STUTTGART. Man kann kaum glauben, dass es erst zweieinhalb Jahre her ist, seit die Porsche-Führung in Euphorie geradezu schwelgte. »Heute geht für uns ein großer Traum in Erfüllung«, schwärmte Konzernchef Oliver Blume Ende September 2022, als er an der Frankfurter Börse die Porsche-Aktie einführte. Mit der symbolischen Glocke in der Hand läutete er den Handel ein, sein Stellvertreter und Finanzvorstand Lutz Meschke gab sich überglücklich. Man freue sich über jeden Anleger, der »Teil der einzigartigen Porsche-Familie wird«.
Vieles deutet darauf hin, dass der Friede in dieser Familie derzeit gestört ist. »Mögliche personelle Veränderungen im Vorstand« ist eine gerade mal 51 Wörter lange Pressemitteilung überschrieben, die Porsche am späten Samstagabend veröffentlichte. Demnach hat der Aufsichtsrat den Aufsichtsratsvorsitzenden, also Wolfgang Porsche, beauftragt, Gespräche mit Meschke und dem Vertriebsvorstand Detlef von Platen »über ein einvernehmliches vorzeitiges Ausscheiden aus dem Vorstand von Porsche zu führen«. Ein Paukenschlag, denn die Mitteilung gleicht einem öffentlichen Rauswurf.
Lange hatten Blume und Meschke nach außen Einigkeit demonstriert. Diffuse Zweifel gibt es im Konzern schon seit Monaten, aber selbst hohe Manager taten sich schwer, die Zeichen zu deuten. »Blume und Meschke sind wie Gerhard Schröder und Oskar Lafontaine«, scherzte einer von ihnen und ahnte offenbar selbst nicht, wie nahe er damit dem kam, was bald folgen würde. Ex-Kanzler Schröder und sein damaliger Finanzminister hatten monatelang Einigkeit demonstriert, bis es zum Eklat kam.
Meschke ist ein selbstbewusster Vizechef, der immer wieder klar machte, dass er sich den Chefposten zutraut. Das zeigte sich etwa beim Thema Börsengang. Lange Jahre war die Porsche AG an der Börse notiert, ehe Ex-Chef Wendelin Wiedeking den kühnen Versuch unternahm, den Volkswagen-Konzern zu übernehmen. Am Ende kam es umgekehrt, Porsche verließ die Börse.
Es war Meschke, der vor Jahren im Alleingang die Idee in die Öffentlichkeit brachte, das Unternehmen wieder an die Börse zu bringen. Die Verärgerung bei Volkswagen über diese Eigenmächtigkeit war nicht zu überhören, doch Meschke hatte weitsichtig ein Thema gesetzt. Im September 2022 war es soweit.
Wenige Wochen vor dem Börsengang überschlugen sich die Ereignisse bei der Muttergesellschaft Volkswagen, die Blume zum neuen Konzernchef ernannte – zusätzlich zu seinem Amt als Porsche-Chef. Für Meschke wäre das die perfekte Gelegenheit gewesen, Blume als Porsche-Chef zu beerben. Doch es kam anders.
Die Rolle des ewigen Kronprinzen nagte an ihm, das konnte man ihm anmerken, wenn er wieder mal auf die Frage angesprochen wurde, wie lange Blume seine Doppelfunktion aufrechterhält. Tapfer und mit angestrengtem Lächeln erklärte er dann, er gehe davon aus, dass Blume die Doppelrolle auf Dauer ausüben werde.
Nur selten sprach er aus, dass er sich für weit mehr hält als einenVorstand für Finanzen und IT. Bei einem Gespräch in unserer Redaktion wird er gefragt, ob er schon jetzt die halbe Woche Porsche-Chef ist, da Blume ja die andere Hälfte der Woche bei Volkswagen verbringt.
Er sei »nicht der klassische Finanzvorstand, der sich allein um die Zahlen kümmert« und habe die Rolle des Finanzvorstands »schon immer etwas anders ausgefüllt«, antwortet er. Auch weist er darauf hin, dass er mit den Themen Digitalisierung und M&A (Fusionen und Übernahmen) schon jetzt »ganz entscheidende Faktoren in der Transformation« verantworte. Der Börsengang wurde zunächst zu einem großen Erfolg. Das Papier wurde dem Unternehmen geradezu aus den Händen gerissen, nach zwei Monaten legte es schon mehr als ein Viertel zu. Vor ziemlich genau einem Jahr setzte die Aktie zu einem erneuten Höhenflug an und stieg gegenüber dem Ausgabepreis von 82,50 Euro um fast die Hälfte. Porsche sei ein Börsengang geglückt, für den die Umstände schlechter kaum hätten sein können, erklärte Michael Muders, Fondsmanager bei Union Invest damals.
Doch danach ging es bergab. Aus einem Plus von bis zu 50 Prozent ist inzwischen ein Minus von 25 Prozent geworden. Und das, obwohl Porsche in der Zwischenzeit teilweise noch Top-Ergebnisse einfuhr. Die Aktien von BMW und Mercedes sind seit dem Börsengang von Porsche um mehr als 10 Prozent gestiegen.
