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Aktuell Wirtschaft

Vorstoß aus Reutlingen für schlanken Staat

Robin Morgenstern, neuer Vorsitzender von »Die Familienunternehmer« in Baden-Württemberg, legt Forderungskatalog zur Landtagswahl am 8. März 2026 vor.

Robin Morgenstern aus Reutlingen ist neuer Vorsitzender des Wirtschaftsverbands »Die Familienunternehmer« in Baden-Württemberg.
Robin Morgenstern aus Reutlingen ist neuer Vorsitzender des Wirtschaftsverbands »Die Familienunternehmer« in Baden-Württemberg. Foto: Pieth
Robin Morgenstern aus Reutlingen ist neuer Vorsitzender des Wirtschaftsverbands »Die Familienunternehmer« in Baden-Württemberg.
Foto: Pieth

REUTLINGEN. Wie kann man die aktuelle Wirtschaftskrise überwinden? Robin Morgenstern schlägt im Gespräch mit dem GEA vor, den Staat zu verschlanken, Bürokratie abzubauen und die Wirtschaftspolitik deutlich mehr an den Bedürfnissen der Firmen auszurichten. Der 48-jährige Betriebswirt aus Reutlingen ist seit Mitte Oktober für zwei Jahre gewählter ehrenamtlicher Vorsitzender des Wirtschaftsverbands »Die Familienunternehmer« in Baden-Württemberg. Er sagt: »Mehr als 90 Prozent der Unternehmen im Südwesten sind Familienunternehmen. Wenn man die Familienunternehmer machen lässt, geht es mit Baden-Württemberg wieder nach oben!«

Robin Morgenstern ist im Hauptberuf Vorstandsvorsitzender der auf Druck- und Dokumentenmanagement in Büros spezialisierten Unternehmensgruppe Morgenstern (Hauptsitz: Reutlingen) mit 310 Beschäftigten an elf Standorten in Deutschland und in der Schweiz, die sein Vater Bernhard Morgenstern, 81, im Jahr 1971 gegründet hat. Seit 2017 ist er bereits Vizepräsident der Industrie- und Handelskammer Reutlingen, blickt also schon länger über den Tellerrand hinaus. Daher stellt er fest: »Die Lage der Wirtschaft ist mehr als angespannt. Vielen Unternehmen geht’s derzeit nicht gut.«

Auf die GEA-Nachfrage, inwiefern dies selbstverschuldet sei, antwortet er, dass Deutschland, auch Unternehmen, schneller auf manche Trends hätte reagieren können. Andere Länder seien da flexibler und auch krisenerprobter. Zudem »könnten wir zuweilen konsequenter darin sein, starke Ergebnisse in Forschung und Entwicklung sowie Patente zu Markterfolgen zu bringen«. Die Politik mache es oft zu schwer, dass aus Ideen auch Produkte werden.

Katalog mit fünf Handlungsfeldern

Wenn er etwas bewirken könne, investiere er gerne Zeit, bemerkt er zu seinem neuen Spitzenamt auf Landesebene. »Es sind viele kleine Themen, die uns Familienunternehmer jeden Tag belasten. Da müssen wir eine stärkere und lautere Stimme erheben«, fügt er hinzu. Dann legt er einen 20 Seiten umfassenden Forderungskatalog des Verbands zur Landtagswahl in Baden-Württemberg am 8. März 2026 vor. Fünf Handlungsfelder sind darin beschrieben und daraus zehn Top-Forderungen abgeleitet.

»Wir wollen, dass sich der Staat deutlich schlanker und effizienter aufstellt«, gibt Morgenstern das erste Handlungsfeld wieder. Dann wird er konkret: »Bis 2030 geht ein Drittel des Landespersonals in Ruhestand. Diese Stellen dürfen in der Nettobetrachtung nicht nachbesetzt werden.« Künstliche Intelligenz ermögliche Entlastungen. Die Landesausgaben sollten pauschal um 2 Milliarden Euro pro Jahr verringert werden. Es könnten etwa Förderprogramme in Anzahl und Volumina begrenzt werden: »Wir Familienunternehmen sind gegen Fördergelder, die Branchen oder einzelne Unternehmen bevorteilen.« Der Landtag (aktuell 154, bald wohl über 200 Mitglieder) sollte durch eine Wahlreform auf die ursprünglich vorgesehene Größe von 120 Abgeordnete verkleinert werden. All diese Einsparungen könnten zu Entlastungen bei Umsatz-, Gewerbe-, Grund- und Grunderwerbsteuern führen »und so Mittel für das Wirtschaftswachstum und damit für den Erhalt des Sozialstaats freisetzen«, erläutert Morgenstern.

