REUTLINGEN. Bei seinem ersten Auftritt als Gastgeber des Neujahrsempfanges der Handwerkskammer und der Industrie- und Handelskammer (IHK) in der Reutlinger Stadthalle durfte Handwerkskammer-Präsident Alexander Wälde rund 500 Gäste begrüßen. Darunter zahlreiche Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Stadtverwaltung. Nach einem kurzen Rückblick auf das bewegte Jahr 2024, das vor allem von den Konflikten in der Ukraine und im Nahen Osten geprägt war, richtete Wälde den Blick nach vorn und damit auch auf die anstehende Bundestagswahl. »Der Standort Deutschland braucht einen Neustart, die vorgezogenen Wahlen am 23. Februar bieten diese Chance«, sagt Wälde, der einen Friseursalon in Freudenstadt führt.
Die erste und dringendste Aufgabe der neuen Bundesregierung müsse es sein, eine wirtschaftspolitische Wende zu vollziehen und den Kompass der Wirtschaftspolitik neu auszurichten. »Politik muss sich wieder als Problemlöser erweisen! Wir brauchen den Wettstreit um Lösungen statt Selbstinszenierungen und Show.« Nötig seien weniger Bürokratie, eine generationengerechte Sozialpolitik, faire Steuern, eine starke berufliche Bildung und gezielte Unterstützung für Handwerksbetriebe, sagt Wälde. Jeder zehnte Wahlberechtigte sei im Handwerk tätig. »Wir fordern ein Bildungssystem, das die duale Ausbildung stärker in den Mittelpunkt rückt und berufliche Karrieren als gleichwertige Alternative zum Studium positioniert, nur so können wir langfristig für ausreichend qualifizierte Fachkräfte sorgen.«
Andere Erziehung als Baby-Boomer
Das bedeute aber auch, dass den jungen Menschen, die eine Ausbildung beginnen, etwas zugetraut werden müsse. »Im Gegensatz dazu halten viele Betriebsinhaber junge Menschen der Generation Z für arbeitsscheu und undankbar.« Doch solche Pauschalurteile seien nicht nur unfair, sondern schlichtweg falsch. Sicher sei jedoch, dass die Generation Z (Jahrgänge 1995 - 2009) eine ganz andere Erziehung genossen habe, als beispielsweise die Baby-Boomer, nimmt Vortragsredner Felix Behm den Ball auf.
Früher seien Eltern in erster Linie Erziehungsberechtigte gewesen, sagt Behm. »Heute sind sie oftmals Coach, Partner und manchmal auch Fahrer.« Da habe ihm neulich eine Bekannte erzählt, sie sei morgens zu spät zur Arbeit gekommen, weil ihr Kind noch ein Dampfbad habe nehmen müssen. Bei einem Vortrag vor Führungskräften eines großen Lebensmitteleinzelhändlers habe er über Eltern gescherzt, die ihre Kinder mit Helm auf den Spielplatz schicken. Da sei einer aufgestanden und habe gesagt: »So mache ich das auch.« Bekamen früher Kinder noch Ärger, wenn sie eine schlechte Note nach Hause brachten, seien es heute in erster Linie die Lehrer, die Ärger bekämen, von den Eltern der Kinder mit den schlechten Noten.
Überbehütet und verhätschelt?
Ist sie das, die Generation Z? Überbehütet und verhätschelt? Nur auf die Work-Life-Balance bedacht und nicht in der Lage, mit Kritik umzugehen? Es hapere oftmals schon an der Kommunikation, sagt Behm. Während die über Themen aus der Zeitung oder aus dem Fernsehen reden, reden die anderen über Instagram, Youtube und Tiktok. Frage man Vertreter der Generation Z, äußerten diese immer wieder den Wunsch, Führungskräfte würden mehr mit ihr als über sie sprechen. Um diesem Wunsch nachzukommen, erhielten zwei Vertreter und eine Vertreterin deser Generation die Gelegenheit über ihre Erfahrungen und Bedürfnisse in der Arbeitswelt auf der Bühne zu reden.
Der Einzige, der scheinbar so etwas wie eine Life-Work-Balance hat, ist Philipp. Als Feuerwehrmann hat er nach einer 48-Stunden-Schicht den Rest der Woche frei. Allerdings liegt der gelernte Mechatroniker in dieser Zeit nicht auf der faulen Haut, sondern absolviert ein Studium. Tom und Annika arbeiten von 7 bis 17 Uhr, 5 Tage die Woche. Und sie tun das gerne. Wichtig ist ihnen, dass sie sich ganz konkret ein Bild von ihrer Tätigkeit machen konnten. »Alle in meiner Berufsschulklasse, sind über ein Praktikum in ihre Firma gekommen«, sagt Tom, der eine Ausbildung auf dem Bau absolviert und sich im Anschluss noch ein Studium zum Bauingenieur vorstellen kann. Und Annika wusste seit dem »Girls Day« in der sechsten Klasse, dass sie Mechatronikerin werden will. »Mir ist vor allem wichtig, dass ich als Frau im Handwerk ganz normal behandelt werde.« Eigentlich alles sehr bodenständig. »Wir sind keine abgespaceten Leute,« versichert Tom.
Schwörer schöpft Mut
So sah es wohl auch Fertighaus-Unternehmer und IHK-Vizepräsident Johannes SchwörerGleich fertig. Er schöpfe Mut aus den Worten der Azubis und Studenten auf der Bühne. »So lange es Leute wie Euch gibt, ist Deutschland noch nicht auf dem absteigenden Ast. Ohnehin müsse, bevor die Generation Z das Ruder übernehme, die jetzige Generation noch etwas leisten. «Das mit der Life-Work-Balance, oder wohl eher Life-Life-Balance, das ist kein Generation-Z-Problem. Das haben wir nämlich schon angefangen, als wir nach fünf Tagen Arbeit am Wochenende jammerten, wie überarbeitet wir sind. (GEA)