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Aktuell INTERVIEW

Breuninger-Urenkel: »Außerhalb der Vorstellungskraft«

Hans-Alfred Breuninger, Urenkel des Kaufhaus-Gründers, über Geschichte und Zukunft des Unternehmens

Hans-Alfred Breuninger, sein Vater und seine Geschwister schieden im Streit aus dem Unternehmen aus.  FOTO: PIECHOWSKI/LICHTGUT
Hans-Alfred Breuninger, sein Vater und seine Geschwister schieden im Streit aus dem Unternehmen aus. FOTO: PIECHOWSKI/LICHTGUT
Hans-Alfred Breuninger, sein Vater und seine Geschwister schieden im Streit aus dem Unternehmen aus. FOTO: PIECHOWSKI/LICHTGUT

STUTTGART. Die Nachkommen von Eduard Breuninger, dem Gründer der nach ihm benannten Stuttgarter Kaufhauskette, schieden im Jahr 2000 im Streit aus dem Unternehmen aus. Heute halten sie sich bedeckt, wenn es um Breuninger geht. Angesichts der Berichte, wonach die Kaufhauskette verkauft werden soll, gibt der Urenkel von Eduard Breuninger, Hans-Alfred Breuninger, zum ersten Mal ein umfassendes Interview.GEA: Herr Breuninger, Sie sind Hüter des Archivs des Unternehmensgründers Eduard Breuninger und ein intimer Kenner der Familie. Das Unternehmen steht heute zum Verkauf. Was sagen Sie dazu?

Hans-Alfred Breuninger: Ich werde mich diplomatisch äußern. Mir ist an einem guten Einvernehmen mit den Eigentümern gelegen.

Einer der heutigen Verkäufer, Wienand Meilicke, war der Testamentsvollstrecker Ihres Onkels Heinz Breuninger. Wie kam das?

Breuninger: Heinz Breuninger ist 1980 sehr plötzlich im Klinikum München an Krebs verstorben, mit 60 Jahren. Er wollte eine gute Unternehmensstruktur hinterlassen. Bosch war ihm womöglich ein Vorbild. Er wollte mit ruhiger Hand etwas Generationenübergreifendes schaffen. Die beiden heutigen maßgeblichen Eigentümerfamilien Meilicke und van Agtmael hatten nach meiner Einschätzung offenbar schon länger vor, Breuninger zu übernehmen. Heinz Breuningers Tochter Helga, die heute im von Alter 77 Jahren in Potsdam lebt, hat das im Ergebnis mitgetragen. Die Stiftung, die Heinz Breuninger geschaffen hatte, wurde Anfang der 2000er-Jahre aufgelöst. Stiftungsvorstände und Käufer von Breuninger waren dabei dieselben Personen.

Klingt nach Wirtschaftskrimi.

Breuninger: Das kommentiere ich nicht. Aber Wienand Meilicke und Willem van Agtmael waren im Vorstand der Stiftung. Sie haben im Einvernehmen mit der Stiftungsaufsichtsbehörde, dem Regierungspräsidium, 2004 die Heinz-Breuninger-Stiftung aufgelöst, wo bis dato die Mehrheit der Anteile an der Kaufhauskette lagen.

Helga Breuninger hat damals für ihre eigene Stiftung 41,1 Millionen Euro erhalten. Das Gericht sprach von einem »Freundschaftspreis«.

Breuninger: Ja, das scheint der Fall gewesen zu sein.

Heute soll das Unternehmen weit mehr als eine Milliarde wert sein. Das wäre eine gute Rendite.

Breuninger: Ich kommentiere das nicht, ich will da keine Schärfe reinbringen.

Welchen Verlauf hätte die Geschichte genommen, wenn Heinz Breuningers Sohn Günter nicht 1961 bei einem Lawinenunfall im österreichischen Krimml gestorben wäre?

