REUTLINGEN. Der börsennotierte Maschinenbauer Manz mit Sitz im Industriegebiet Reutlingen-Nord/Kirchentellinsfurt (Mahden) will einer Pressemitteilung vom Mittwoch zufolge »voraussichtlich in den nächsten Tagen« einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens stellen. Dies habe der Vorstand der Manz AG aufgrund der eingetretenen Zahlungsunfähigkeit und der insolvenzrechtlichen Überschuldung des Unternehmens beschlossen. Zum 30. November arbeiteten weltweit 1.179 Personen für die Manz-Gruppe, davon 417 in Reutlingen und Tübingen, sagte eine Sprecherin des Unternehmens auf Anfrage des GEA. Die Aktie von Manz stürzte am Mittwoch um über 82 Prozent gegenüber dem Vortag ab. Sie schloss mit 0,73 Euro – nach 4,11 Euro am Vortag.
»Die Zahlungsunfähigkeit ist durch die Entscheidung von Kreditgebern der Manz AG, keine weiteren Mittel zur Verfügung zu stellen, ausgelöst worden«, schrieb das Unternehmen. Unabhängig hiervon bestehe auch eine insolvenzrechtliche Überschuldung der Manz AG, hieß es weiter.
Investor bricht Gespräche ab
Der Vorstand habe in den vergangenen Wochen intensive Gespräche mit mehreren Kapitalgebern und Investoren für neues Eigen- beziehungsweise Fremdkapital geführt. Mit einem der interessierten Investoren habe es weit fortgeschrittene Gespräche gegeben, die jedoch unerwartet von diesem Investor abgebrochen worden seien. »Damit besteht keine Finanzierungslösung, um den notwendigen Finanzmittelzufluss zur Fortführung der Manz AG außerhalb eines Insolvenzverfahrens abzusichern«, so die Manz AG. Der Vorstand führe unabhängig von dem jetzt notwendigen Schritt gleichwohl Gespräche mit potenziellen Investoren.
Die Nachricht über den bevorstehenden Insolvenzantrag folgte auf eine Reihe negativer Mitteilungen des Unternehmens im zu Ende gehenden Jahr. Manz hatte unter anderem den Jahresschluss 2023 erst Ende Mai veröffentlicht – und damit knapp zwei Monate später als vorgesehen. Als Hintergrund dafür wurde genannt, »dass die der Planung zugrunde liegenden Bewertungen geplanter Projekte nicht abgeschlossen sind« und die sich daraus ergebenden zukünftigen Ergebnis- und Liquiditätseffekte weitere Analysen, Maßnahmen und Gespräche erforderlich machten.
Verluste ausgewiesen
Dann wies Manz für 2023 mit 2,4 Millionen Euro den dritten Verlust in Folge aus – nach 12,1 Millionen Euro für 2022 und sogar 43,6 Millionen Euro für 2021. Der Maschinenbauer verkaufte seine ungarische Tochterfirma Manz Hungary Kft (Debrecen, 160 Beschäftigte) im Sommer an die Harro Höfliger Verpackungsmaschinen GmbH (Allmersbach, Rems-Murr-Kreis). Dabei wies Manz darauf hin, dass dies die Liquidität stärke: Aus der Transaktion flossen der Aktiengesellschaft demnach Barmittel in Höhe von 8 Millionen Euro zu.
Zur Jahresmitte hatte Manz angekündigt, ein umfassendes Effizienzprogramm einzuleiten. Später war auch von Kurzarbeit und Personalabbau die Rede. Bei der Hauptversammlung Anfang Juli in Filderstadt-Bernhausen zeigten sich Aktionäre in Wortbeiträgen besorgt über die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens und fragten nach der Überlebensfähigkeit der Gesellschaft. »Stand heute gehen wir davon aus, die Zahlungsfähigkeit erhalten zu können«, sagte Finanzvorstand Manfred Hochleitner damals. Auf die Frage, wie fest die beiden Vorstandsmitglieder, Hochleitner und der damalige Vorstandsvorsitzende Martin Drasch, im Sattel säßen, antwortete Professor Heiko Aurenz als Aufsichtsratsvorsitzender: »Die Verträge laufen bis 2028. Der Aufsichtsrat hat dem Vorstand das Vertrauen ausgesprochen.«
Änderungen im Vorstand
Neun Tage nach der Hauptversammlung gab Manz indes einen Chefwechsel und die Aufstockung des Vorstands von zwei auf drei Personen bekannt. Der promovierte Ingenieur Ulrich Brahms folgte Anfang September auf den Ingenieur Drasch, der seit August 2015 dem Vorstand von Manz angehört hatte und seit Oktober 2018 Vorstandsvorsitzender gewesen war; Drasch wechselte danach auf den Chefposten beim Göppinger Pressenhersteller Schuler.
