GOMADINGEN/MÜNSINGEN. Politische Spaltung, Rezession, gesellschaftliche Verunsicherung. Es sind nicht die besten Zeiten – für Deutschland, für Europa, für die ganze Welt. Die Lage ist ernst. Viel zu ernst für das übliche Wahlkampfgeplänkel. Statt Sticheleien stehen Sachthemen auf der Agenda. Michael Donth, der seit 2013 im Bundestag sitzt, hat den prominentesten Gewährsmann an seiner Seite, den man als CDU-Mann in Baden-Württemberg haben kann: Thomas Strobl, Innenminister und stellvertretender Ministerpräsident. Man kennt sich von früher aus dem Bundestag. Und man mag und schätzt sich ohne Zweifel. »Do hend se an Guada, er vertritt die Alb, seine Heimat, mit großem Engagement«, sagte Strobl über Donth vor den Zuhörern im Münsinger Gasthaus Herrmann. Dort hielt er einen Vortrag über innere Sicherheit und Digitalisierung, rund 40 Leute hörten zu – politisch Interessierte mit und ohne CDU-Parteibuch, mit und ohne Gemeinderatsmandat.
Vor den Termin in Münsingen hatte Donth einen im Wahlkampf eher ungewöhnlichen Programmpunkt gesetzt: Er führte Strobl zur Gedenkstätte Grafeneck, wo an die Ermordung von 10.654 Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen durch die Nazis erinnert wird. Strobl, der zum ersten Mal in Grafeneck war, zeigte sich beeindruckt. »Erinnerung ist wichtig – nicht nur wegen der Vergangenheit, sondern vor allem auch wegen der Gegenwart und Zukunft. Nichts ist selbstverständlich, der Frieden nicht, die Freiheit nicht, die Demokratie nicht.« Donth setzte einen gemeinsames, verbindendes Motto über die beiden Termine des Abends: »Es geht um die Würde des Menschen, die uns gerade alle beschäftigt.«
»Jeder darf sich darauf verlassen: Wir werden nicht mit der AfD koalieren«
Auf diesen Aspekt ging auch Strobl in seinem Referat ein. Er thematisierte »die größte Personaloffensive in der Geschichte der Landespolizei«, in den vergangenen Jahren habe man rund 12.000 junge Polizisten eingestellt. Nicht nur sie, sondern auch Feuerwehrleute und Rettungskräfte – darunter viele im Ehrenamt, das Strobl lobte – sind Säulen der inneren Sicherheit. Dass die Menschen, »die abends den Löffel in die Suppe fallen lassen, um anderen zu helfen« zunehmenden Attacken und grundloser Aggression ausgesetzt sind, sieht der Innenminister mit großer Sorge: »Wie krank muss man sein, um Pflastersteine auf Rettungswagen zu schmeißen und ein Filmle für TikTok davon zu machen?« Eine rhetorische Frage, die nicht nur mit Worten, sondern vor allem auch mit Taten zu beantworten ist: Er sei Donth dankbar, dass er mit dafür gesorgt habe, dass das Strafrecht diesbezüglich verschärft wurde. »Aber da müssen wir eventuell noch mal ran, die Abschreckungswirkung ist noch nicht stark genug«, fürchtet Strobl.
