GÖPPINGEN/REUTLINGEN. Die Keimzelle war eine kleine Schreinerei in Heidenheim. Daraus hat sich seit 1950 eines der größten familiengeführten Einrichtungshäuser Süddeutschlands entwickelt. Sieben Möbelhäuser, vier Küchenarenen und drei Logistikzentren, also 14 Standorte in Baden-Württemberg und Thüringen mit zusammen etwa 1.300 Beschäftigten: Das ist heute die Unternehmensgruppe Möbel Rieger mit Hauptstandort in Göppingen. Sie gehört damit zu den drei führenden Anbietern der Branche in Baden-Württemberg und zu den 20 umsatzstärksten in Deutschland. Im Gespräch mit dem GEA erläutert der geschäftsführende Mehrheitsgesellschafter Benno Rieger die ehrgeizigen Pläne des Unternehmens für das Jahr des 75-jährigen Bestehens – und seine besonderen Bezüge zu Reutlingen, wo es seit 1996 ein Möbelhaus (mit aktuell 93 Beschäftigten) gibt, dessen erster Standortleiter er einst war.
»Für das Jahr 2025 haben wir uns einen Umsatz von über 200 Millionen Euro vorgenommen. Wir wollen also in unserem Jubiläumsjahr gegen den volkswirtschaftlichen Trend und gegen den Trend in der Möbelbranche ein Wachstum erreichen«, sagt Rieger. Zur Einordnung erklärt er, dass die Firmengruppe 2019, im Jahr vor Corona, mit über 230 Millionen Euro ihr bislang umsatzstärkstes Jahr hatte. Dann jedoch sei die Corona-Pandemie mit mehrmonatigen Zwangsschließungen der Möbelhäuser gekommen, zudem der Ukraine-Krieg nebst Inflation und Rezession und deutlichem Rückgang des Wohnungsneubaus: »Möbelhandel war in den vergangenen Jahren schwierig.«
Sieben große Möbelhäuser
Entsprechend ist im veröffentlichten Konzernabschluss der Mutterfirma Möbel Rieger Holding GmbH (Göppingen) für das Jahr 2022 bei einem Umsatz von 192,7 Millionen Euro ein kleiner Verlust ausgewiesen. Den Veröffentlichungen für die Jahre 2023 und 2024 will Benno Rieger nicht vorgreifen. Er berichtet, dass auch diese Jahre nicht einfach gewesen seien. Indes weist er auch darauf hin, »dass wir eine gesunde Firma mit guter Eigenkapitalquote und vergleichsweise wenigen Bankschulden sind«. Lediglich die Küchenarena in Ulm und das Möbelhaus in Reutlingen seien gemietete Objekte. Alle anderen Standorte seien im Eigentum des Unternehmens oder von Familienmitgliedern.
Wenn sich in starken Jahren branchenübliche Umsatzrenditen vor Steuern zwischen drei und fünf Prozent errechnet hätten, seien diese Gewinne größtenteils im Unternehmen verblieben, »um die Qualität der Arbeitsplätze und die gesunde Entwicklung unserer Standorte sicherzustellen«, erzählt der Geschäftsführer und betont: »Als Familienunternehmen zählt Profitmaximierung nicht zu unseren primären Zielen.«
Das 75-jährige Firmenbestehen sei Anlass, voller Dankbarkeit und Demut zurückzublicken, und Ansporn, mit großer Zuversicht in die Zukunft zu gehen. Rieger sagt: »Wir haben uns ein halbes Jahr lang intensiv auf das Jubiläumsjahr vorbereitet, weil wir damit auch eine starke Präsenz nach draußen kreieren wollten.« Fernsehwerbung vor der Tagesschau habe Eindruck bei Kunden hinterlassen und das Wir-Gefühl des Teams gestärkt. Die Schärfung des eigenen Profils und die eingeleiteten Änderungen, ist Rieger überzeugt, werden sich im Abschluss für 2025 niederschlagen: »Da wird ein positives Betriebsergebnis rauskommen.«
Der Onlineanteil mache etwa 5 Prozent des Umsatzes bei Möbel Rieger aus, beantwortet der Firmenchef eine Frage dieser Zeitung. Dies betreffe vor allem Accessoires wie Teppiche, Leuchten und Heimtextilien. »Bei Möbeln tun sich Verbraucher mit dem Onlinekauf schwer. Wer zum Beispiel einen Stuhl oder ein Sofa kauft, will vorher darauf sitzen oder den Stoff fühlen«, erläutert Rieger. Zudem sei ihm natürlich daran gelegen, dass seine sieben großen Möbelhäuser mit insgesamt 240.000 Quadratmetern Verkaufsfläche bewirtschaftet würden: »Wir lieben unsere Kunden, wenn sie zu uns kommen, und wollen sie beraten.«
Benno Rieger, 59 und Enkel des Firmengründers, ist in der Holding gemeinsam mit seinem Vater Franz Rieger, 84, Geschäftsführer. Er leitet das operative Geschäft der Firmengruppe zusammen mit drei angestellten Geschäftsführern: Jacques Kanceljak, 59, ist für Vertrieb und Personalentwicklung verantwortlich, Thomas Behr, 49, für Einkauf und Marketing, und Jürgen Schönicke, 61, für Finanzen und Logistik.