Breuninger: Ich bin mir sehr sicher, dass Günter das Unternehmen übernommen hätte. Ich hätte ihm zugetraut, dass er Breuninger in vierter Generation gut weitergeführt hätte. Er war am Dillmann-Gymnasium, ich auch. Er wurde in Krimml beerdigt. Heinz hat die Gemeinde Krimml anschließend sehr unterstützt, seine Frau Dora hatte über Jahre Kontakt zum dortigen Pfarrer, wohl auch, um Trost zu finden. Günter war das älteste der vier Kinder, er wurde im Sudetenland geboren, dann kamen Katharina, Helga und Margarethe. Mein Onkel Heinz hatte auch eine Textilfabrik in Irland. Günter ist mal mit seiner Mutter hingefahren, es hat geschüttet, Dora wollte nicht Auto fahren, Günter hat das ohne Führerschein übernommen. Er war ein pfiffiger Junge und ein guter Schüler.

Wie war Heinz Breuninger?

Breuninger: Er war ein Autodidakt, Selfmademan, er war länger im Krieg, danach übernahm er den Einzel-, mein Vater den Großhandel. Mein Vater war nicht im Krieg, da gab es schon Rivalitäten. Heinz Breuninger war ein guter Ansprechpartner, aber es war klar, dass keiner sonst in die Firma kommt, auch seine Tochter Helga nicht. In der Firma durfte es nur einen Herrn Breuninger geben. Als ich dort als Student gearbeitet habe, habe ich dies unter einem anderen Namen getan.

Keiner, bis er Willem van Agtmael kennenlernte.

Breuninger: Ja, van Agtmael war eine Art Ersatzsohn, Heinz hat ihm vertraut und viel an ihn delegiert. Günter Breuninger und Herr van Agtmael sahen auch von der Statur ähnlich aus. Beide sind groß und schlank. Auch dies erhärtet die These des »Ersatzsohns«.

Breuninger verfolgte schon früh innovative Konzepte. Wer hatte da den größten Anteil?

Breuninger: An dieser Stelle will ich noch mal die Bedeutung des Lebenswerks von Firmengründer Eduard Breuninger hervorheben. Sein Vater starb in Cherson in der Ukraine. Dort war er, weil er zum Ledergeschäft, das er in Backnang in fünfter Generation führte, einen Pelzhandel aufziehen wollte. Bei seinem Tod war er 46 Jahre alt. Seine Frau hat Eduard Breuninger und dessen neun Geschwister durchgebracht und die Gerberei vergrößert. Die Kinder hatten Freiraum. Eduard lernte Englisch und Französisch. Dieser Kindheit und dieser Bildung ist es sicher zu verdanken, dass Eduard schließlich 1881 in der Münzstraße 1 in Stuttgart den ersten Breuninger-Laden aufmachte. Bei den innovativen Konzepten spielt der Einfluss der USA eine große Rolle.

Das gilt auch für den Enkel Heinz, der Breuninger 1947 übernahm, oder?

Breuninger: Absolut. Heinz war nach dem Krieg ebenfalls öfters dort und hat sich die großen Kaufhauskonzerne angeschaut. Die amerikanische Verwandtschaft hat ihn dabei immer sehr unterstützt. Die Breuninger-Kundenkarte war Folge eines solchen Besuchs, die Confiserie auch.

1980 starb Heinz Breuninger und Willem van Agtmael übernahm die Geschäftsführung. Ihr Vater, Sie und ihre vier Geschwister waren damals mit zehn Prozent am Unternehmen beteiligt. Ihr Familienstamm schied aber 2000 im Streit aus. Wie war das Verhältnis ihres Vaters zu den neuen Breuninger-Eigentümern van Agtmael und Meilicke?

Breuninger: Sehr kühl, wir waren sehr enttäuscht und verletzt. Die nach unserem Ausscheiden eingetretenen Entwicklungen, dass die Stiftungsvorstände und der Testamentsvollstrecker schließlich das Unternehmen übernommen haben und damit die Stiftungsidee meines Onkels konterkariert haben, bestätigte die Motivation unserer jahrelangen Prozesse.

