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Aktuell Bauwirtschaft

Baufirmen im Land haben volle Auftragsbücher – aber auch viele Probleme

Branchenvertreter in Baden-Württemberg klagen über Materialmangel und Preissteigerungen, Fachkräftemangel und Förderstopp.

Bauarbeiter sind gefragt: Projekt »Blue Village« in Reutlingen. FOTO: PIETH
Bauarbeiter sind gefragt: Projekt »Blue Village« in Reutlingen. Foto: Frank Pieth
Bauarbeiter sind gefragt: Projekt »Blue Village« in Reutlingen.
Foto: Frank Pieth

STUTTGART. Der Baubedarf im deutschen Südwesten ist hoch: Es fehlen Wohnungen; Straßen und Brücken sind sanierungsbedürftig; und manche Firma will ihre Fertigung erweitern. Trotz voller Auftragsbücher hat die Bauwirtschaft Baden-Württemberg indes Gründe zur Klage. Ihr Verbandspräsident Markus Böll berichtete bei einem Pressegespräch, die Knappheit bei Baustoffen führe zu hohen Preisen. Dies erschwere die Kalkulation von Aufträgen. Der Anfang dieser Woche vom Bundeswirtschaftsministerium verkündete vorläufige Förderstopp für energieeffiziente Gebäude verunsichere bauwillige Investoren. Böll und Thomas Möller, Hauptgeschäftsführer des Verbands, schätzen zudem, dass der Baubranche im Land derzeit über 10 000 Fachkräfte fehlen. Vizepräsident Mathias Waggershauser kritisierte die zögerliche Auftragsvergabe der Straßenbauverwaltung.

Die extremen Preissteigerungen der vergangenen Monate sind Böll zufolge auf Lieferschwierigkeiten bei Baumaterialien bei gleichzeitig weltweit gestiegener Nachfrage zurückzuführen. Der Bauunternehmer aus Schriesheim bei Heidelberg sagte: »Wir sind leider gezwungen, die Preiserhöhungen an unsere Kunden weiterzugeben.« Allein im Wohnungsbau habe der Preisanstieg im November 14,5 Prozent betragen, im Straßenbau seien es 5,7 Prozent gewesen. Die Preisentwicklungen bei Energie, Stahl, Holz, Beton und Dämmstoffen habe er vor Augen, wenn er fürs laufende Jahr eine Preissteigerung auf dem Bau insgesamt von 10 Prozent erwarte. »Das ist nicht förderlich, um das Ziel zu erreichen, bezahlbaren Wohnraum herzustellen«, sagte Böll. Den Bauunternehmen habe dies 2021 zu schaffen gemacht, weil Bauverträge teilweise auf einer anderen Preisgrundlage fußten – nun seien Preisgleitklauseln in den Verträgen enthalten.

Das vom Bund bekannt gegebene vorläufige Aus bei der Unterstützung für energieeffiziente Gebäude erschüttere das Vertrauen in die Politik. Es wurde mit drohenden Mehrausgaben in Milliardenhöhe begründet, die im Haushalt nicht eingeplant seien. Böll bemerkte dazu, die Politik fordere Fotovoltaik, Wärmepumpen, Erdwärme und verbesserte Gebäudedämmungen: »Klimawandel funktioniert aber nicht zum Nulltarif.« Der Förderstopp erzeuge ein Vakuum.

Der massive Preisauftrieb habe die 2021er-Bilanz der Branche im Land getrübt, erklärte der Präsident. Der Umsatz der betriebe mit 20 und mehr Beschäftigten sei von Januar bis November gegenüber dem Vorjahreszeitraum lediglich um 0,8 Prozent auf 12,9 Milliarden Euro gestiegen. Fürs laufende Jahr rechne er mit einem preisbereinigten Umsatzplus von einem Prozent. Dies liege am guten Auftragseingang, der von Januar bis November 2021 gegenüber Vorjahr über alle Sparten um 15,8 Prozent auf 11,7 Milliarden Euro gestiegen sei.

Kritik an Autobahn GmbH

Es fehle aber an Fachkräften, um diese Aufträge abzuarbeiten, erklärten Böll und Möller. Sie hoffen darauf, dass das geplante Zuwanderungsgesetz helfe, das Problem zu lindern. Entsprechende, bereits vorhandene Qualifizierungsprogramme sollten gegebenenfalls berücksichtigt werden, weil viele potenzielle Bewerber aus dem Ausland die hohen Anforderungen in Deutschland nicht erfüllten. Müller gab zu bedenken: »Um die 40 Prozent der Arbeitskräfte auf dem Bau gehen in den nächsten zehn Jahren in Rente.«

Vizepräsident Waggershauser, Bauunternehmer aus Kirchheim/Teck, rügte: »Die Autobahn GmbH des Bundes ist mehr mit sich selbst beschäftigt, anstatt Projekte auszuschreiben.« Generell habe er bei der Straßenbauverwaltung den Eindruck, dass diese die Schwierigkeit habe, Personal zu gewinnen. Die Politik sollte an dieser Stelle daher etwas mehr in Fachleute investieren, schlug er vor. (rog)