BERLIN. Wenn Du Wirtschaftsminister bist und die Wirtschaft mies läuft, hast Du ein Problem. Das ist die Situation von Robert Habeck ein Jahr vor der Bundestagswahl. Zu dieser will er sich bekanntlich als Spitzenkandidat der Grünen dem Urteil der Wähler stellen, möglicherweise sogar als Kanzlerkandidat. Derzeit kommt Habecks Partei in den Umfragen auf zehn Prozent. Seine Ausgangslage ist also noch schlechter als die deutschen Konjunkturaussichten. Die Wirtschaftsleistung sank wie die Umfragewerte der Grünen. In diesem Jahr wird Deutschland wohl um 0,2 Prozent schrumpfen, wie Habecks Fachleute ausgerechnet haben.
Bei der Vorstellung der trüben Herbstschätzung bemühte sich Harbeck deshalb, das Land starkzureden. Drittgrößte Volkswirtschaft der Welt, exzellent ausgebildete Leute, einen festen Kern aus Mittelstand und Familienunternehmen, ein verlässlicher Rechtsstaat. »Deutschland ist ein Land voller Stärken und voller Stärke.« Es mutete beinahe an, als richtete der Wirtschaftsminister nicht nur den Standort verbal auf, sondern sich selbst. Zu seinen Kanzlerambitionen sagte er nur einen Satz. »Ich bin Teil der Bundesregierung und ich kämpfe seit drei Jahren dafür, die jeweiligen Probleme des Landes zu lösen.«
Verfehlte Industriepolitik
Derer gibt es viele, sie haben sich über Jahrzehnte aufgetürmt. Dass Wladimir Putin die Ukraine überfallen hat und als Lieferant billigen Gases ausgefallen ist, ist nicht die Schuld Habecks. Dass China und die USA einen Handelskonflikt ausfechten genauso wenig. Dass die drei für Habecks Zukunftsvision auserkorenen Konzerne Intel, Northvolt und Thyssenkrupp, denen er Milliarden an Steuermitteln geben will, in Schwierigkeiten stecken, ist Pech. Gleichzeitig sieht seine Industriepolitik schlecht aus. Dass die Bürokratie hierzulande wuchert wie ein Dschungel, daran haben die Grünen ihren Anteil, aber sie sind nicht allein dafür verantwortlich. Doch das politische Geschäft ist gnadenlos. Wenn die Wirtschaft schrumpft, ist der Wirtschaftsminister das Gesicht der Krise.
Sahra Wagenknecht will den 55-Jährigen nicht aus dem Schneider lassen. »Robert Habeck ist Mister Abschwung, die Fakten erdrücken seine Leistungsbilanz, so wie seine verheerende Politik die deutsche Wirtschaft«, sagte die Gründerin des Bündnis Sahra Wagenknecht unserer Redaktion. »Andere würden zurücktreten, Habeck will Kanzler werden«, kritisierte die Parteichefin. »Drei Jahre im Amt, zwei Jahre Rezession, das ist historisch schlecht.« Habeck habe keinen Plan, wie er das Land aus der Krise führen wolle. »Einen konkreten Plan nach oben hat der Rezessionsminister nur für sich persönlich«, legte Wagenknecht nach.
Hart auch der Tadel des Mittelstands. »Blickt man auf Robert Habecks Bilanz, ist diese größtenteils desaströs«, schimpfte die Präsidentin des Verbands der Familienunternehmer, Marie-Christine Ostermann. Er verstehe wenig von den Wirkungsmechanismen in der Wirtschaft und schweige bei wichtigen Themen wie der steigenden Lohnzusatzkosten. »Wenn man selber von Wirtschaft nichts versteht und dann viele Ideologen ins Ministerium holt, fährt man die deutsche Volkswirtschaft in den Graben. Keine andere Industrienation steckt in der Rezession fest, dieser Niedergang ist hausgemacht«, beklagte Ostermann.
Habecks Hoffnung ist, dass sich seine Ökonomen nicht verrechnet haben. Im Wahljahr 2025 soll die Wirtschaft um 1,1 Prozent zulegen. Ansehnliche Lohnabschlüsse und sinkende Zinsen sollen die Konjunktur anschieben, wenn die Leute mehr Geld ausgeben und Unternehmen an günstigere Kredite kommen. Einen Anteil an der in Aussicht gestellten Erholung schreibt sich die Ampelkoalition und der zuständige Minister zu.
Das unbeliebte Dreierbündnis hat sich trotz der öffentlich sichtbaren Auflösungserscheinungen vorgenommen, das Leben für die Unternehmen leichter zu machen. Die Bürokratie wird hier und da zurückgeschnitten, die Automobilhersteller bekommen eine Förderung für elektrische Dienstwagen, Firmen können Investitionen bei der Steuer schneller abschreiben. »Diese Maßnahmen helfen. Wenn sie umgesetzt werden, und zwar vollständig, dann wird die Wirtschaft stärker wachsen, wieder mehr Menschen in Arbeit kommen«, sagte Habeck. Er appellierte an SPD und Grüne und die Bundesländer, das Paket im Klein-Klein nicht zu zerhäckseln. (GEA)