ENGSTINGEN. Engstingens Klimaschutzmanager Philipp Frenz hat dem Gemeinderat seinen Klimaschutzbericht vorgestellt. Das Werk umfasst über 140 Seiten, ein Rundumschlag zwischen Klimaschutz auf Ebene der Vereinten Nationen bis zu Einzelmaßnahmen, die die Gemeinde anpacken kann, um dem Ziel Baden-Württembergs, bis 2024 klimaneutral zu werden, näherzukommen. »Der Bericht hat mich erstmal erschlagen«, sagte Rat Samir Halabi», dass musste man ja alles lesen.«
In Frenz' Bericht werden die Räte in Zukunft noch öfter blättern müssen, können oder dürfen. Denn aus dem Bericht allein erwachsen noch keine Maßnahmen - die muss der Rat in den kommenden Monaten oder auch Jahren im Einzelnen beschließen. Frenz hat seinen Bericht bezogen auf Engstingen in drei große Kapitel gegliedert: Die Ist- und die Potentialanalyse und abschließend in einen Reduktionspfad hin zur Klimaneutralität und Vorschlägen für konkrete Maßnahmen.
Mehr eigener Strom als gebraucht wird
Worum geht es eigentlich? Das Klimaschutz- und Klimawandelanpassungsgesetz, beschlossen im Februar 2023, verpflichtet Kommunen, ihren Energieverbrauch zu erfassen. Und nicht nur den der kommunalen Liegenschaften sondern aller Sektoren: Gewerbe, Landwirtschaft, private Haushalte, Verkehr und den der Gemeinde selbst. Engstingen muss seinen Klimaschutzbericht zum Ende des Monats abliefern. Bürgermeister Mario Storz und der Gemeinderat hatten daraufhin schnell reagiert und einen Klimaschutzmanager, eben Philipp Frenz, eingestellt, zu 100 Prozent gefördert vom Bund, vorerst auf zwei Jahre. Frenz hat zum 1. September 2023 seine Stelle angetreten und war damit einer der ersten Klimaschutzmanager im Landkreis. Ende August läuft die Förderung seiner Stelle voraussichtlich aus.
In der Ist-Analyse hat Frenz zunächst erhoben, wo die Gemeinde steht. Nicht schlecht, wurde klar: Bei den meisten Indikatoren liegt Engstingen im grünen oder gelben Bereich, ist also besser als der Bundesdurchschnitt. Und das vor allem in den Bereichen, in denen die Gemeinde selbst aktiv werden kann, wie Rat Samir Halabi hervorhob. Bei den Privaten und im gewerblichen Bereich gibt es aber noch einiges zu tun. Auch beachtlich: Es wird schon jetzt mehr Strom aus erneuerbaren Energien - Photovoltaik und Biomasse - erzeugt als verbraucht. Bis 2028 sollen die drei von Windkraft Schonach projektierten Windräder ans Netz gehen, dann wird Engstingen erst recht zum Strom-Exporteur. Im Schnitt verbraucht jeder der 5.270 Einwohner pro Jahr 21,4 Megawattstunden an Energie - nicht nur Strom, auch Heizöl, Sprit, Gas - und setzt 5,9 Tonnen CO2 frei. Damit liegen die Engstinger gut unter dem Bundesdurchschnitt von 30,1 Megawattstunden pro Kopf im Bundesdurchschnitt. Was natürlich auch daran liegt, dass die Industrie hier eine geringere Rolle spielt. Bilanzjahr ist das Jahr 2019, vor der Corona-Krise mit all den Einschränkungen.
Wo wird Energie verbraucht? Den größten Anteil bestreiten mit 42 Prozent die privaten Haushalte, der Verkehr - zwei Bundesstraßen! - steuert 29 Prozent bei, Gewerbe und Industrie 26 Prozent, die Kommune selbst drei Prozent. Für Wärme geht 56 Prozent der Energie drauf, hier ist Öl immer noch der Hauptenergieträger. Die Gemeinde ist bereits dabei, den Energieverbrauch und den CO2-Ausstoß zu verringern, auch auf Basis der Arbeit von Frenz. Bürgermeister Storz führte das Beispiel Straßenbeleuchtung an, bei der Umstellung auf LED-Systeme kommen ökologische und ökonomische Ziele zusammen: Wo weniger verbraucht wird, muss auch weniger bezahlt werden. Auch in anderen Bereichen ist die Gemeinde aktiv, von der Installierung von Photovoltaikanlagen, wenn nicht Dachlastenauflagen dazwischen grätschen, bis zur besseren Dämmung von Schulen oder dem Rathaus. Ökologie und Ökonomie verbinden müsse auch der Weg sein, um Gewerbe und Private zum Umstieg zu bewegen, sagte Storz, »mit Zwang wird es nicht gehen«. Also Anreize schaffen, Vorteile aufzeigen, beraten und in der Kommune mit gutem Beispiel vorangehen.
Für den Verkehr kann Engstingen nichts
Im Verkehr ist auch der Durchgangsverkehr enthalten, das zeigt beispielhaft, dass die Gemeinde allein nur eine begrenzten Handlungsspielraum hat. Was geht, hat Frenz zusammengetragen und dabei auch die Vorschläge, die von den Bürgern bei der Informationsveranstaltung im November in der Bloßenberghalle gemacht wurden. Dabei kam ein eindrucksvoller, praktisch umsetzbarer Maßnahmenkatalog heraus. Darunter sind Beratungsangebote in Sachen Energieeffizienz für Sportstätten und Vereinsheime oder, gerichtet an Landwirte, für Agri-Photovoltaikanlagen, hochgeständerte Anlagen also, unter denen Flächen weiter bewirtschaftet werden können. An die Bürger richtet sich die »Energiekarawane«, eine fortlaufende Beratung zu Hause zur Identifikation von Energieeinsparpotentialen. Nicht alle vorgeschlagenen Maßnahmen werden greifen: E-Bike- und Scootersharing gab es in Engstingen ja schon, wurde mangels Nachfrage aber wieder eingestellt, erinnerte Bürgermeister Storz: »Wenn ein Angebot nicht angenommen wird, verschwindet es wieder. Klimaschutz geht uns alle an.« Eine ausdrückliche Priorisierung hat Frenz nicht vorgenommen, nur Zeiträume für die Umsetzung vorgeschlagen. Rätin Daniela Halder regte an, schnell realisierbare Vorhaben auch schnell anzugehen und nannte als Beispiel die Schaffung von mehr Grünflächen nebst mehr Bäumen.
Mit den Maßnahmen wird sich der Gemeinderat im Einzelnen befassen. Eines ist dem Bürgermeister sofort wichtig: Immer wieder darauf hinzuweisen, was Engstingen bereits geleistet hat auf dem Weg zur klimaneutralen Kommune. »Wir verkaufen uns unter Wert, dass hat sogar die Klimaagentur Reutlingen beim Vor-Ort-Termin festgestellt.« (GEA)