Rügen für die Ampel
Der 64-jährige Heilbronner blickt auf eine lange politische Karriere auf allen Ebenen von der Kommune übers Land bis hin zum Bund zurück. Der abgewählten Regierung stellt er kein gutes Zeugnis aus: »Ich hätte es mir nie vorstellen können, dass man ein Land so schlecht regiert«, rügte er die gescheiterte Ampel, die ihre Energie darauf verwendet habe, »untereinander zu zerfen. Das ist verantwortungslos«. Raus aus der Rezession, die Menschen, wünscht sich Strobl, sollen keine Angst mehr um ihre Arbeitsplätze haben. Wohlstand ist für ihn kein Luxus, sondern ein Stabilisator der Demokratie. Von der Bundesregierung wünsche er sich, vor allem auch mit Blick auf die Wirtschaft, Verlässlichkeit, Vertrauen und Planbarkeit. Baden-Württemberg sieht er in der Vorbildrolle: »Das klappt hier seit acht Jahren mit einem Partner.«
»Das Wichtigste ist, dass wir wieder eine handlungsfähige, verlässliche Regierung bekommen.« Diese Botschaft gaben Strobl und Donth gemeinsam aus. Donth griff ein Zitat von Strobls Schwiegervater Wolfgang Schäuble auf: »Wenn die CDU regiert, muss das innerhalb kürzester Zeit für die Menschen spürbar sein. Wir müssen klar machen, wofür die CDU steht und den Bürgern zeigen, was aus unseren Versprechen wird. Arg viele Versuche haben wir nicht mehr«, mahnte Donth, »was passieren kann, sehen wir in Frankreich. Wir müssen Probleme zeitnah aufgreifen und liefern, nicht streiten, sondern handeln.«
Eiskratzer für klare Kanten
Diese Absicht spiegelt sich dann doch auch ein bisschen in den Wahlkampf-Devotionalien, die es wie immer gibt, die aber nicht im Vordergrund stehen. Für Thomas Strobl gab’s den blauen Donth-Schal, für alle anderen Bieröffner für den Schlüsselbund und Eiskratzer. Letztes Mal war Wahlkampf im Sommer, Donth hat Grillzangen mit der Aufschrift "Donth packt’s an" verteilt. Dieses Mal gibt’s, passend zur Jahreszeit, Eiskratzer. "Klare Kante, klare Sicht", steht darauf. Klare Kante zeigt Donth im Umgang mit der AfD: »Jeder darf sich darauf verlassen: Wir werden nicht mit der AfD koalieren«, betonte er im GEA-Gespräch.
Der CDU-Mann, der vor seiner Bundestagskarriere Bürgermeister in Römerstein war, beobachtet die zunehmende Radikalisierung der AfD unter Alice Weidel mit Sorge. Das Wahlversprechen, alle Windräder abzureißen, und Weidels Sympathisieren mit Donald Trump und Elon Musk sind für ihn alarmierende Zeichen. »Da wird Deutschland madig gemacht, das sind doch keine Patrioten«, schüttelt Donth den Kopf. Ein Verbot der AfD lehnt er dennoch ab. Warum? »Weil wir die Wähler da nicht durch ein Verbot wegkriegen, sondern nur, indem wir gute Politik machen.« Man müsse die AfD »wegregieren«, griff er eine Formulierung des Bundestagskollegen Alexander Dobrindt auf.
Klare Meinung zum Thema Migration
Zum Thema Migration, das auch die Münsinger Zuhörer in der kurzen Frage-Runde beschäftigte, haben Donth und Strobl eine klare Meinung: Ja zu humanitärer Hilfe und Integration, Nein zu Überforderung und Knappheit. »Es sind im Moment ein paar zu viele«, formulierte Strobl seine Einschätzung zur Anzahl der Flüchtlinge im Land. Bildungs- und Gesundheitssystem seien überlastet. Beschleunigte Abschiebeverfahren und Abschiebehaft für Straftäter sind für beide legitime Mittel, eine rigorose Schließung der Grenzen aber nicht, meinte Donth: »Das führt zu Chaos.« Intensivere Grenzkontrollen und entsprechende Zurückweisungen halten er und Strobl für effektiver: »16 Innenminister haben sich dafür ausgesprochen, die Ampel hat nicht mitgezogen«, kritisierte Strobl. »Wenn weniger Menschen illegal zu uns kommen, können wir uns auch besser um die kümmern, die gewollt hier sind.«
Auch Kanzlerkandidat Friedrich Merz war Thema. »Man kann sich über ihn streiten, ja«, so Strobl, »aber man kann nicht bestreiten, dass er etwas von wirtschaftlichen Strukturen versteht.« Donth pflichtete bei: »Merz versteht Wirtschaft und er versteht Europa, weil er Europa-Abgeordneter war. Ich bin überzeugt: Merz wird in Zeiten, in denen die Wirtschaft ein großes Thema ist, ein guter Kanzler, er kann’s.«
»Wir müssen Probleme zeitnah aufgreifen und liefern, nicht streiten, sondern handeln«
Ein Anliegen, das die Region betrifft, brachte der Münsinger Arzt und SPD-Gemeinderat Eberhard Rapp auf den Tisch: Die von der Kassenärztlichen Vereinigung (KVBW) verkündete Schließung der Notfallpraxis in Münsingen. Nicht nur Strobl und Donth stellten sich eindeutig auf die Seite von Rapp und seiner Bürgerinitiative, die für den Erhalt der Notfallpraxis kämpft: Von allen anderen Zuhörern gab’s Szenenapplaus für den SPD-Mann. (GEA)