GAMMERTINGEN. Ärzte für den Dienst auf dem Land zu gewinnen ist nicht einfach. Den Nachwuchs zieht es eher in Facharztzentren, gerne auch im lukrativeren städtischen Raum. Das kann zu einer massiven Unterversorgung mit Medizinern im ländlichen Raum führen: Laut einer Studie der Robert-Bosch-Stiftung aus dem Jahr 2023 werden bis zum Jahr 2035 in Deutschland rund 11.000 Hausarztstellen unbesetzt sein. Fast 40 Prozent der Landkreise könnten unterversorgt sein.
Im Landkreis Sigmaringen ist diese Situation bereits Realität. Im Zulassungs-Mittelbereich Sigmaringen liegt der Versorgungsgrad der hausärztlichen Versorgung derzeit nur bei 79 Prozent. Dies bedeutet, dass hier bereits jetzt 13 zusätzliche Hausärzte benötigt werden.
13 Hausärzte fehlen bereits
Auch bei den Hausärzten verabschieden sich die geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand, im Mittelbereich Sigmaringen sind 51,4 Prozent der Hausärzte über 60 Jahre alt. Im gesamten Land Baden-Württemberg liegt der Anteil der Hausärzte laut Kassenärztlicher Vereinigung bei nur 38,7 Prozent. Bei den Fachärzten sieht es nicht besser aus, im Kreis Sigmaringen sind aktuell nicht alle Stellen beispielsweise für Frauenärzte, Hals-Nasen-Ohren-Ärzte, Hautärzte und Kinderärzte besetzt.
Es besteht also Handlungsbedarf, erläuterte Bürgermeister Andreas Schmidt im Gammertinger Gemeinderat. Die Gemeinden könnten das nicht allein stemmen, Lösungen sollten im kommunalen Verbund entwickelt werden.
Ein Mittel wäre ein Stipendienprogramm, das angehende Medizinstudierende frühzeitig für ländliche Regionen interessieren soll. Neben der finanziellen Unterstützung erhalten die Studierenden die Möglichkeit, Praktika und Famulaturen in den Praxen der teilnehmenden Gemeinden sowie in den Krankenhäusern in Sigmaringen und Albstadt absolvieren zu können. Dieser Aspekt stieß im Gemeinderat auf viel Zustimmung.
Darüber hinaus wird jedem Studierenden ein ärztlicher Mentor aus der Region zur Seite gestellt. Durch die persönliche Betreuung und die praktischen Erfahrungen vor Ort sollen die Studierenden erleben, dass eine medizinische Versorgung auf hohem Niveau auch im ländlichen Raum möglich ist. Und wer nicht gleich bleibt, kommt ja vielleicht später zurück, die gewonnen Kontakte schaden auf keinen Fall.
Was kostet der Spaß? Jede Kommune – mit dabei sind voraussichtlich neben Gammertingen Veringenstadt, Neufra, Hettingen, Bitz, Winterlingen, Burladingen und Trochtelfingen – beteiligt sich an dem gemeinsamen Stipendienprogramm mit 1 Euro je Einwohner – also für Gammertingen rund 6.300 Euro – verpflichtend auf sechs Jahre. Mittelfristig soll die Kooperation der beteiligten Kommunen in eine Stiftung überführt werden.
Start zum Wintersemester 2025
Der Gemeinderat Gammertingen hat sich in seiner letzten Sitzung in diesem Jahr entschlossen, beim Programm mit zu machen. Falls alle Kommunen mitziehen, wird Anfang kommenden Jahres eine Kooperation unterzeichnet, dann werden die Kriterien zur Vergabe eines Stipendiums erarbeitet. Die Vergabe der ersten Stipendien könnte bereits zum Wintersemester 2025 erfolgen. »Es macht Sinn, das Geld in die Hand zu nehmen«, kommentierte Rat Gerhard Jaudas. Der Gemeinderat habe sich schon in der Vergangenheit mit dem Thema beschäftigt, »bisher konnten wir es aber nicht anstoßen.«
Das Thema Stipendien wurde bereits im April im Gremium besprochen. Das sei genau der richtige Ansatz, meinte Ullrich Eidenmüller, der für die Region die Ärzteversorgung untersucht hatte: »Den Fuß in die Tür bekommen bei den jungen Ärzten, die sich noch nicht festgelegt haben.« Wo die künftigen Hausärzte sich dann niederlassen, ob in Gammertingen oder Bitz, spiele letztlich keine Rolle, »Hauptsache erreichbar«, sagt Rat Wolfgang Lieb.
Bei einem weiteren Tagesordnungspunkt ging es ebenfalls um die medizinische Versorgung. Das Haus- und Facharztzentrum Laucherttal benötigt ein Sonografiegerät für den Standort Gammertingen. Die Anschaffungskosten belaufen sich auf rund 30.000 Euro, Gammertingen wird die Investition mit einem Zuschuss in Höhe von 15.000 Euro unterstützen. Das alte Sonografiegerät ist bereits 14 Jahre alt und »steigt immer öfter aus«, erklärte Dr. Johannes Bader vom Ärztezentrum. Auch die Qualität der Aufnahmen sei mittlerweile deutlich besser. Sonografie wird von den Kassen bezahlt, vom Zuschuss profitieren also alle Gammertinger, so Bürgermeister Schmidt. (wu)