REUTLINGEN. Durch die Coronavirus-Krise gibt es viele Unternehmen, die in Schwierigkeiten geraten (sind). Finanzinstitute in Reutlingen sehen sich finanziell und personell gut aufgestellt, um solche Betriebe in ihrer Zahlungsfähigkeit zu unterstützen. Dies berichten dem GEA Vertreter der Kreissparkasse, der Volksbank und der Commerzbank.
»Von unseren eigenen Kennziffern her haben wir noch einen hohen Kreditspielraum, den wir einsetzen können«, stellt Michael Bläsius, Vorstandsvorsitzender der Kreissparkasse Reutlingen, fest. Das größte Finanzinstitut im Landkreis sei gewillt, seinen Teil zur Sicherung der Liquidität von Unternehmen beizutragen, »aber ohne massives Unterstützungsprogramm des Staates und dessen zeitnahe Umsetzung wird es nicht gehen«.
Auch Vorstandsmitglied Thomas Krätschmer von der Volksbank Reutlingen bemerkt: »Wir kennen unsere Aufgabe in der Region. Die nehmen wir ernst. Wir versuchen alle, die sich melden, nach unseren Möglichkeiten in dieser schwierigen Zeit zu unterstützen.«
Die Kreissparkasse Reutlingen führt etwa 7 000 Geschäftsgirokonten. 35 Berater sind in Reutlingen, Pfullingen, Metzingen und Münsingen mit Firmenkunden im Kontakt – zurzeit vor allem am Telefon. Weitere 30 Beschäftigte wirken im Hintergrund in der Bearbeitung von Verträgen. »Seit einer Woche verzeichnen wir eine deutliche Zunahme an Anfragen von Betrieben«, erzählt Vorstandsmitglied Martin Bosch. Einzelne Unternehmen, etwa aus der Gastronomie oder dem Messebau, seien sehr stark in Nöten, »weil sie von 100 auf null runterfahren mussten«. Als Schnellmaßnahme mit schlankem Antrags- und Zusageprozess werde oft die Aussetzung der Tilgung von bestehenden Krediten vereinbart.
Zweit- und Drittrundeneffekte
Kreissparkassenchef Bläsius spürt aus seinen Gesprächen mit Unternehmern starke Verunsicherung: »Selbst wer über prall gefüllte Kassen verfügt, wird einen Prozess des Nachdenkens starten.« Er erwarte nach den Produktionsstopps der Autohersteller »Zweit-, Dritt- und Viertrundeneffekte«. Zwar seien viele Betriebe finanziell in robusterer Verfassung als vor zehn Jahren, »aber sie haben auch hohe Fixkosten«. Manche hätten mühselig Fachkräfte gesucht, für die sie nun keine Arbeit hätten – die sie aber für bessere Zeiten unbedingt halten wollten.
Martin Bosch rechnet damit, dass in der kommenden Woche Einzelheiten der neuen Programme von staatlichen Förderbanken wie KfW und L-Bank sowie der Bürgschaftsbank vorliegen. Als Geschäftsbank ist die Kreissparkasse für die Risikoprüfung zuständig. Das Ausfallrisiko tragen Hausbank und Förder-/Bürgschaftsbank oft zu gleichen Teilen. Manchmal übernimmt Bosch zufolge die Bürgschaftsbank 70 Prozent, nun sei von künftig 80 Prozent die Rede. »Wir müssen daher schon auf die Rückzahlungsfähigkeit achten.« Bläsius ergänzt: »Ein Kreditantrag muss vertretbar sein. In Zeiten wie diesen wird großzügig verfahren.«
Vorstandsmitglied Krätschmer von der Volksbank berichtet ebenso von verunsicherten Kunden, die die wirtschaftliche Entwicklung mit Sorgen betrachteten. Er verweist auf den Blankoscheck, den die Bundesminister Peter Altmaier (CDU) und Olaf Scholz (SPD) am vergangenen Freitag angekündigt haben, und erklärt im Hinblick auf die Programme der staatlichen Förderbanken: »Wenn die Politik sagt, sie gebe Mittel in unbegrenzter Höhe, sollte der Staat auch die Kreditrisiken tragen. Das würde auch der aktuellen Krise gerecht werden.«
Theresa List, Bereichsleiterin Firmenkundengeschäft bei der Volksbank, hat alleine am vergangenen Montag, also nach der Ankündigung der beiden Minister, über 80 Telefongespräche geführt. Die zehn Berater der Bank hätten in den vergangenen Tagen je 50 Kunden täglich an den Apparaten gehabt – zehn weitere Kollegen seien für die Vertragsabwicklung und die Kommunikation mit den Förderbanken zuständig. Die Volksbank habe 5 500 Geschäftskunden, wie List weiter ausführt.
»Wir versuchen, den Kunden einen Leitfaden zu geben, was sie an Unterlagen zusammenstellen sollten«, sagt List. Auch Hinweise über Kurzarbeit und Steuerstundungen fehlten dabei nicht. »Bei gewachsenen Kundenverbindungen machen wir kurzfristig Überziehungszusagen und gewähren Tilgungsaussetzungen«, fügt Krätschmer hinzu.
Einschnitte im Außenhandel
Patrick Greuter ist Niederlassungsleiter Firmenkunden der Commerzbank Reutlingen und betreut mit seinem Team von 18 Mitarbeitern an den Standorten Albstadt, Böblingen, Esslingen und Reutlingen über 1 200 Kunden. »Eine vergleichbare Situation kennen wir nicht«, sagt er. Für seine Kunden habe aktuell absolute Priorität, überhaupt eine Stabilität im Tagesgeschäft herzustellen.
»Erst dann kommt die Frage der Liquidität.« Etliche Kunden sprächen ihn dennoch an, und sein Team frage die Kunden, wie denn deren Notfallplanung aussehe. Natürlich sei das KfW-Sonderprogramm, das auf Initiative der Bundesregierung kommen werde, ein Thema, mit dem er sich auseinandersetze. Alle Firmen, die am Außenhandel teilnehmen, spürten massive Einschnitte, besonders die Hersteller von Konsumgütern. (GEA)