Es heißt, ihr Stamm habe für den Zehn-Prozent-Anteil einen mittleren einstelligen Millionenbetrag bekommen?

Breuninger: Das möchte ich nicht kommentieren. Wenn Sie den Kaufpreis, den damals die Stiftung bekommen hat, mit dem jetzt diskutierten Kaufpreis vergleichen, spricht das aber Bände.

Sie haben davon gesprochen, wie Firmengründer Eduard und sein Enkel Heinz das Unternehmen in der Stadt Stuttgart verankert haben. Welche Zukunft haben sich Eduard und seine Nachkommen aus Ihrer Sicht für Breuninger gewünscht?

Breuninger: Ausgehend von dem historischen Material, das mir vorliegt, glaube ich, dass es für diese Männer außerhalb ihrer Vorstellungskraft lag, dass Breuninger verkauft werden könnte. Heinz wollte genau deswegen eine Stiftungskonstruktion, damit das Unternehmen in neutralen und festen Händen liegt.

Mit welchen Gefühlen lesen Sie nun die Schlagzeilen über den offenbar bevorstehenden Verkauf?

Breuninger: Mein großes Anliegen ist, dass Breuninger als Ganzes erhalten bleibt. Breuninger ist eine Stuttgarter Institution, die mein Urgroßvater aufgebaut hat und die weit über Stuttgart hinaus strahlt. Als Urenkel des Firmengründers ist es mir ein Anliegen, dass diese Institution mit allem, was dazu gehört, für Stuttgart erhalten bleibt. (GEA)

BREUNINGER – VOM EINZELHÄNDLER ZUM KAUFHAUSKONZERN

Drei Generationen Breuningers führten das Unternehmen, bevor es in fremde Hände überging

Leben: Hans-Alfred Breuninger wurde im Februar 1955 in Stuttgart geboren. Mit seinen vier Geschwistern wuchs er in Stuttgart auf und machte Abitur am Dillmann-Gymnasium. Karriere: Er studierte Verfahrenstechnik an der Uni Stuttgart und ergänzte das Studium durch einen MBA an der Insead Business School in Fontainebleau. Seit 2016 betreibt er eine Unternehmensberatung und ist spezialisiert auf 3D-Drucktechnologien im industriellen Umfeld. Unternehmen: Breuninger wurde 1881 von Eduard Breuninger in der Münzstraße 1 in Stuttgart gegründet. Das Einzelhandelsgeschäft wuchs schnell, schon 1888 kam ein weiteres Haus dazu, das 1903 durch einen großzügigen Neubau ersetzt wurde. Fünf Jahre später wurde ein drittes Haus gebaut. Eduard Breuningers Credo lautete: »Durch gute, frische Waren in gediegener Auswahl und Preiswürdigkeit, verbunden mit aufmerksamer, entgegenkommender Bedienung, sich das Vertrauen der Kundschaft zu gewinnen und zu erhalten, soll immer der oberste Grundsatz der Firma sein und bleiben.« Eduard Breuninger starb 1932. Kriegszeit: Eduards Sohn Alfred Breuninger, der 1933 Mitglied der NSDAP geworden war, führte das Unternehmen durch den Zweiten Weltkrieg – und profitierte von Zwangsarbeit und dem Kauf jüdischen Besitzes. Alle Häuser wurden im Krieg zerstört, Alfred Breuninger starb 1947. Neue Blüte: Heinz Breuninger baute das Unternehmen wieder auf, gründete 1968 mit seiner Tochter Helga die Breuninger-Stiftung und eröffnete 1973 und 1980 die Breuningerländer in Ludwigsburg und Sindelfingen. Heinz Breuninger holte Willem van Agtmael ins Unternehmen. Dieser übernahm nach dessen Tod 1980 die Geschäftsführung und kaufte 2003 zusammen mit Wienand Meilicke die Mehrheit am Unternehmen; die Stiftung wurde aufgelöst. (GEA)