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Geschäft von Stoll in Reutlingen signifikant im Minus

Karl-Mayer-Gruppe will sich von Sparte in Reutlingen trennen. Erläuterungen des Geschäftsführers Oliver Mathews im Gespräch mit dem GEA.

Oliver Mathews, neuer Geschäftsführer der Karl Mayer Stoll Textilmaschinenfabrik GmbH.
Oliver Mathews, neuer Geschäftsführer der Karl Mayer Stoll Textilmaschinenfabrik GmbH. Foto: Schanz
Oliver Mathews, neuer Geschäftsführer der Karl Mayer Stoll Textilmaschinenfabrik GmbH.
Foto: Schanz

REUTLINGEN/OBERTSHAUSEN. Die Unternehmensgruppe Karl Mayer mit Sitz in Obertshausen (nahe Offenbach/Hessen) ist nach rückläufigen Umsätzen und Verlusten in eine schwierige Situation geraten. Neben der Abberufung der beiden bisherigen Vorstandsmitglieder bei der Karl Mayer Holding SE & Co. KG hat der Aufsichtsrat daher, wie berichtet, beschlossen, dass sich der Firmenverbund von dem Mitte 2020 zugekauften Bereich Flachstrickmaschinen trennen möchte. Dieser Bereich ist im Wesentlichen der seit 1873 bestehende Traditionsbetrieb Stoll mit aktuell 286 Beschäftigten in Reutlingen. Oliver Mathews, 53, mit Axel Wintermeyer, 56, neuer Geschäftsführer der Karl Mayer Stoll Textilmaschinenfabrik GmbH, stellt im Gespräch mit dem GEA fest: »Ein signifikanter Anteil des negativen Gruppenergebnisses kommt aus dem Stoll-Geschäft.« Auf Nachfrage sagte der Textil-Ingenieur jedoch: »Ich sehe mich noch nicht als Abwicklungsmanager. Wir wollen nichts unversucht lassen und eine Lösung für das Geschäft, für die Menschen und für den Standort finden.«

Für Stoll gebe es das strukturelle Problem, dass sich der Wettbewerb durch preisgünstige neue chinesische Anbieter und einen vom Yen-Verfall profitierenden japanischen Konkurrenten deutlich verschärft habe, erklärt Mathews. Hinzu komme eine allgemeine, konjunkturell bedingte Nachfrageschwäche.

»Im Rest der Karl-Mayer-Gruppe mit derzeit insgesamt über 2.800 Beschäftigten haben wir eher rein das konjunkturelle Problem«, ergänzt er. Vor allem dies habe zur Entscheidung geführt, sich von den Flachstrickmaschinen verabschieden zu wollen.

Zahlen zu Umsatz und Ergebnis

Für das Jahr 2021 hat die Karl Mayer Holding im Bundesanzeiger einen Konzernabschluss veröffentlicht, nach dem die Gruppe bei einem Umsatz von 609 Millionen Euro einen Gewinn von 4,6 Millionen Euro erreicht hat. Für 2022 und 2023 finden sich im Internet indes für den Firmenverbund Umsätze von 529 Millionen und 432 Millionen Euro sowie Verluste in zweistelligen Millionenhöhen. Für das Jahr 2024 und für die 100-prozentige Tochterfirma Karl Mayer Stoll wollte Mathews keine konkreten Zahlen nennen. »Das Ergebnis ist nicht besser geworden. Sonst würden wir nicht das machen, was wir jetzt machen müssen«, teilte er mit.

Wie dem GEA-Archiv zu entnehmen ist, war die Entwicklung bei Stoll in Reutlingen bei Umsatz und Beschäftigung bereits vor der Übernahme durch Karl Mayer im Jahr 2020 rückläufig. 2014 waren beispielsweise noch 585 Personen für Stoll in Reutlingen tätig. 2020, vor der Übernahme, waren es dann 440 – nun sind es 286.

»Die Übernahme ist ein wichtiger Schritt in unserer Wachstumsstrategie. Hier kommen zwei starke Marken im Textilmaschinenbau zusammen, deren Lösungsportfolios und regionale Aufstellung sich exzellent ergänzen«, hatte es im Februar 2020 bei der Ankündigung der Übernahme geheißen. Karl Mayer, gegründet 1937 und mit vier Stämmen der Gründerfamilie als Gesellschafter, wurde als Spezialist für Kettenwirkmaschinen, Maschinen für die Kettvorbereitung und Maschinen für die Herstellung von technischen Textilien gewüdigt, Stoll als wichtige Marke für Flachstrickmaschinen.

Stoll sei als eigener Geschäftsbereich in die Organisation von Karl Mayer eingegliedert worden, blickt der Geschäftsführer nun zurück. Man habe zwar kleinere Synergieeffekte genutzt. Kultur, Produktumfeld und die bekannte Marke von Stoll seien aber erhalten geblieben. Vorhandene Pläne für ein neues Kundenzentrum und ein Entwicklungszentrum im Zuge der Komplettverlagerung des Betriebs vom Stollweg an der Echaz in Reutlingen ins Industriegebiet West in Betzingen seien bis 2022 umgesetzt worden. »Leider haben sich die mit der Fusion verbundenen Hoffnungen nicht erfüllt, vor allem weil die Nachfrage zurückgegangen ist und sich für Stoll die Wettbewerbssituation deutlich verschärft hat«, erläutert nun Mathews.

Ausstieg »möglichst zügig«

"Der verkündete Ausstieg von Karl Mayer aus dem Geschäft mit Flachstrickmaschinen solle "möglichst zügig" erfolgen: "Das Interesse muss sein, dass die Zeit der Ungewissheit, möglichst kurz ist." Nach der Mitteilung der unternehmerischen Absicht an Betriebsrat und Belegschaft am 17. Januar entstünden nun "verschiedene Handlungsstränge, von denen man nicht weiß, was sich daraus ergibt". Bisher sei sonst nichts verändert worden: "Wir nehmen weiterhin Aufträge an und arbeiten den Auftragsbestand ab." Aus rechtlichen Gründen könne die Kurzarbeit in Reutlingen Ende dieses Monats allerdings nicht mehr verlängert werden.

Von der Infrastruktur und dem Ausbildungsstand der Beschäftigten sowie von den Technologien her handele es sich um »einen Top-Standort«. Die Frage sei eben, ob sich Investoren oder ein Käufer für die dauerhafte Fortsetzung fänden.

Für Oliver Mathews ist die neue Aufgabe im Übrigen eine Rückkehr an seinen Studienort. Der aus Niedersachsen stammende Manager hatte von 1992 bis 1996 in Reutlingen Textiltechnik studiert, dabei in Pfullingen gewohnt und als Textil-Ingenieur abgeschlossen. Seit inzwischen 18 Jahren ist er in unterschiedlichen Funktionen für die Karl-Mayer-Gruppe tätig. Zuvor hatte er etwa zehn Jahre für das Unternehmen Groz-Beckert (Albstadt-Ebingen) gearbeitet. (GEA)