KARLSRUHE/REUTLINGEN. Schon seit 2021 steht höchstrichterlich fest: Banken und Sparkassen dürfen Kontogebühren nur mit ausdrücklicher Zustimmung der betroffenen Kunden erhöhen. Viele Verbraucher hatten daher Anspruch auf eine Rückerstattung der unrechtmäßig erhobenen Entgelte. Doch nach dem wegweisenden Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) war lange umstritten, wann diese Ansprüche ablaufen. Das Gericht in Karlsruhe hat dazu nun Klarheit geschaffen. Demnach gilt für diese Ansprüche die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren. Vom GEA befragte Finanzinstitute in der Region begrüßen dieses Urteil. Es bringe »Klarheit und Rechtssicherheit«. Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg beklagte indes einen »Rückschlag für den Verbraucherschutz«. Er schrieb: »Wieder einmal zeigt sich: Banken kommen mit der Verwendung rechtswidriger Klauseln weitgehend ungeschoren davon.«
Nauhauser stellte zudem fest: »Die Institute haben jahrelang unrechtmäßig Kontogebühren kassiert, die Profite längst eingestrichen – und viele Rückforderungsansprüche ausgesessen.« Auf die Frage, warum so wenige Betroffene Rückforderungen geltend gemacht hätten, antwortete er: »Viele wussten schlicht nichts von ihrem Anspruch oder wurden von ihrer Bank abgewimmelt. Die Hürden für eine Rückforderung waren hoch – und die Banken haben auf Zeit gespielt.«
Er forderte, die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) künftig dazu zu verpflichten, die Erstattung der Unrechtsgewinne durch die Kreditinstitute anzuordnen, »damit rechtswidrige Praktiken nicht mehr profitabel sind«. Die Bundesregierung sollte die Chance nutzen, dies bei der nächsten Reform der Bafin durchzusetzen.
Im Schnitt 10 Euro Erstattung
Die Kreissparkasse Reutlingen teilte indes mit, dass das Urteil zur Verjährung die von ihr vertretene Rechtsauffassung bestätige: Rückforderungen für Zeiträume bis einschließlich 2021 seien verjährt. Für spätere Zeiträume bestünden keine unzulässigen Preisänderungen mehr, da alle Anpassungen auf aktiver Zustimmung beruhten. »Das Urteil schafft damit endgültige Rechtssicherheit – sowohl für unsere Kundinnen und Kunden als auch für uns als Institut«, betonte Thilo Schmid, Pressesprecher der Kreissparkasse Reutlingen. Das öffentlich-rechtliche Finanzinstitut habe seine Kunden schon immer frühzeitig und transparent über Preis- und Bedingungsänderungen informiert. »Seit dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom April 2021 holen wir – wie gefordert – vor jeder Änderung aktiv die Zustimmung unserer Kundinnen und Kunden ein«, erklärte Schmid.
Er erinnerte daran, dass die Kreissparkasse Reutlingen zum 1. Januar 2021 ihre Giropreise erhöht hatte. Nach dem BGH-Urteil vom April 2021 sei diese Preisänderung jedoch im September desselben Jahres zurückgenommen worden. Erst nachdem die aktive Zustimmung der Kundinnen und Kunden eingeholt worden sei, sei die Preisanpassung wirksam umgesetzt worden. »Infolge des Urteils haben rund ein Prozent unserer Girokontoinhaber Rückerstattungsansprüche geltend gemacht. Die Erstattungen lagen im Durchschnitt bei etwa zehn Euro pro Kunde. Die Höhe hing jeweils vom Kontomodell und der individuellen Nutzung ab«, berichtete Schmid. Die Kreissparkasse Reutlingen führe rund 100.000 Girokonten für Privatkunden.
