MÜNSINGEN. »Ich stand oft stundenlang vor dem Spielwarengeschäft Rein in Ehingen und bestaunte Schaustücke, Dioramen mit Dörfern und Landschaften, bevölkert mit bewegten Stofftieren«, schildert Edgar Braig eine Kindheitserinnerung. Die Stofftiere waren von Steiff, und entworfen hatte sie sein Verwandter Helmut Braig, der in diesem Jahr seinen hundertsten Geburtstag gefeiert hätte. Gestorben ist der in Allmendingen geborene und in Giengen an der Brenz groß gewordene Künstler im Alter von 90 Jahren. Geschaffen hat er im Brotberuf als Designer Stofftiere, als freier Künstler eine Vielzahl von Bildern, Plastiken und Zeichnungen, aber auch Filme. Unter dem Titel »Helmut und Edgar im Unterholz der schönen Künste« hat sich Edgar Braig auf die Suche nach Lebensspuren seines Verwandten gemacht, die Ergebnisse zeigt er Anfang Dezember zwei Wochen lang im Münsinger Kultspace.
Offene Werkstatt im Kultspace
»Im Unterholz der schönen Künste« begegnen sich der Münsinger Künstler Edgar Braig und sein Verwandter Helmut Braig. In einer offenen Werkstatt im Münsinger Kultspace zeigt Edgar Braig das Ergebnis seiner Recherchen und baut aus Helmuts Kunst und seiner eigenen eine raumgreifende Installation. Das Thema Ameisen zieht sich dabei wie ein roter Faden durch das gesamte Projekt. Während der Ausstellung ist auch die »Natur-Kultur-Aktie« erhältlich, ein Handdruck in limitierter Auflage, den Braig zugunsten der Stadt Münsingen verkauft. Von 1. bis 17. Dezember ist Braig im Kultspace, Uracher Straße 5, in Münsingen anzutreffen: mittwochs bis freitags immer von 9 bis 13 Uhr und von 15 bis 18 Uhr, samstags zwischen 9 und 13 Uhr und sonntags von 14 bis 18 Uhr. Eine Midisage - eine Eröffnung mittendrin - wird am Freitag, 8. Dezember, ab 17 Uhr gefeiert. Am Vorabend, am 7. Dezember also, stellen Braig und Yannik Krebs vom Kulturamt der Stadt Münsingen das Projekt »Natur-Kultur-Aktie« ab 18.30 Uhr vor. (ma)
Ins Zentrum stellt Edgar Braig, der in Ehingen aufgewachsen ist, seit Jahrzehnten in Münsingen lebt und als Kunsterzieher am Gymnasium tätig war, einen Film: 1959 schrieb und produzierte Helmut Braig den »Ameisenkrieg«. In seinem Puppentrickfilm mit rund 250 in Kautschuk gegossenen Ameisen verarbeitete der Kriegsveteran seine traumatischen Erfahrungen und verband sie mit einer pazifistischen Botschaft. 1963 wurde der 14-minütige Kurzfilm, der eigentlich für Kinder gemacht ist, zum ersten Mal im deutschen Fernsehen gezeigt. Besuchern der offenen Werkstatt zeigt er den Film jederzeit auf Wunsch. Das gilt auch für eine Dokumentation über Helmut Braigs Leben in einem Waldhaus ohne fließendes Wasser und Strom: »Waldleben« hat Stelios Karampasis seinen Film genannt. Karampasis wuchs in der Nachbarschaft von Helmut Braig auf und bekam von ihm seine erste Kamera geschenkt - sie war der Grundstein für den Berufsweg als Kameramann.

Ein ganzes Heer von Ameisen macht auch Edgar Braig zu Hauptdarstellern - allerdings nicht im Film, sondern in einer raumgreifenden Installation, mit der er das Kultspace füllen will. Mindestens drei große Dioramen, jedes davon etwa viereinhalb Meter breit, sollen in den beiden Werkstatt-Wochen entstehen. Dafür stellt er Ameisen her und arrangiert sie in verschiedenen Szenen. Hinzu kommt eine große Einzelskulptur: eine riesenhafte Ameisenkönigin aus einem ausgehöhlten Stamm, der einem Sarkophag gleicht und mit Ameisenpuppen gefüllt ist. Die Bedrohung der Natur ist ein Thema, auf das Braig die Besucher seiner offenen Werkstatt mit den Mitteln der Kunst hinweisen will.

Deshalb verbindet er mit seinem Projekt auch eine Benefiz-Aktion für die Stadt Münsingen: Hinter der »Natur-Kultur-Aktie« verbirgt sich ein Druck in limitierter Auflage. Etwa 70 Exemplare will Braig von seiner Grafik - selbstredend zeigt auch sie eine Ameise - an einer alten Druckerpresse herstellen. Jedes davon ist ein handgefertigtes Unikat, das für 50 Euro verkauft wird und in den Spendentopf für die Stadt wandert. Für was die Kommune das Geld ausgeben könnnte? Braig hat da schon die eine oder andere Idee. Unterstützt könnten nicht nur Projekte wie beispielsweise die fürs kommende Jahr geplante Sonderausstellung mit Werken des Künstlers Lothar Schall in der Zehntscheuer, sondern auch Naturschutzprojekte. Denn die reale Ameise jenseits der Kunstwelt, weiß Braig, ist eine vom Artensterben bedrohte Spezies. (GEA)