REUTLINGEN. Als Folge der Coronavirus-Pandemie gibt es erhöhten Gesprächsbedarf zwischen der Kreissparkasse Reutlingen und ihren Firmenkunden, ihren Kreditnehmern für Immobilienfinanzierungen und Geldanlegern. Dies berichten Vorstandsvorsitzender Michael Bläsius und Vorstandsmitglied Martin Bosch dem GEA. Einzelne Kunden seien durch Einnahmeausfälle zwar stark von der Krise betroffen, »aber in Summe betrachtet ist die Lage nach bisherigem Erkenntnisstand beherrschbar«, sagt Bosch. Bläsius sieht das von ihm geführte Haus finanziell, technisch und personell gut aufgestellt, um den Corona-Ausnahmezustand zu bewältigen.
»Wir hatten bisher keine kritische Situation, bei der etwa die Aufrechterhaltung des Zahlungsverkehrs, der Bargeldversorgung oder der Dienstleistungen rund um Wertpapiere gefährdet gewesen wäre«, stellt der Vorstandsvorsitzende fest. Mit 940 Beschäftigten und einer Bilanzsumme von 5,357 Milliarden Euro (31. Dezember 2019) ist die Kreissparkasse das größte Finanzinstitut im Landkreis Reutlingen – und hat in diesem Gebiet in vielen Geschäftsbereichen einen Marktanteil von über 40 Prozent. »Wir bemühen uns daher nach Kräften, dass wir alle – die Kreissparkasse und unsere Kunden – gut durch diese schwierige Zeit kommen«, sagt Bläsius.
Das Geldhaus führt 10 500 Geschäftsgirokonten. Bosch zufolge haben die wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise vor allem Kunden stark getroffen, die im Zusammenhang mit Veranstaltungen tätig sind, etwa im Messebau, in Hotellerie und Gastronomie, aber auch Händler und Friseure, die auf staatliche Anordnung vorübergehend schließen mussten. Viele Mittelständler, etwa Automobilzulieferer und Maschinenbauer, seien besser gewappnet gewesen: »Glücklicherweise trifft uns diese Coronakrise 2020 elf Jahre nach der letzten Krise. Die Unternehmen haben die Zeit genutzt, um Polster aufzubauen. Das ist jetzt Gold wert.«
Bedarf an Krediten
Daher stelle sich die Situation im Großen und Ganzen, im Durchschnitt, »bei unseren Kunden noch nicht wirklich dramatisch dar«, sagt Vorstandsmitglied Bosch. Bei den Wirtschaftskammern beantragte und über die landeseigene L-Bank ausgezahlte staatliche Soforthilfen – einmalige Zuschüsse, die nicht zurückzuzahlen sind – hätten viele Solo-Selbstständige und Kleinunternehmen aber durchaus dringend benötigt. Zudem seien Tilgungsaussetzungen ein wichtiges Mittel zur Entlastung der Liquidität in den Betrieben gewesen. Allein die Kreissparkasse Reutlingen habe 700 Zahlungsaufschübe für ihre gewerblichen Kunden gewährt. »Da geht es um Tilgungsleistungen, die jetzt gestundet sind, von 11,6 Millionen Euro. Die Kunden können für drei bis zwölf Monate ihre Tilgungen aussetzen und müssen in dieser Zeit nur Zinsen zahlen«, erklärt Bosch.
Auf diese Weise entlastet, seien aktuell viele Firmenkunden dabei, ihre künftigen Umsätze, Kosten und Liquiditätsbedarfe zu planen. »Darauf basierend werden dann in etlichen Fällen Kredite beantragt«, berichtet Bosch. Es zeichne sich ab, dass das Sonderkreditprogramm 2020 und ein Schnellkredit der bundeseigenen Förderbank KfW für etliche Unternehmen infrage kämen. Bei diesen KfW-Angeboten sind die Hausbanken zu 80 bis 100 Prozent von der Haftung freigestellt.
