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Aktuell Innovationen

Tübingen als Industriestandort wahrnehmen

Führungskräfte der hiesigen Wirtschaft trafen sich am Dienstag zur Eröffnung der Tübinger Innovationstage. Zum Auftakt gab es eine Podiumsdiskussion.

Sie sprachen zum Auftakt der Tübinger Innovationstage: Moderator Stefan Engelhard (IHK Reutlingen), Markus Horn, Jochen Richter
Sie sprachen zum Auftakt der Tübinger Innovationstage: Moderator Stefan Engelhard (IHK Reutlingen), Markus Horn, Jochen Richter und Helmut Scherer (stehend von links), sowie (sitzend von links) OB Boris Palmer, Eva Baumann und IHK-Vizepräsidentin Daniela Eberspächer-Roth. Foto: Michael Sturm
Sie sprachen zum Auftakt der Tübinger Innovationstage: Moderator Stefan Engelhard (IHK Reutlingen), Markus Horn, Jochen Richter und Helmut Scherer (stehend von links), sowie (sitzend von links) OB Boris Palmer, Eva Baumann und IHK-Vizepräsidentin Daniela Eberspächer-Roth.
Foto: Michael Sturm

TÜBINGEN. Seit 2008 seien die Tübinger Innovationstage ein Ort des Austauschs, sagte Daniela Eberspächer-Roth, Vizepräsidentin der veranstaltenden Industrie- und Handelskammer Reutlingen, zum Auftakt in den Räumen des Chemie-Unternehmens CHT. Als Standort der Spitzenforschung und Heimat vieler erfolgreicher Mittelständler müsse man Tübingen als Industriestandort und »Innovationsmotor« wahrnehmen.

Diesen Faden nahm Gastgeberin Eva Baumann, Chefin der CHT Group, auf. Fortschritt bedeute, Neues zu schaffen und Bisheriges zu verbessern. Wer innovativ sei habe einen Vorsprung auf dem Markt. Neben Investitionen in Bildung, Forschung und Wissenstransfer forderte sie »Mut zur Entbürokratisierung«, Innovation dürfe nicht an Formularen scheitern. Jochen Richter, bei der Kreissparkasse Tübingen für die Unternehmungskunden zuständig, gab den Impuls, Bürokratie zunächst im eigenen Unternehmen abzubauen. Entbürokratisierung bedeute, den Fähigkeiten der Mitarbeiter vor Ort zu vertrauen: »Bei guten Leuten muss man nicht jeden Schritt kontrollieren.«

Jochen Richter forderte auf, den Fähigkeiten der Mitarbeiter zu vertrauen

Eberspächer-Roth kritisierte den ihr folgenden Redner, Oberbürgermeister Boris Palmer. Die Gewerbesteuer um über fünf Punkte zu erhöhen, sei bei den Unternehmen der Stadt auf Unverständnis gestoßen: »Lieber Boris, wir brauchen Wachstumsanreize!« Dieser konterte, mit seinen Maßnahmen habe er die Tübinger Betriebe »netto um eineinhalb Millionen Euro entlastet. Es gab Buhrufe, aber die Zahlen sind richtig.« An Baumanns Worte anknüpfend, nannte Palmer, die bürokratischen Hürden im Bauwesen. Es brauche mehrere Jahre, um aktuell dringen benötigte Wohnungen zu bauen.

Bürokratie auch anderswo: Jüngst habe das Finanzamt von der Stadt Mehrwertsteuer auf Einnahmen aus Parkautomaten gefordert. Auf Parktickets für Autos, die längs der Straße parken, nicht jedoch für jene, die im rechten Winkel zur Straße abgestellt wurden. Was solle dann in der Mohlstraße berechnet werden, wo die Autos diagonal zur Straße abgestellt würden? Eine Stimme aus dem Publikum: »Halber Steuersatz!« Palmer sagte, sein erster Gedanke sei gewesen, den TV-Moderator Markus Lanz anzurufen, in dessen Sendung der Tübinger Oberbürgermeister schon oft zu sehen war: »Den interessiert das!«

Mehrwertsteuer auf Einnahmen aus Parkautomaten

Positiv am Standort Tübingen: »Bei uns hängt die Gewerbesteuerleistung nicht an einem Unternehmen.« Tübingen sei stark in den Bereichen IT, Umwelt, Medizintechnik, Biotechnologie und KI. »Die Grundstruktur in Tübingen ist toll«, befand das Stadtoberhaupt. Aber es gebe drei Probleme: Wohnungen, Kinderbetreuung, auch in den Sommerferien, und der Transport zur Arbeit und wieder nach Hause. Darin war er sich mit den Unternehmern Markus Horn und Helmut Scherer einig. »Die wenigsten, die bei uns schaffen, wohnen in Tübingen. Wir brauchen Parkplätze«, sagte Horn, Geschäftsführer der Firma Paul Horn. Scherer, Technikchef von Erbe, sagte, seine Firma würde gerne ein Parkhaus bauen. Wohnungen für Mitarbeiter seien in Planung.

Horn betonte, seine Firma agiere als weltweiter Marktführer bewusst von Tübingen aus: »Im Ausland kopieren wir Tübinger Muster. Hier findet Innovation statt!« Das Unternehmen pflege einen engen Austausch mit der Stadt. Es profitiere gleichermaßen von Akademikern der hiesigen Uni und von in der nahen Berufsschule gut ausgebildeten Fachkräften. Eine Prämisse, so Horn: »Wir müssen dran bleiben am Lernen.« Scherer ergänzte: »Wir setzen auf die duale Hochschule.« So binde man Mitarbeiter früh ans Unternehmen und lerne sie so gut einzuschätzen. Erbe sei vor 170 Jahren in Zusammenarbeit mit der Uni Tübingen gegründet worden. Noch heute entstünden die meisten Projekte gemeinsam mit der Universität.

Unternehmen warnen davor, Lieferketten abreißen zu lassen

Mit Blick auf den Weltmarkt warnte Scherer davor, Lieferketten abreißen zu lassen. Ein Punkt, den Eva Baumann sofort aufgriff: Ihre Firma CHT müsse Rohstoffe importieren, »bis zu 30 Komponenten, die in unsere Produkte gehen.« Diese werden in anderen Produkten, etwa in der Autoindustrie genutzt. »Wir können nicht mit asiatischen Unternehmen konkurrieren. Die produzieren 24 Stunden am Tag.« Langfristig sei es ein Risiko, wenn Lieferketten unterbrochen würden. Wichtig sei es, das eigene Knowhow zu bewahren.

Während den Tübinger Innovationstagen innerhalb der kommenden zwei Wochen präsentieren sich zwölf Gastgeber und über 50 Unternehmen. Heute Nachmittag um 14 Uhr geht es bei der Firma REFUdrive um Leistungselektronik. Ein Highlight dürfte der kommende Montag bieten: Die Firmen Erbe und Paul Horn öffnen erstmals ihre Labore für die Öffentlichkeit. (GEA)