Brahms, hieß es, verfüge über langjährige Erfahrung im Maschinenbau und sei ausgewiesener Experte für die strategische Neuausrichtung und Restrukturierung und arbeite seit 2007 als Interimsmanager. Mit Stefan Lutter kam, ebenfalls im September, ein dritter Manz-Vorstand (für Technologie) neben Brahms (Vorsitzender) und Hochleitner (Finanzen) hinzu.
Für das erste Halbjahr 2024 wies Manz einen Verlust von 10,1 Millionen Euro aus – nach einem Gewinn von 7,6 Millionen Euro im Vorjahreszeitraum. Nach neun Monaten stand ein Konzernergebnis von minus 25,4 Millionen Euro zu Buche. Im Vorjahreszeitraum war noch ein Gewinn von 6,9 Millionen Euro ausgewiesen worden. Der Umsatz schrumpfte in den ersten neun Monaten 2024 auf 133,7 Millionen Euro – nach 195 Millionen Euro im Vorjahreszeitraum. Fürs laufende Jahr werde ein Umsatz zwischen 170 Millionen und 180 Millionen Euro erwartet, teilte Manz bei der Vorlage der Neun-Monats-Zahlen mit – nach 249,2 Millionen Euro im Jahr 2023 und 251 Millionen Euro in 2022. Beim Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) rechnet der Vorstand für 2024 mit einem Verlust zwischen 30 Millionen und 35 Millionen Euro – nach einem positiven Ebit von 2,9 Millionen Euro in 2023.
Gründe für die Misere
Die Führung von Manz hatte die Misere mit einer insgesamt nicht zufriedenstellenden Auftragseingangs-, Umsatz- und Ergebnisentwicklung erklärt. Kunden hätten Aufträge verschoben oder storniert. Zuweilen seien Aufträge an der Finanzierung gescheitert oder weil Kunden warteten, ob es staatliche Fördergelder gebe. Der Wettbewerb habe negativen Einfluss auf die erzielbaren Verkaufspreise. Auch das schwache gesamtwirtschaftliche Umfeld wurde als Grund genannt.
Manz hatte stark auf die rasche Entwicklung der Elektromobilität gesetzt. Tatsächlich ging es in diesem Segment deutlich langsamer voran als erwartet. Ende November gab das Unternehmen dann die Absicht bekannt, das Anlagengeschäft für die Batteriezellenfertigung zu verkaufen. In der Sparte seien weltweit 180 Personen beschäftigt, davon 80 in Reutlingen und Tübingen, hieß es.
Blick auf die Aktionärsstruktur
Manz entwickelt und fertigt Produktionslösungen: von der kundenspezifischen Einzelmaschine oder für die Pilot- und Kleinserienfertigung bis zu schlüsselfertigen Linien für die Massenproduktion. Im Fokus stehen Branchen wie Automobil, Elektronik und Energie. Manz entwickelt und produziert in Deutschland, der Slowakei, Italien, China und Taiwan und hat Vertriebs- und Service-Niederlassungen in den USA und Indien.
Dieter Manz, heute Mitglied des Aufsichtsrat, hat das Unternehmen 1987 gegründet. Seit 2006 ist Manz an der Börse notiert. Der Ausgabekurs lag bei 19 Euro je Aktie. In Bestzeiten, 2008, notierte die Manz-Aktie über 190 Euro. Das 52-Wochen-Hoch liegt indes nur bei 13,04 Euro. Gestern, nach der Ankündigung des Insolvenzantrags fiel der Aktienkurs phasenweise auf 60 Cent – und damit auf das 52-Wochen- und Allzeit-Tief.
Dieter Manz und seine Familie halten laut Unternehmen 18,9 Prozent der über 10,251 Millionen Manz-Aktien. Der im Oktober als strategischer Investor eingestiegene Eng Kee Tan, Gründer und Mehrheitsaktionär von Greatech Technology (Malaysia), steht für 18,0 Prozent der Aktien. Die Shanghai Electric Germany Holding GmbH (14,9 Prozent) und die Daimler Truck AG (7,5 Prozent) sind auch wichtige Aktionäre. 40,7 Prozent der Aktien sind in Streubesitz. (GEA)