Bislang seien erst von Kunden in niedriger zweistelliger Zahl KfW-Mittel beantragt worden. »Wir haben aber Gespräche mit 650 größeren Mittelständlern geführt und wissen daher, dass die Liquidität brauchen und sich derzeit damit befassen. Da wird noch eine Welle nachkommen.« Den Schnellkredit gebe es zudem erst seit einigen Tagen.
Da mit ersten KfW-Mitteln erst Ende Mai zu rechnen sei, werde erwartet, dass die Hausbanken ihren Kunden eine Vorfinanzierung anböten. »Die stellen wir über entsprechende Überziehungslinien auf den Kontokorrentkonten zur Verfügung«, kündigt Bosch an. Für manche Kunden könnten aber auch Kredite der Kreissparkasse attraktiver sein, die etwa beim Abnahmezeitpunkt und bei Sondertilgungsrechten flexibler seien als die Angebote der KfW, merkt Bosch an.
Mit Blick auf die Privatkunden bemerkt Kreissparkassenchef Bläsius: »Durch die Entwicklung an den internationalen Börsen hat sich natürlich etlicher Beratungsbedarf ergeben.« Fragen nach der richtigen Strategie versuche das Finanzinstitut telefonisch zu beantworten – in manchen Fällen, nach vorheriger Absprache, auch im persönlichen Gespräch.
Ein zweites oder ein drittes Team
Für Kunden, die nun mit Kurzarbeitergeld auskommen müssten und bei der Kreissparkasse eine Baufinanzierung laufen haben, könne nun eine Tilgungsaussetzung von drei bis zwölf Monaten in Betracht kommen, weiß Bläsius. Bislang sei dies in 50 Fällen vereinbart worden, fügt Bosch hinzu. »Das ist eine sehr kleine Zahl. Sie ist wohl damit erklärbar, dass die Menschen in den vergangenen vier Wochen ein ganz anderes Ausgabeverhalten hatten als sonst, weil sie nicht in Restaurants gehen und nicht so einkaufen konnten wie sonst«, erläutert er. Die beiden Vorstandsmitglieder gehen daher davon aus, dass es bei den Baufinanzierungen weitere Tilgungsaussetzungen geben werde – je nachdem, wie lange in Einzelfällen die Kurzarbeit anhalte.
Bläsius macht darauf aufmerksam, dass Finanzinstitute auch ohne Corona aufgrund gesetzlicher Vorschriften bestimmte kritische Geschäftsprozesse definieren und sich Gedanken darüber machen müssten, wie man in einem Krisenfall damit umgehe. »Insofern konnten wir jetzt auf eine gewisse Basis zurückgreifen.« Durch die Aufteilung von Mitarbeitern und durch Heimarbeitsplätze sei vorbereitet worden, dass es bei einem Infektionsfall in einem kritischen Bereich ein zweites oder sogar ein drittes Team gebe. »Falls unser Wertdienstleister ausfallen sollte, könnten wir durch eigene Mitarbeiter und durch entsprechende Geldtransporte sicherstellen, dass unsere Automaten immer ausreichend mit Bargeld versorgt sind«, erzählt der Kreissparkassen-Boss.
Zum Schutz von Kunden und Beschäftigten habe das Kreditinstitut etwa einen Monat lang knapp die Hälfte seiner 42 Filialen geschlossen – vor allem dort, wo das Thema Distanz nicht gut lösbar gewesen sei. Von kommendem Montag an sollen die meisten dieser Zweigstellen wieder öffnen – nun oft mit Plexiglaswänden. Impulse zu diesen Wiedereröffnungen seien von Kunden und Beschäftigten gekommen, beantwortet Bläsius eine GEA-Frage und führt aus: »In vielen Fällen schlägt ein finanzielles Thema auf, über das man sprechen sollte. Das geht häufig im persönlichen Kontakt eben leichter als per E-Mail oder am Telefon.« (GEA)