Die Volksbank Ermstal-Alb eG (Metzingen) teilte auf Anfrage des GEA mit: »Die nun festgeschriebene Klarheit haben wir in den letzten Jahren bereits proaktiv in unseren Prozessen und Abläufen angewendet.« Die Genossenschaftsbank wies darauf hin, dass sie seit dem Urteil des BGH im April 2021 umfassende Maßnahmen ergriffen habe, um sicherzustellen, dass alle Änderungen der Kontogebühren nur mit ausdrücklicher Zustimmung ihrer Kunden erfolgten. Infolge des Urteils hätten rund 100 Kunden Ansprüche auf Rückerstattung unrechtmäßig erhobener Kontogebühren geltend gemacht: »Wir haben diese Ansprüche sorgfältig geprüft und berechtigte Rückerstattungen umgehend vorgenommen.«
Holger Hummel, Reutlinger Regionalvorstand der Vereinigte Volksbanken eG (Sindelfingen), zu der seit der Fusion im Jahr 2020 auch die ehemalige Volksbank Reutlingen gehört, teilte mit: "Bei der Erstattung von Entgelten haben wir die Verjährungsregelung ohnehin so gehandhabt. Insofern ist das Urteil für uns nicht überraschend. Und es ist erfreulich, dass der BGH nun mit diesem Urteil für Klarheit gesorgt hat." Als Folge des Urteils vom April 2021 habe das Finanzinstitut seine Allgemeinen Geschäftsbedingungen geändert und hole Zustimmungserklärungen der Kunden ein. Es hätten nur "wenige" Kunden Rückerstattung unrechtmäßig erhobener Kontogebühren geltend gemacht, so Hummel: ""Insgesamt weit unter einem Prozent."
Rat: Kontowechsel prüfen
Die Verjährungsfrist beginnt laut BGH-Urteil ab Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Kunde von den zugrunde liegenden Umständen erfahren hat. Konkret ging es beim obersten deutschen Zivilgericht um eine Musterfeststellungsklage des Bundesverbands der Verbraucherzentralen gegen die Berliner Sparkasse, der sich fast 1.200 Kunden angeschlossen hatten. Nach einer Klausel in den Geschäftsbedingungen der Sparkasse galt die Zustimmung der Kunden zu einer angekündigten Änderung der Kontogebühren automatisch als erteilt, wenn sie nicht innerhalb einer bestimmten Frist aktiv widersprachen. Solche Klauseln gab es bei vielen Geldhäusern. Der BGH stellte aber im April 2021 in einem Urteil klar, dass diese Regelung unwirksam ist.
Offen blieb die Frage, wann die Rückzahlungsansprüche verjähren. Die Verbraucherzentrale wollte vor Gericht durchsetzen, dass die Frist erst beginnt, wenn die Verbraucher von der Unwirksamkeit der Klausel erfahren – also frühestens mit dem BGH-Urteil 2021.
Der BGH sah das anders. Es sei für den Beginn der Verjährungsfrist nicht nötig, dass Verbraucher von der Unwirksamkeit der Zustimmungsfiktionsklausel Kenntnis hatten. Verbraucher hätten auch vorher schon Klage erheben können. Die Unwirksamkeit von Zustimmungsfiktionsklauseln beruht auf deren Abweichung vom allgemeinen vertragsrechtlichen Grundsatz, wonach Schweigen zu einer unterbreiteten Vertragsänderung nicht als Annahme anzusehen ist. Dieser Grundsatz ist nicht neu, sondern beansprucht schon seit jeher Gültigkeit.
Entscheidend für die Verjährung ist laut BGH, wann die Ansprüche entstanden. Das sei wiederum nicht schon mit Abbuchung der zu hohen Entgelte vom Konto der Kunden der Fall, sondern erst mit deren Genehmigung der Saldoabschlüsse. Diese Genehmigung liege mit Ablauf einer sechswöchigen Frist vor, innerhalb derer die Kunden noch Einspruch gegen den Saldoabschluss einlegen können.
Insgesamt sind die Banken und Sparkassen trotz des verbraucherfreundlichen BGH-Urteils 2021 glimpflich davongekommen. Einen großen Teil der zu unrecht erhobenen Gebühren können sie wohl behalten. Aus seiner Arbeit als Verbraucherschützer gab Nauhauser zum Thema Kontoführungsgebühren den Rat: »Die meisten Verbraucher müssen für ein gutes Girokonto kein Geld bezahlen.« Ein Kontowechsel sei einfacher als viele dächten – denn Banken seien gesetzlich verpflichtet, beim Wechsel zu unterstützen. Die Verbraucherzentrale habe auf ihrer Homepage eine Kontowechselhilfe. Nauhauser wies darauf hin, dass die Stiftung Warentest regelmäßig einen Überblick über günstige Girokonten biete. (GEA/dpa)