. »Wir tun aber auch hierzulande alles dafür, dass es nicht gut läuft. Viele Hausaufgaben sind nicht erledigt«, beklagte der IHK-Vizepräsident. Der Staat gebe viel für Soziales aus und investiere zu wenig in Infrastruktur. Arbeitskosten und Krankenstände seien hoch, ebenso die Energiepreise.
Kritik an Genehmigungsdauern
Zudem dauerten Bau- und Visa-Genehmigungen sehr lange. Auch Dokumentationen aufgrund staatlicher Vorgaben kosteten die Firmen viel Geld für Software und Personal. »Wenn die Regierung will, dass die Wirtschaft läuft, sollte sie sich darüber Gedanken machen«, sagte Schwörer. Politiker seien zwar meist sehr nett in Gesprächen mit Wirtschaftsvertretern – »aber es passiert danach nichts, obwohl es nicht an Vorschlägen seitens der Wirtschaft mangelt«.
Mit Blick auf einzelne Branchen wusste Hettinger, dass sich die Lage im Großhandel der Umfrage zufolge etwas verbessert habe. Im Dienstleistungsgewerbe überwögen aktuell immerhin noch die positiven Stimmen. Das größte Sorgenkind sei die Industrie, sagte Schwörer. Die Krise des Bausektors halte an.
An der Umfrage haben sich laut IHK 151 Unternehmen aus Industrie und Bau beteiligt. 92 Firmen sind im Groß- und Einzelhandel tätig, 117 im Dienstleistungssektor, darunter Betriebe aus dem Gast- sowie aus dem Kredit- und Versicherungsgewerbe. (GEA)