Alles andere wäre eine handfeste Überraschung gewesen und hätte die Märkte extrem verunsichert. Seit einer ganzen Weile hat die Europäische Zentralbank (EZB) den Boden bereitet für ihren nunmehr zweiten Zinsschritt nach unten. Die Inflation ist deutlich gesunken, in der Euro-Zone liegt sie nun ungefähr beim angepeilten Ziel von zwei Prozent, in Deutschland erstmals seit März 2021 sogar darunter. Die Zeit war also reif für diesen Schritt, den die Politik und die Unternehmen ersehnt haben. Denn niedrige Zinsen helfen der lahmenden Konjunktur, weil sich Unternehmen bei den Banken günstiger Geld für Investitionen leihen können.
Des einen Freud, des anderen Leid. Besonders Kleinsparern, die Erspartes auf Tages- und Festgeldkonten liegen haben, tut die Zinssenkung weh. Denn mit der Entscheidung aus Frankfurt sinkt auch der maximale Zinssatz, den sie für ihre Einlagen bekommen können. Sie sind also doppelt gebeutelt, denn sie müssen die Preissprünge der Phase hoher Inflation verkraften, und die Preise steigen ja weiter. Längst nicht bei allen werden die Verteuerungen von Lebensmitteln oder Energie durch höhere Gehälter aufgefangen.
Mit Blick auf die europäische Wachstumsschwäche beziehungsweise die Stagnation in der Bundesrepublik, der größten europäischen Volkswirtschaft, tut die EZB gut daran, diesmal schneller zu reagieren auf die steigenden Preise. Vor der ersten Zinserhöhung war sie zu lange davon ausgegangen, dass es sich bei der Inflation nur um ein kurzzeitiges Phänomen handelt. Ein nicht zuletzt für die Verbraucher teurer Irrtum. Umso wichtiger ist, dass die Zinswende behutsam verläuft.