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Wie sich die Störung bei Kartenzahlungen auf Reutlinger Betriebe auswirkt

Über Stunden sind Kartenzahlungen in Deutschland gestört. Eine Herausforderung für Reutlinger Lokale, Supermärkte und Kunden.

Kartenzahlung
Ein Kunde zahlt in einem Supermarkt mit einer EC-Karte an der Kasse. . Foto: Daniel Karmann/dpa
Ein Kunde zahlt in einem Supermarkt mit einer EC-Karte an der Kasse. . Foto: Daniel Karmann/dpa

REUTLINGEN/BERLIN. Wer auf Karte statt Scheine und Münzen setzt, steht am Donnerstag zeitweise vor einem Problem. »Heute keine Kartenzahlung möglich«, ist auf Schildern in Supermärkten, Restaurants und bei Einzelhändlern zu lesen. Wegen einer technischen Störung bei einem internationalen IT-Dienstleister funktionieren bundesweit bis zum Nachmittag viele Kredit-, Debit- und Girokarten nicht. Eine Herausforderung für Personal und Kunden.

Uwe Grauer: »Wen man kennt, der darf auch beim nächsten Mal zahlen«

»Seit 10 Uhr sind alle unsere Betriebe betroffen«, sagt Uwe Grauer dem GEA. Ihm gehören mehrere Restaurants in der Reutlinger Innenstadt, darunter das Alexandre, das Mezcalitos und das Sale e Pane. Etwa 40 Prozent der Kunden zahlen dort normalerweise mit Karte. Für die meisten heißt es an diesem Tag: Ab zum Geldautomaten und Bares holen. »Wen man kennt, der darf auch beim nächsten Mal zahlen«, sagt Grauer.

Ähnliches berichtet Anna Mylona. Zum Gastronomiebetrieb ihrer Familie zählen mehrere Cafés und Bars im Reutlinger Stadtzentrum. Alte Bank und Billy Bob’s seien verschont geblieben, da dort Systeme der Deutschen Bank verwendet werden. »Im Coffee Hug geht allerdings gar nichts mehr, das Nua ist teilweise betroffen. Viele Kartenzahler waren zunächst verwirrt, weil sie dachten, mit ihrem eigenen Konto stimmt etwas nicht.«

Verena Hertsch: »An den Kassen ist dann viel Fingerspitzengefühl gefragt«

Auch bei Edeka Möck in Reutlingen sucht man den Fehler zunächst bei sich. »Wir haben die Kassen herunter- und wieder hochgefahren sowie mit unserer IT gesprochen«, sagt Supermarkt-Inhaberin Verena Hertsch. Als klar ist, dass das Problem nicht selbst gelöst werden kann, wird am Eingang prominent darauf hingewiesen. »Viele sehen das aber nicht«, sagt Hertsch und ergänzt: »An den Kassen ist dann viel Fingerspitzengefühl gefragt.«

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Große finanzielle Verluste beklagt die Supermarkt-Inhaberin nicht, obwohl rund 50 Prozent der Einkäufe mit Karte bezahlt würden. Allerdings bedeute die Störung bei der Kartenzahlung für das Personal einen deutlichen Mehraufwand. »Wenn jemand kein Bargeld dabei hat, müssen wir den Wagen mit den Waren so zwischenlagern, dass die Lebensmittel nicht schlecht werden und hoffen, dass der Kunde Geld holt und wiederkommt.«

Geldabheben teilweise ebenfalls schwierig

Bei Debit- und Kreditkarten gestaltet sich an diesem Tag in Einzelfällen jedoch auch das Abheben von Bargeld am Automaten als schwierig, sogar im Ausland. Inwiefern die Geräte der Volksbank Reutlingen betroffen sind, ist auf GEA-Anfrage nicht zu erfahren, die Terminals der Kreissparkasse Reutlingen funktionieren laut Pressesprecher Thilo Schmid fehlerfrei.

Gegen 16 Uhr gibt die Deutsche Kreditwirtschaft schließlich Entwarnung. Die Probleme seien behoben, heißt es. »Zahlungen an Kassenterminals im Einzelhandel sind mit allen Karten wieder wie gewohnt möglich.«

Die bundesweiten Einschränkungen sind auf Probleme bei einem internationalen IT-Dienstleister zurückzuführen, der auch für viele deutsche Banken und Sparkassen Zahlungen mit Kredit- und Debitkarten abwickelt. Dabei handelt es sich um das zum US-Konzern Fiserv gehörende Unternehmen First Data, wie ein Unternehmenssprecher auf Anfrage der Deutschen Presseagentur (dpa) mitteilt. Es habe ein technisches Problem bei einigen Verarbeitungsdiensten vorgelegen. Einen Hackerangriff schloss die Kreditwirtschaft früh aus.

Seltene Störungen mit erheblichen Auswirkungen

Die Probleme sind am Donnerstag zwar flächendeckend und erheblich, doch nicht rekordverdächtig. Immer wieder kommt es zu Einschränkungen beim bargeldlosen Bezahlen, zuletzt etwa im Mai dieses Jahres, als es wegen Softwarefehlern zu Störungen bei Kartenzahlungsterminals kam. Vor zwei Jahren kam es sogar zu mehrtägigen Ausfällen bei Kartenzahlungen.

»Diese großflächigen Störungen passieren selten, haben aber enorme Auswirkungen, da viele Menschen sich mittlerweile auf ihre Karten verlassen und kein oder nur wenig Bargeld bei sich tragen im Alltag«, teilt Fachanwalt David Riechmann von der Verbraucherzentrale NRW mit. »Man kann in so einem Fall nur raten, sich mit ausreichend Bargeld einzudecken, sei es am Geldautomaten oder das Sparschwein zu Hause leeren, damit man sich im Alltag nicht einschränken muss.« Händler seien in der Pflicht, die Kundschaft rechtzeitig auf die fehlende Möglichkeit der Kartenzahlung hinzuweisen, »damit es an der Kasse zu keinen unnötigen bösen Überraschungen kommt«, betont Riechmann.

Digitaler Euro eine valide Alternative?

Auch für Bankenprofessor Hans-Peter Burghof von der Universität Hohenheim kommt die Störung nicht überraschend. »Die Zahlungsprozesse laufen über viele verschiedene Adressen ab, das macht das System anfällig«, sagt er. »Kein System wird immer fehlerfrei funktionieren, daher ist es wichtig, Alternativen zu haben.« Neben Bargeld könne auch der digitale Euro eine valide Alternative sein, wenn es mit dem normalen Zahlungsverkehr nicht mehr klappe.

Derartige Probleme stellen den Einzelhandel vor Herausforderungen. »Für die Handelsunternehmen sind Störungen bei den Kartenzahlungen problematisch«, teilt der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland, Stefan Genth, mit. »Kunden sind dann oft verunsichert.« Dies könne auch dazu führen, dass sie ihre Einkäufe verschieben. Der Einzelhandel zahle für die Nutzung der bargeldlosen Bezahlsysteme Geld an die Netzbetreiber und Kartenanbieter. »Im Gegenzug muss er erwarten können, dass die Technik einwandfrei funktioniert.« (GEA/dpa)