»Wir müssen Bürokratie abbauen und mit der Digitalisierung in den Verwaltungsdienstleistungen vorankommen«, beschreibt der Landesvorsitzende das zweite Handlungsfeld. Es gelte, die 1.200 Landesgesetze und Verordnungen durchzuschauen und diejenigen mit wirtschaftlichem Bezug zu halbieren. Dies würde die Geschwindigkeit bei Entscheidungen erhöhen und Investitionen begünstigen. »Gesetze brauchen ein Ablaufdatum. Sie sollten nach fünf Jahren neu bewertet und gegebenenfalls abgeschafft werden, weil sich die Rahmenbedingungen ständig ändern«, fordert Morgenstern.

Aufwertung des Schulfaches Wirtschaft

Handlungsfeld drei für die Familienunternehmer ist »Wirtschafts- und Industriepolitik«. Straßen und Brücken gehörten saniert, Baustandards hinterfragt, der Breitbandausbau beschleunigt, reklamiert Morgenstern. »Das Land sollte sich dafür einsetzen, dass kommunal mehr Gewerbeflächen ausgewiesen werden«, sagt er. Zudem müsse die Ganztagesbetreuung von Kindern ausgebaut werden, »damit meist gut ausgebildete Frauen die Möglichkeit haben, mehr in unseren Unternehmen mitzuwirken«.

Zu Handlungsfeld vier (»Fachkräfteintegration«) merkt Morgenstern an: »Uns muss es gelingen, Flüchtlinge in Arbeit zu bringen.« Die Unterbrechung der Erwerbstätigkeit durch den Asylprozess dürfe nicht länger als nötig sein, »um eine mögliche Entwöhnung vom Erwerbsleben zu verhindern«. Daher müssten Praktika für Menschen ohne Aufenthaltserlaubnis ermöglicht werden. Ausländische Qualifikationen sollten im Regelfall anerkannt werden.

Sein Interessenverband verlangt schließlich eine praxisnahe Bildung und einen Dialog mit der Wirtschaft (Handlungsfeld fünf). »In den Schulbüchern ist der Staat der Gute, die Wirtschaft dagegen muss man immer kontrollieren. Da muss ein Umdenken stattfinden. Wir sind nicht die Bösen«, erklärt Morgenstern. Daher müssten die Lehrpläne so geändert werden, »dass Schüler besser auf das Erwerbsleben vorbereitet werden«. Er tritt für eine Aufwertung des Faches Wirtschaft und für mehr Unternehmensbesuche von Schülern ein: »Die jungen Leute müssen verstehen, wie Geld verdient wird.« Sein Verband fordert zudem, dass Abgeordnete des Landtags sich verpflichten sollten, mindestens fünf Unternehmen ihrer Wahl pro Legislatur zu besuchen.

Emotionen in Entscheidungen

»Die Familienunternehmer« haben sich Werten wie Freiheit und Eigentum, Wettbewerb und Verantwortung verschrieben und sehen sich als »Gesicht der Sozialen Marktwirtschaft«. Der Verband hat bundesweit 6.500 Mitglieder, davon über 1.000 in Baden-Württemberg. Die Mitglieder sind maßgebliche Eigentümer von Unternehmen mit mindestens einer Million Euro Umsatz und zehn Beschäftigten und mit Eintrag im Handelsregister oder in der Handwerksrolle und haben selbst das 40. Lebensjahr vollendet – die Nachwuchsorganisation heißt »Die Jungen Unternehmer«. Der Verband wurde 1949 als Arbeitsgemeinschaft Selbständiger Unternehmer gegründet und 2007 in »Die Familienunternehmer« umbenannt.

Laut Morgenstern stehen die Familienunternehmen in Baden-Württemberg für etwa zwei Drittel aller sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze. »Familienunternehmer sind nah an ihren Mitarbeitern dran. Familienunternehmen heißt, Familie und Unternehmen in Einklang zu bringen und mit langfristiger Planung Stabilität über Konjunkturzyklen hinweg zu erreichen«, sagt Morgenstern. Betriebswirtschaftlich betrachtet, dauere es lange, »bis wir uns von Mitarbeitern trennen, weil wir eben auch einen sozialen Auftrag sehen und uns die örtliche Verankerung wichtig ist«. Nur wenn es allen gut gehe, sei es erfolgreich.

»Wir haben viele Emotionen in unseren Entscheidungen.« Dass nicht alle Familienunternehmer nach Tarif zahlen, könne sein, so Morgenstern auf Nachfrage. Doch die allermeisten Familienunternehmen zahlten sehr gut, auch über Tarif – allein schon wegen des Fachkräftemangels. »Ich habe zudem gelernt: Die Entlohnung ist nicht alles. Wir schaffen ein Umfeld, in dem die Beschäftigten gerne und meist über viele Jahre und Jahrzehnte arbeiten.« (GEA)