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Aktuell Protest

Schließung von Stoll in Reutlingen Ende September?

Beschäftigte der Karl Mayer Stoll Textilmaschinenfabrik GmbH haben am Dienstag gegen die mögliche Schließung des Standorts Reutlingen mit über 280 Arbeitsplätzen protestiert.

Voller Wut trommelten, pfiffen und riefen Stoll-Beschäftigte ihren Protest gegen eine mögliche Schließung des Standorts Reutling
Voller Wut trommelten, pfiffen und riefen Stoll-Beschäftigte ihren Protest gegen eine mögliche Schließung des Standorts Reutlingen am gestrigen Dienstag heraus. Foto: Norbert Leister
Voller Wut trommelten, pfiffen und riefen Stoll-Beschäftigte ihren Protest gegen eine mögliche Schließung des Standorts Reutlingen am gestrigen Dienstag heraus.
Foto: Norbert Leister

REUTLINGEN. Die Wucht, mit der drei Stoll-Beschäftigte am gestrigen Dienstagmittag immer wieder mit Gummihämmern auf Ölfässer schlugen, war enorm. Zusammen mit den Trillerpfeifen zahlreicher Kolleginnen und Kollegen produzierten sie dabei einen Höllenlärm, als sie in der Mittagspause vor dem Fabrikgebäude ihres Arbeitgebers Karl-Mayer-Stoll gegen ihre Entlassung demonstrierten. Laut IG Metall waren es über 200 Teilnehmende.

Die Wut der Beschäftigten erklärt sich von allein, denn: Die insgesamt 286 Arbeitsplätze am Standort Reutlingen sind gefährdet. »Aber Karl Mayer ist das völlig egal«, rief Frank Wittel als Betriebsratsvorsitzender seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern per Megaphon während der Protestaktion entgegen. »Der Mensch zählt hier überhaupt nichts – das ist eine Riesensauerei.« Wütende Fasstrommelei und Trillerpfeifengetöse begleitete dieses Aussage.

Anwaltskanzlei für Konzern aktiv

Obwohl Aufträge für den Standort Reutlingen vorhanden seien, obwohl sogar Anfragen kämen, ob denn Stoll im September und Oktober noch liefern werde – »alles egal, unsere Firma soll plattgemacht werden«, so Wittel. Die Anwaltskanzlei, die von der Konzernzentrale in Obertshausen nahe Offenbach beauftragt wurde, nach Alternativen zu suchen, hat laut stellvertretendem Betriebsratsvorsitzenden Thomas Bayer jedoch nichts anderes im Sinn, als »quick and dirty, also schnell und dreckig« die Firma an der Adolf-Kolping-Straße neben der Straße nach Ohmenhausen abzuwickeln.

Am 30. September sollen dort die Lichter ausgehen, von Investoren oder Käufern hätten Wittel und sein Stellvertreter Bayer nichts gehört. »Arrogant und dreist« habe sich die Betriebsleitung gezeigt. Und obendrein auch noch inkompetent – »der Einzige, der im Karl-Mayer-Konzern Kohle macht, ist Stoll, in Obertshausen hauen sie hingegen das Geld raus ohne Ende«, so Bayer.

Nach den Worten von Kai Lamparter von der IG Metall habe Oliver Mathews als Geschäftsführer des Reutlinger Standorts gesagt: »Er wollte alles prüfen, er beschäftige sich Tag und Nacht mit Reutlingen.« Von sozialverträglichem Abbau von Arbeitsstellen sei jedoch nie die Rede gewesen, »man kann ein Traditionsunternehmen wie Stoll mit 150jähriger Geschichte nicht innerhalb von drei Wochen plattmachen«, so Lamparter. »Wir sind Stoll«, schrien ihm die Beschäftigten entgegen, wütend trommelten und pfiffen sie ihren Ärger heraus.

Statement des Unternehmens

Das Werk in Reutlingen soll geschlossen werden, weitere in Chemnitz und Waldmuenchen müssen laut Wittel »heftig bluten – und das alles, um den Hauptstandort in Obertshausen zu retten«. Erst vor viereinhalb Jahren wurde das Stoll-Fabrikgelände im Industriegebiet Mark-West deutlich erweitert.

Die Rede war bei den Protesten am Dienstag von Missmanagement nach der Übernahme von Karl Mayer. »Die vergangenen fünf Jahre wurde das Konzept von Obertshausen übergestülpt, das hat nie gepasst«, betonte Frank Wittel. Es gelte nun, den Betrieb in Reutlingen »ins Schaufenster zu stellen und in einem geregelten Ablauf einen Investor oder Käufer zu finden«, sagte Lamparter. Die IG Metall werde dann »mit draufgucken, dass die Firma in gute Hände kommt«, so der Zweite Bevollmächtigte der IG Metall Reutlingen-Tübingen.

Am gestrigen Dienstag stand ab 13 Uhr eine neue Verhandlungsrunde mit der Firmenleitung an. Für den Freitag diese Woche sei ein weiterer Termin um 9 Uhr geplant. »Wir wissen aber rein gar nichts, mit wem Karl Mayer spricht, ob es Investoren gibt, das ist alles völlig intransparent«, so Lamparter. Klar sei nur eins: Die Stimmung bei Stoll in Reutlingen ist hundsmiserabel.

Auf Anfrage erhielt der GEA am Abend ein Statement des Unternehmens: "Es gibt keinen neuen Status über das hinaus, was wir Ende Januar 2025 dem Reutlinger General-Anzeiger mitgeteilt haben. Die Gespräche mit den Arbeitnehmervertretungen haben begonnen – mit dem Ziel, schnell Klarheit über die nächsten Schritte zu schaffen. Wir verstehen, dass diese Situation für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Unsicherheit und Sorgen verbunden ist. Wir bitten um Verständnis, dass wir bis zum Abschluss der Verhandlungen keine weiteren Details nennen können." (GEA)