MÜNSINGEN. »Das wird die bisher größte Aktion, die wir je gemacht haben«, freut sich Svenja Große-Kleffmann vom Tierschutzverein »Mensch und Tier« (MuT). Zu Recht: In der zweiten Aprilwoche ist die bisher größte Einfangaktion frei lebender Katzen rund um Münsingen geplant.
»Mit 100 Helfern möchten wir in dieser Woche bis zu 1.000 Katzen kastrieren«, erklärt die Vorsitzende des Vereins. Seit Oktober vergangenen Jahres laufen die Planungen, damit im April alles klappt. Mit im Boot sind – neben vielen freiwilligen Helfern und Fahrern – Tierärzte aus dem Ermstal und aus Münsingen sowie die Stadt selbst. »Wir spüren die Zunahme der wild lebenden Katzenpopulation und das Leid, das daraus resultiert«, sagt Bürgermeister Mike Münzing. »Trotz der Bemühungen der Tierschutzvereine, im Besonderen des Tierschutzvereins Münsingen in den letzten Jahrzehnten, aber auch des Engagements des Tierheims in Reutlingen, konnte man die Population der Katzen leider nicht regulieren.«
Zahlreiche Hotspots
Svenja Große-Kleffmann erlebt Tag für Tag, was das für die Tiere bedeutet. »Viele leiden besonders in der Winterzeit unter Katzenschnupfen, Lungenentzündungen und Zahnentzündungen. Oft können die Tiere nicht mehr fressen, sodass sie verhungern.« Und das unter quälenden Schmerzen.
Das Tierleid vervielfältigt sich, wenn die Katzen Nachwuchs bekommen – wegen des Klimawandels und des wärmeren Wetters mittlerweile schon dreimal im Jahr. Auf die Jungen wartet ein hartes Leben, oft geprägt von schweren Krankheiten, wie im Fall der kleinen Feline. »Sie kam im Juni zu mir, und es ging ihr eigentlich ganz gut«, berichtet die Tierschützerin. »Und plötzlich lag sie im Sterben.« Der Grund: FIP. Die Infektionskrankheit, die nur Katzen befällt, löste bei Feline eine Hirnhautentzündung aus. »Sie konnte nicht mehr laufen noch sich irgendwie bewegen.« Mit viel Geduld päppelte die Tierschützerin das Kätzchen auf.

Wie Feline geht es vielen jungen Katzen. Sie leben mit ihren Krankheiten oft versteckt in irgendwelchen Schuppen, Garagen oder unter Holzbeugen. Sie möchte der Verein im April aufspüren, um ihnen ein Leben ohne Schmerzen zu ermöglichen, ein Zuhause für sie zu finden und die Endlosschleife des Katzenleids zu beenden. »Uns war schnell klar, dass eine Katzenverordnung allein nicht ausreicht«, sagt Münzing. »Es braucht schon ein ›Brechen der Populationswelle‹, um den Kern zu treffen.« Und deshalb werden in der Woche vom 7. bis 11. April die Ärmel hochgekrempelt.
»Wir haben schon 40 Hotspots mit frei lebenden Katzen rund um Münsingen gemeldet bekommen«, erzählt Svenja Große-Kleffmann. »Die überprüfen wir jetzt alle und versuchen zu ermitteln, wie viele Katzen dort leben.« In der Aktionswoche fahren die Helferteams dann an die gemeldeten Plätze, wo sie Lebendfallen mit Futter und Wildtier-Kameras aufstellen. Geht eine Katze in die Falle, wird sie vom Fang-Team in die Hallen des städtischen Bau- und Forsthofs auf der Hopfenburg gebracht. »Tierärzte können die Tiere dort mit tragbaren Ultraschallgeräten untersuchen.«
Sie stellen fest, ob eine Katze trächtig ist oder sogar schon Junge säugt. Ist Letzteres der Fall, geht erneut ein Fang-Team, diesmal samt Spürhund, an die Fundstelle, um auch die Kleinen einzufangen.
Schulung im Fallenstellen
Über 100 Pflegestellen sind schon in Wartestellung, um Katzenfamilien oder trächtige Mamas aufzunehmen. Alle anderen Tiere werden direkt zur Kastration oder zur Versorgung von Verletzungen oder Erkrankungen in die Tierarztpraxen gebracht. Die schränken in dieser Woche ihren Regelbetrieb ein, mit dabei sind Tierärzte in Dettingen, Bad Urach, Dottingen, Münsingen und Metzingen.
Sind die Tiere kastriert und tätowiert, werden sie vermittelt oder wieder am Fundort ausgesetzt, wo Futterstellen für sie eingerichtet werden. »Alle kranken Tiere werden aber zuerst auf Pflegestellen gesund gepflegt.«
Im März organisiert der Verein »Mensch und Tier« eine Schulung für die freiwilligen Helfer in der Zehntscheuer in Münsingen. Hier lernen sie zum Beispiel, wie man Lebendfallen bedient. »Jedes Fang-Team bekommt einen Profi aus unserem Verein an die Seite«, so Svenja Große-Kleffmann. Die Stadt Münsingen hilft mit Personal, Fahrzeugen sowie finanzieller Beteiligung und versucht, auch Schulen in die Aktionswoche einzubinden. Sie übernimmt auch den Austausch mit den betroffenen Grundstückseigentümern, auf deren Höfen sich Katzenpopulationen gebildet haben. »Es geht darum, die Menschen nicht anzuklagen, sondern auf deren Vernunft, Engagement und Unterstützung zu setzen. Wir möchten, dass ohne Druck Verantwortung übernommen und ein Bewusstsein geschaffen wird«, so Münzing. »Ich freue mich, wenn wir als Älblerinnen und Älbler wieder einmal beweisen können, dass wir zusammenstehen, wenn es darum geht, unsere Probleme zu lösen.«
Für die Katzen bedeutet die zweite Aprilwoche dank der vielen Helfer mit etwas Glück den Start in ein neues Leben, wo es immer Futter, ein warmes Plätzchen zum Schlafen und liebe Menschen gibt, die sich um sie kümmern. (GEA)
UNTERSTÜTZER GESUCHT
Wer die Aktionswoche mit Fahrten oder in den Fang-Teams unterstützen möchte, eine Pflegestelle anbieten kann oder die Aktion mit Spenden unterstützen möchte, kann sich beim Verein »Mensch und Tier« melden. (GEA) 0163 2603569 www.tierschutzverein-mut.de