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Transline in Reutlingen im Umbruch

Künstliche Intelligenz löst in der Übersetzungsbranche und bei Unternehmen in Reutlingen einen Wandel aus.

Maximilian Lachnit, Geschäftsführer des Sprachdienstleisters Transline mit Hauptstandort in Reutlingen.
Maximilian Lachnit, Geschäftsführer des Sprachdienstleisters Transline mit Hauptstandort in Reutlingen. Foto: Schanz
Maximilian Lachnit, Geschäftsführer des Sprachdienstleisters Transline mit Hauptstandort in Reutlingen.
Foto: Schanz

REUTLINGEN. Künstliche Intelligenz (KI) verändert die Übersetzungsbranche stark – und das in einer Zeit, in der die Kunden sparen müssen. Transline, einer der führenden deutschen und europäischen Anbieter von Sprachdienstleistungen, steckt daher im Umbruch, wie Geschäftsführer Maximilian Lachnit im Gespräch mit dem GEA berichtet. Die Unternehmensgruppe mit Hauptstandort in Reutlingen habe auf Strukturwandel und Rezession mit Umstellung auf moderne Technologie und mit Kosteneinsparungen reagiert. Lachnit erklärt: »Im Zentrum unserer neuen Strategie steht unsere eigene Plattform T-Blue, die bei unseren Übersetzungsprojekten Prozessautomatisierung und Datensicherheit kombiniert.«

Transline organisiert mit einem Netzwerk von etwa 5.000 Fachübersetzern und mithilfe von Informationstechnologie die Übertragung von Texten in 160 Sprachen und unterstützt damit rund 400 aktive Unternehmenskunden bei ihren weltweiten Geschäften. Inhaltlich geht es vor allem um technische Dokumentationen (Gebrauchsanweisungen, Patente), aber auch um Marketingbotschaften, Verträge, Geschäftsberichte und Preislisten – auf Papier und über digitale Kanäle.

»Wir sind Sprachenlogistiker und wollen Inhalte unserer Kunden passgenau in jeden Zielmarkt transportieren«, erläutert Lachnit. Dabei kümmere sich Transline vor allem um Vertrieb beziehungsweise Kundenbetreuung, Prozessmanagement und Qualitätssicherung und habe lediglich für sensible Inhalte und (eilige) Sonderfälle eigene Übersetzer, in Reutlingen acht Personen vor allem für Englisch und Französisch.

Blick auf die Kosten

Die Transline-Gruppe beschäftigt Lachnit zufolge aktuell 139 Menschen an sieben Standorten in Deutschland, Italien und Frankreich. Im GEA-Bericht im Dezember 2023 war noch von 158 Mitarbeitenden die Rede. »Wir haben Hierarchien verschlankt. Das ist vor allem der zunehmenden Automatisierung geschuldet«, sagt der Geschäftsführer. Der Personalabbau sei im vergangenen Jahr über freiwilliges Ausscheiden mit Abfindungen und Nichtersetzen frei gewordener Stellen umgesetzt worden.

Lachnit ist Geschäftsführer der Dachfirma Transline Gruppe GmbH (Reutlingen; fünf Beschäftigte, Ende 2023: sieben) und deren wichtigster Tochterfirma Transline Deutschland GmbH (Reutlingen). Transline Deutschland hat nun 95 Beschäftigte – im Dezember 2023 waren es noch 118 –, davon 75 (102) im Geopark im Industriegebiet In Laisen in Reutlingen. Die weiteren Standorte gibt es im badischen Walldorf mit zehn (vier) Beschäftigten, in München mit fünf (zehn) Mitarbeitenden sowie in Köln mit vier Personen und im sächsischen Grünbach mit einer Person (Ende 2023: je eine Person). Zur Gruppe gehören zudem Interlanguage Srl (Modena/Italien) und Transline Europe SARL (Schiltigheim bei Straßburg/Frankreich. Bei der Tochterfirma in Italien sind nun 32 Menschen tätig, fünf mehr als im Dezember 2023, bei der Tochtergesellschaft in Frankreich sind es sieben (fünf).

Im vergangenen Jahr habe die Transline-Gruppe nach vorläufigen Zahlen einen Umsatz von 20,5 Millionen Euro erreicht – nach 21,3 Millionen Euro im Jahr 2023. »Unsere Kunden haben verhalten bestellt. Daher haben wir unser Ziel von knapp 23 Millionen Euro Umsatz verfehlt, blicken aber positiv auf 2025«, beantwortet Lachnit eine GEA-Nachfrage.

Zur Ertragslage formuliert der 37-jährige Betriebswirt, dass Transline operativ ein positives Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) erzielen werde, »bilanziell aber nicht«. Dies liege unter anderem an Zinszahlungen für Fremdkapital.

Seit März 2022 gehört die Führungs- und Funktionsholding Transline Gruppe GmbH mehrheitlich (70,3 Prozent) zur seit 2006 bestehenden börsennotierten Münchener Beteiligungsgesellschaft Blue Cap. Das Gründerehepaar Wolfgang und Edith Sturz, aus deren 1986 in Sindelfingen eröffneten Übersetzungsbüro die heutige Transline-Gruppe durch organisches Wachstum und Zukäufe hervorgegangen ist, hält 24,7 Prozent der Anteile, Geschäftsführer Lachnit fünf Prozent. Blue Cap wies für 2023 bei einem Umsatz von 273,3 Millionen Euro einen Verlust von 20,3 Millionen Euro aus.

Feinschliff des Übersetzers

Durch maschinelle Übersetzungen sollten aus Kundensicht möglichst Geld und Zeit gespart werden, beschreibt Lachnit das Marktgeschehen. »Nach wie vor ist KI bei uns eine Produktionsunterstützung, die eine Vor-Übersetzung liefert. Der Übersetzer ist dann für den Feinschliff zuständig«, erzählt er.

Lachnit vergleicht den Ablauf mit einer Produktionsstraße bei einem Automobilhersteller: »Qualitätskontrolle und handwerklich schwierige Schritte machen dort auch Menschen.« Neu sei bei Transline seit Beginn dieses Jahres, dass das Unternehmen während des Prozesse die Datenhoheit behalte.

»Die Übersetzungspartner arbeiten nun in unserem Ökokosmos. Die bekommen einen Link und arbeiten auf unseren Servern an einer maschinellen Vor-Übersetzung. Sie kontrollieren und verbessern die Übersetzung der Maschine und achten auf landesspezifische Besonderheiten.« Die Übersetzer sollten also weiterhin die Hoheit über die Übersetzung haben. Sie könnten mit dem neuen Verfahren um den Faktor vier in der Stunde schneller sein und damit mehr übersetzen als bisher. Die Maschine lerne für künftige Fälle in Echtzeit mit.

Auf die Frage, wie das neue System im Netzwerk der 5.000 Fachübersetzer ankomme, stellt Lachnit fest: »Da gibt’s Konflikte. Wir haben durch die Umstellung auch Partner verloren. Es sind jedoch auch neue Übersetzer nachgerückt. Wir eröffnen den Übersetzern eine hohe Prozesseffizienz, die für den einen oder anderen attraktiv ist.«

Ins laufende Geschäftsjahr 2025 sei Transline mit dem Ziel gegangen, den Umsatz gegenüber 2024 um fünf Prozent zu verbessern. »Zudem liegt unser Fokus auf der weiteren Optimierung auf der Kostenseite und bei den Prozessen«, kündigt der Geschäftsführer an. (GEA)