Das sind die in Zahlen gegossenen Gründe für eine Unzufriedenheit mit Meschke. Denkbar ist aber auch, dass daneben der Faktor Mensch eine Rolle spielte. Auch wenn der stets disziplinierte Blume sich nie etwas hat anmerken lassen – zumindest im Aufsichtsrat, der die Vorstandsposten vergibt, könnte sich ein Unbehagen breitgemacht haben.
Schlagzeilen in Kitzbühel
In dieser Lage war es wohl auch nicht vorteilhaft für Meschke, dass er plötzlich für seltsame Schlagzeilen sorgte. Bei Kitzbühel besitzt Meschke ein Chalet, das laut Baugenehmigung nur als Hauptwohnsitz genutzt werden darf. Nach Ansicht der Gemeinde war Meschke aber viel zu selten dort, weshalb sie ihm die Benutzung des eigenen Hauses untersagte. In Kitzbühel wiederum war Meschke seinerzeit an Immobilienfirmen beteiligt – zusammen mit dem Chef der Tochterfirma MHP, Ralf Hofmann. Hofmann besaß einst 18 Prozent der MHP-Anteile, die er an die Muttergesellschaft Porsche AG verkaufte. Meschke meldete diesen potenziellen Interessenkonflikt zwischen privaten und geschäftlichen Belangen zwar und hielt sich aus dem Vorgang heraus – bei den Aufsichtsräten schätzen sie es allerdings überhaupt nicht, wenn ihre gut bezahlten Manager andere Schlagzeilen machen als solche über gute Unternehmenszahlen.
Mit Meschke trennt sich Porsche gleichwohl von einem Manager, der seine Persönlichkeit nicht hat abschleifen lassen. Erst vor Kurzem warnte er, das Verbrenner-Aus werde Europa zu einem Armenhaus machen und sprach als einer der ersten öffentlich aus, was andere bis dahin nur hinter vorgehaltener Hand gesagt hatten. Er ist ein Vordenker, und Porsche kann froh sein, im Vorstand und in der zweiten Reihe weitere starke Köpfe zur Verfügung zu haben.
Das sieht übrigens auch Meschke selbst so. Man habe eine »starke Führungsmannschaft unterhalb des Vorstands, die gerne Verantwortung trägt«, sagte er einmal. Die Ergebnisse zeigten, dass sie funktioniert. (GEA)
AUCH VERTRIEBSCHEF DETLEV VON PLATEN MUSS GEHEN
Schlechte Zahlen in China
Auch die Entlassung von Vertriebsvorstand Detlev von Platen zeugt von Unzufriedenheit bei dem Stuttgarter Autohersteller. Von Platen ist bei Porsche verantwortlich für den Vertrieb und damit auch für die Absatzzahlen, die ausgerechnet im größten Automarkt der Welt steil abwärts gehen. In China musste das Unternehmen 2024 einen drastischen Rückgang um 28 Prozent hinnehmen. Den starken Rückgang erklärt das Unternehmen mit der schwierigen Wirtschaftslage in der Region. Offenbar sieht man aber auch interne Gründe. Erst im Herbst besetzte Porsche die nach dem Vertriebsvorstand wichtigste Position für den Vertrieb in China neu. Mit Alexander Pollich wurde ein langjährig erfahrener Manager zum Chef von Porsche China, Hongkong und Macau mit Sitz in Shanghai ernannt. Offenbar war man unzufrieden mit seinem Vorgänger Michael Kirsch. Innerhalb von zwei Jahren sank die Zahl der verkauften Porsches in China von 93.000 auf 57.000 Fahrzeuge – der prozentuale Rückgang hat sich binnen Jahresfrist fast verdoppelt. Das hat im Aufsichtsrat offenbar zu der Überzeugung geführt, dass es nicht ausreicht, den Kopf auf der zweiten Führungsebene auszutauschen. Deshalb hat er nun in ungewohnter Deutlichkeit die faktische Entlassung von Platens ausgesprochen. Allerdings ist Porsche nicht das einzige Unternehmen, das in China massiv Marktanteile verliert. Auch Mercedes und BMW haben gewaltige Probleme, ihre vom Verbrenner gewohnten Marktanteile in China auf die E-Mobilität zu übertragen. China hat auch für die Region immense Bedeutung. Sowohl Mercedes als auch Porsche bauen ihre luxuriösesten Elektrofahrzeuge ausschließlich in der Region Stuttgart – Porsches E-Flaggschiff Taycan entsteht in einer hochmodernen Fabrik in Zuffenhausen, der Mercedes EQS in der Factory 56 in Sindelfingen. Beide haben den Betrieb derzeit auf nur eine Schicht reduziert. Allerdings steht Porsche in Summe recht stabil da – insbesondere in Deutschland und im Rest Europas konnte man die Verkaufszahlen deutlich steigern. Ein starkes Augenmerk legt Porsche auch auf Märkte wie Südostasien, die einen Ausgleich für China schaffen können. (GEA)