REUTLINGEN. In Baden-Württemberg gibt es 35 Landkreise und neun Stadtkreise – aber 65 Finanzämter. Der Landkreis Reutlingen hat zwei Finanzämter: eines in Bad Urach und eines in Reutlingen. Sigrid Hilberath, zuvor über zwei Jahre lang Vorsteherin des Finanzamts Bad Urach, leitet seit Mitte Oktober das Finanzamt Reutlingen. Auf die Frage des GEA, ob es in Zeiten knapper öffentlicher Kassen denkbar wäre, dass sie nun an der Spitze beider Finanzämter im Kreis Reutlingen stehen könnte, quasi als Einstieg für eine Fusion, stellt sie fest: »Die Position in Bad Urach wird nachbesetzt. Die Zahl der Finanzämter im Land ist im Übrigen eine politische Entscheidung.«
Hilberath, 64, ist Nachfolgerin von Dieter Möhler, 66, der, wie berichtet, Ende August 2024 in Ruhestand gegangen war. Nach der Zahl der Beschäftigten belegt das Finanzamt Reutlingen aktuell Rang sechs unter den 65 in Baden-Württemberg. Hilberath ist nun die Chefin von 424 Personen – 276 Frauen und 148 Männer, darunter 38 Auszubildende und dual Studierende. Über 300 der 424 Bediensteten sind Beamte. Für das Finanzamt Bad Urach sind derzeit 137 Personen tätig.
Einige Sonderzuständigkeiten
Das Steueraufkommen des Finanzamts Reutlingen betrug im vergangenen Jahr knapp 1,56 (Vorjahr: 1,427) Milliarden Euro. Zum Bezirk des Reutlinger Amts gehören die Großstadt Reutlingen sowie die Gemeinden/Städte Engstingen, Eningen, Lichtenstein, Pfullingen, Pliezhausen, Sonnenbühl, Trochtelfingen, Walddorfhäslach und Wannweil. Die Größe des Reutlinger Amts erklärt sich Hilberath zufolge mit Sonderzuständigkeiten. Das Finanzamt Reutlingen nehme in der Steuerfahndung, bei Straf- und Bußgeldsachen, bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer und bei der Betriebsprüfung Aufgaben für andere Finanzämter wahr – besonders für die in Bad Urach und Böblingen, Nürtingen und Tübingen.
Die Themen Haushalt, Personal und Organisation sind neben der Repräsentation der Behörde die Hauptaufgaben einer Finanzamtsleiterin. »Im Kampf um Talente stehen wir im Wettbewerb mit den Steuerberatern. Die Ausbildung und das duale Studium beim Finanzamt sind auch bei den Steuerberatern sehr anerkannt«, stellt Hilberath fest. Das Finanzamt könne mit krisensicheren Jobs, guter Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie der spätere Pension für sich werben.
Sie gehe davon aus, dass die Digitalisierung in der Steuerverwaltung fortschreiten werde, so Hilberath: »Gesetzesänderungen erfordern Umprogrammierungen und Schulungen der Beschäftigten.« Das Gebäude des Finanzamts am Leonhardsplatz in Reutlingen werde in den nächsten Jahren Zug um Zug energetisch saniert. Daher seien bereits seit Herbst 2023 die Beschäftigten für Betriebsprüfungen und für Erbschaft- und Schenkungssteuer in der Außenstelle Eningen untergebracht. Dort arbeiteten derzeit etwa 150 der 424 Beschäftigten des Finanzamts Reutlingen.
Jura-Studium in Mainz
Hilberath stammt aus der Nähe von Bingen am Rhein (Rheinland-Pfalz). Nach ihrem erfolgreich abgeschlossenen Jura-Studium in Mainz mit Schwerpunkt im Arbeitsrecht hatte sie eine Karriere im Staatsdienst noch nicht geplant. Von 1988 bis 1991 arbeitete sie als Personalreferentin bei einem internationalen Konzern in Frankfurt. Private Gründe führten sie nach Baden-Württemberg und in die Steuerverwaltung des Landes.
Im März 1991 begann ihre Einweisungszeit beim Finanzamt Bietigheim-Bissingen (Landkreis Ludwigsburg). Es folgten verschiedene Stationen, unter anderem beim Finanzamt Stuttgart IV (Vollstreckung) und beim Finanzamt Reutlingen (Erbschaftsteuer, Betrierbsprüfung, Rechtsbehelfsstelle) sowie bei der Oberfinanzdirektion Karlsruhe und bei der Landesoberkasse Metzingen.
2017 wurde sie stellvertretende Leiterin des Finanzamts Reutlingen, 2022 Leiterin des Finanzamts Bad Urach. Hilberath ist verheiratet und hat zwei erwachsene Töchter. Eine Frage beantwortet sie sogleich: »Ich mache meine Steuererklärung über Elster selbst.« (GEA)