Logo
Aktuell Bau

Talfahrt der Baubranche im Land hält an

Verbandspräsident Böll schlägt vor, Standards zu senken, um die Entstehung neuer Wohnungen anzukurbeln.

Gestiegene Zinsen, hohe Baukosten und knappes Bauland haben den Traum vom Eigenheim stark verteuert.
Gestiegene Zinsen, hohe Baukosten und knappes Bauland haben den Traum vom Eigenheim stark verteuert. Foto: Woitas/dpa
Gestiegene Zinsen, hohe Baukosten und knappes Bauland haben den Traum vom Eigenheim stark verteuert.
Foto: Woitas/dpa

STUTTGART. Es mangelt hierzulande an Wohnungen. Viele Straßen, Schienen und Brücken sind in schlechtem Zustand. Doch die Baufirmen leiden unter Auftragsmangel. »Es wird ein schwieriges Jahr 2025 für unsere Branche«, stellt Markus Böll, Präsident der Bauwirtschaft Baden-Württemberg, vor Journalisten in Stuttgart fest. Es drohten weitere Insolvenzen und Betriebsstilllegungen. Böll und Sabine Schmucker, Vizepräsidentin der Bauwirtschaft Baden-Württemberg, fordern daher entschlossene Maßnahmen von der Politik in Bund und Land, um den Wohnungsbau anzukurbeln und die Infrastruktur auf Vordermann zu bringen.

In Baden-Württemberg bestehe gemäß Experten-Gutachten ein Baubedarf von 53.000 Wohnungen pro Jahr, erklärt Böll. 2024 seien indes lediglich 38.000 Wohnungen fertiggestellt worden. Die Zahl der Wohnungsbaugenehmigungen im Südwesten sei gegenüber dem Vorjahr um 26 Prozent auf 24.315 gesunken. »Wohnungsnot und weiter steigende Mieten sind ein soziales Pulverfass, das auch die politische Stabilität gefährdet. Die bisherigen Maßnahmen von Bund und Land reichen nicht aus«, sagt Böll.

Es gehe vor allem darum, die Baupreise zu senken. Der Verbandspräsident verweist auf den Baupreisindex Wohngebäude des Statistischen Bundesamts. Dieser lag im Februar 2015 bei 78,3 Punkten, Mitte 2021 bei 100 Punkten und im November 2024 bei 130,8 Punkten. »Gestiegene Material- und Energiepreise, hohe Bauzinsen, ausufernde Bürokratie und hohe Baustandards setzen dem Wohnungsbau zu«, klagt Böll.

Blick auf marode Brücken

Notwendig sei deshalb, die Grunderwerbsteuer zu verringern, staatliche Förderprogramme zu verbessern und den sozialen Wohnungsbau auszuweiten. Besonders aber sollten die Anforderungen an das Bauen gesenkt werden – etwa bei Themen wie Wärme- und Schalldämmung. »Jedes Bauteil in einem Gebäude ist bis ans Limit perfektioniert worden«, merkt Böll an. Im Sinne von Kostensenkungen seien »abgespeckte Varianten«, ebenso modulares Bauen, also Vor-Ort-Montage von vorgefertigten Bauteilen, oder der Gebäudetyp E (wie einfach). »Wir können günstig bauen, die Firmen müssen es nur verlässlich dürfen«, ergänzt Thomas Möller, Hauptgeschäftsführer der Bauwirtschaft Baden-Württemberg.

Vizepräsidentin Schmucker weist auf »den enormen Investitionsstau in der Verkehrsinfrastruktur« hin: »Das marode Verkehrswegenetz wird zunehmend zu einem Risikofaktor für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes.« In den nächsten zehn Jahren könnten 1.700 Brücken an Bundes- und Landesstraßen in Baden-Württemberg gesperrt werden, wenn das Sanierungstempo nicht deutlich erhöht werde. Derzeit würden indes weniger als zehn Brücken jährlich an Bundes- und Landesstraßen ertüchtigt. Nötig wäre laut Schmucker indes die Instandsetzung oder Erneuerung von 100 Brücken im Jahr.

Umsatz zurückgegangen

In den ersten elf Monaten 2024 ist der Umsatz im Bauhauptgewerbe in Baden-Württemberg bei den Betrieben mit 20 und mehr Beschäftigten gegenüber dem Vorjahreszeitraum über alle Sparten hinweg um 1,6 Prozent auf 14,387 Milliarden Euro zurückgegangen. »Vor allem die Entwicklung im Wohnungsbau zieht unsere Branche nach unten«, erläutert Böll. Denn der Umsatz im Wohnungsbau sei um 12,6 Prozent auf 3,075 Milliarden Euro geschrumpft.

Der Wirtschaftsbau leide derzeit unter der ungünstigen gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, so Böll. In dieser Sparte stieg der Umsatz nominal um 1,1 Prozent auf 6,467 Milliarden Euro. Der öffentliche Bau legte um 3,1 Prozent auf 4,845 Milliarden Euro zu. Die Baubetriebe im Südwesten mit 20 und mehr Beschäftigten haben 70.730 Mitarbeiter, 0,4 Prozent weniger als vor einem Jahr. Insgesamt steht die Branche im Land für etwa 115.000 Beschäftigte. Böll geht davon aus, dass die Umsatz-Talfahrt der Branche im laufenden Jahr anhält. Da es für Bauarbeiten einen großen Vorlauf gebe (Planung und Finanzierung) hoffe er im Jahr 2026 auf eine Besserung der Lage. (GEA)