53.000 verschiedene Artikel
Die Möbel Rieger GmbH & Co. KG (Heidenheim/Göppingen) ist als wichtigste am Markt auftretende Tochterfirma für die fünf Möbelhäuser der Gruppe in Baden-Württemberg (in Göppingen, Aalen, Esslingen, Heilbronn und Reutlingen) zuständig. Für die beiden Möbelhäuser in Thüringen (in Grammetal bei Erfurt und in Gera) gibt es gesonderte Tochterfirmen, ebenso für die Gastronomie in den Möbelhäusern und für die Logistikstandorte in Göppingen, Abstatt bei Heilbronn und am Gründungsort Heidenheim. Die Möbelhäuser haben nach Firmenangaben mehr als 53.000 verschiedene Artikel im Sortiment und stehen im Kontakt mit über 300 Lieferanten und Geschäftspartnern.
»Küchen sind mit Abstand unsere stärkste Warengruppe. Auch in Reutlingen sind wir bei Küchen besonders stark«. informiert Rieger. Die Firmengruppe stehe für über 10.000 Küchenaufträge pro Jahr – rund 7.000 komplette Küchen und weitere Aufträge für Ergänzungsteile und Austausch von Elektrogeräten. Da manche Kunden eine Küche nicht bei einem Großflächenmöbelanbieter, sondern bei einem Spezialisten kaufen wollten, habe sich diese Stärke von Möbel Rieger 2004 in der Gründung der Küchenarena GmbH & Co. KG (Göppingen) mit einem etwas anderen Sortiment und mit Standorten in Ulm, Ludwigsburg, Waiblingen und Heilbronn niedergeschlagen.
Benno Rieger, aufgewachsen in Heidenheim, hat schon in den Schulferien im Unternehmen mitgearbeitet. Nach dem Abitur und nach dem Studium in den USA und in Köln mit Abschluss Betriebswirt sammelte er Erfahrungen bei Möbelhändlern im Sauerland und in Passau: »Da habe ich in der Latzhose Möbel ausgeliefert, viel über Verkauf erfahren und meine Frau kennengelernt.« Als junger Mann habe er aber nicht verstanden, warum Renate und Franz Rieger ihn in die Fremde geschickt hätten. »Heute muss ich sagen: Meine Eltern haben das verdammt richtig gemacht.«
Er merkt zudem an: »Mein richtiger Aufschlag im Unternehmen war im Jahr 1996 mit dem damals neuen Möbelhaus in Reutlingen. Ich war dort der erste Rieger-Mitarbeiter auf der Baustelle und habe wochenlang mit einem Kollegen die Ausstellungsware angenommen.« Als Standortleiter habe er damals etwa drei Jahre in der Aulberstraße in Reutlingen gewohnt. »Unsere Tochter ist in Reutlingen auf die Welt gekommen«, erinnert er sich. Seine Tochter ist nun Lehrerin, sein Sohn macht eine Ausbildung bei Rieger in Esslingen. (GEA)