Einigkeit und Recht auf Freizeit sind des Glückes Unterpfand. Die Verballhornung der Nationalhymne ist nicht mehr taufrisch. Gleiches lässt sich über den wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands sagen. Die deutsche Wirtschaft lahmt, das Bruttoinlandsprodukt liegt heute auf dem Niveau von 2019.
Einer der Hemmschuhe, die ein kräftige Erholung behindern, ist der Faktor Arbeit. In vielen Branchen wird trotz Wirtschaftskrise qualifiziertes Personal gesucht. Der Grund ist die Alterung der Gesellschaft. Deutschland altert schneller als die derzeitige Schwächephase Jobs kostet. Die demografische Lücke kann auch nicht durch Zuwanderung ausgeglichen werden.
Gesamtgesellschaftlich müsste es also darum gehen, dass die Beschäftigten mehr arbeiteten oder produktiver würden. Beides ist nicht der Fall. Die Produktivität legt seit Jahren nur noch schwach zu, und bei der Arbeitszeit liegt Deutschland im unteren Drittel der Industrieländer. Um Empörung vorzubeugen: Es soll an dieser Stelle nicht darum gehen, einzelnen Faulheit vorzuwerfen. Sondern darum, allgemeine Entwicklungen kenntlich zu machen, die zur Konjunkturflaute beitragen. Das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) hat für das Jahr 2022 analysiert, wie viel die Beschäftigten im Durchschnitt pro Jahr arbeiten. Mit 1.031 Stunden lagen die Deutschen gleichauf mit den Franzosen und vor den Italienern mit 1.019 Stunden, aber hinter den Schweden mit 1.111, den Schweizern mit 1.215 und den US-Amerikanern mit 1.300 Stunden pro Jahr. Die schiere Zahl korrespondiert mit der Erzählung über die richtige Balance aus Arbeit und Leben (work-life). Statt Ranklotzen, Schaffe-Schaffe und in die Hände spucken, werden Selbstentfaltung und Achtsamkeit betont. Das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) hat herausgefunden, dass die berechnete Wunscharbeitszeit seit 2007 um drei Stunden pro Woche abgenommen hat. Der Trend, weniger arbeiten zu wollen, geht quer über alle Altersgruppen, ist also keine Spezialität der als wohlstandsverwöhnt verschrienen Generation Z. Hier macht sich bemerkbar, dass die Konkurrenz um freie Stellen wegen der Alterung der Gesellschaft nachgelassen hat. Unternehmen und Behörden müssen mehr geben, um überhaupt Bewerber anzulocken. Die Sorge vor Arbeitslosigkeit schien der Vergangenheit anzugehören.
Das könnte auch erklären, warum die Deutschen länger krank sind als früher. Laut Statistischem Bundesamt war der Krankenstand im Jahr 2007 so gering wie seit der Wiedervereinigung nicht. Im Schnitt fehlten die Beschäftigten acht Tage pro Jahr. Über die folgenden Jahre erhöhte sich die Zahl auf zehn Tage im Jahr 2015 und 11 Tage im Jahr 2020. Die jüngsten amtlichen Daten stammen aus dem Jahr 2023. Die Fehlzeit schnellte auf 15 Tagen empor, was auch mit einer automatischen Meldung zu tun hat.
Zuletzt hatten die Chefs der Großkonzerne Allianz und Daimler für Wirbel gesorgt, weil sie einen zu hohen Krankenstand in Deutschland beklagten. Die OECD wies den Vorwurf zurück, in der Bundesrepublik seien im Vergleich zu anderen westlichen Staaten zu viele Menschen krank.
Nun war Deutschland nie ein Niedriglohnland. Wegen der stark gestiegenen Energiekosten, den hohen Abgaben an Fiskus und Sozialkassen sowie der schlagkräftigen Konkurrenz aus Asien kommt die Wettbewerbsfähigkeit unter die Räder. Dass die Deutschen weniger zupacken als früher, ist ein Teil des Problems. Die Einstellung zur Arbeit wird sich wieder ändern, wenn die Arbeitslosigkeit steigt. Wer Sorge um seinen Job hat, schleppt sich auch mit Schnupfen auf die Arbeit. (GEA)