BLAUBEUREN. Wie kochte man eine kräftige Suppe, bevor der Topf erfunden wurde? Archäologe Johannes Wiedmann machte es im Innenhof des Urgeschichtlichen Museums in Blaubeuren (Urmu) vor: Man forme aus einer Rehdecke zwischen Steinen einen Bottich, fülle den mit Wasser, erhitze Flusskiesel im Lagerfeuer, werfe die Steine in den Bottich und voilà, es brodelt. Um ein paar Eier hart zu bekommen, reicht das locker, für eine Brühe aus Wurzelgemüse, Wildkräutern sowie Fleisch und Knochen vom Mammut oder Wollnashorn auch. Wiedmann beschäftigt sich experimentell mit dem Leben unserer Vorfahren, mit dem Schlagen von Feuersteinen, dem Umgang mit der Speerschleuder oder eben dem Kochen.
Kochwerkzeuge wurden im Geißenklösterle gefunden
Dabei hält er sich an Fakten, an Funde aus der Altsteinzeit. Kochsteine wurden unter anderem im Geißenklösterle, einer Höhle bei Schelklingen, gefunden. An den Steinen konnte man Fette nachweisen, der Beweis dafür, dass nicht erst die Franzosen die Bouillon erfunden haben. Wiedmann nimmt Flusskiesel, weil der Albkalk schon zerbröckeln würde, bevor er sie - bis zu 600 Grad heiß - mit einer Rentierschaufel aus dem Feuer holt. Die Altschelklinger taten das wohl auch, solche Kiesel kann man auf der Alb finden, dort, wo die Donau früher einmal verlief. Kräutertee könnte man so auch zubereiten, meinte Wiedmann auf die Frage einer Besucherin, allerdings sei der Geschmack gewöhnungsbedürftig - das Reh schmeckt man halt mit.
Im Urmu drehte sich zwei Tage lang im Rahmen der Archäo-Akademie alles um das Thema Essen, von den Grundlagen der eiszeitlichen Ernährung bis zur Frage: »Was essen wir in der Zukunft?« Ein Höhepunkt für die Gäste war der Foodmarket - »Steinzeit mit allen Sinnen«, allerdings auf dem Teller mit Messer und Gabel. Profikoch Andreas Bögel vom »Odin« in Blaubeuren, mit viel Affinität zu Wildgerichten, hatte ein dreigängiges Menü entworfen. Bedingung: Die Zutaten mussten bereits vor 30.000 Jahren erhältlich gewesen sein, ebenso - mit Zugeständnissen an die Küchenroutine und die geltenden Feuervorschriften - die Zubereitungsarten. Es wurde also gegrillt oder auf heißen Platten gegart, auf die Steinzeit-Suppe wurde leider verzichtet.
Im Urmu werden Funde aus der Altsteinzeit gezeigt, einer Zeit lang bevor Ackerbau und Viehzucht erfunden wurden. Die Alb ist dabei einzigartig: Die ältesten Musikinstrumente, die ältesten Kunstobjekte, die ältesten oder zumindest sehr, sehr alten Schmuckstücke der Menschheit wurden hier gefunden und sind im Urmu zu sehen. Sie zeigen, dass die Menschen damals Zeit hatten und nicht ständig von allen Wölfen gehetzt ums tägliche Überleben kämpfen mussten. Zeit für Luxus, für Kultur, für Religion, wie der Löwenmensch belegt. Und auch fürs Kochen auf vielleicht hohem Niveau.
Viel mehr als Schweinehals
Die Funde belegen, dass die Ur-Älbler nicht einfach halb rohe (Wild-) Schweinehälse hinunterwürgten wie ein heutiger Dorffestbesucher. Knochen einer Vielzahl von Spezies wurden etwa im Geißenklösterle gefunden, aufgebrochene Markknochen zeugen davon, dass das mühsam erjagte sorgfältig verwertet wurde. Wildfleisch ist mager, das ist schön, wenn man eher zu viel Fett zu sich nimmt, Jägern fehlt aber was. Das Steinzeitmenü begann daher mit gegrilltem Knochenmark mit Kräutern, schmeckt wie ein gutes Griebenschmalz. Salz war auch dran, wobei es noch nicht geklärt ist, wie die Altvorderen sich mit Salz und Jod versorgten, sagte Museumschefin Dr. Stefanie Kölbl. Na, der Kropf war auf der Alb ja noch lange verbreitet.
Mammutfleisch ist schwer zu beschaffen, vielleicht tiefgefroren aus Sibirien. Andere Fleischträger gibt es noch, Elch, Rothirsch, alte Kuh und Färse, Hase und Fasan sowie Pferd wurden verkostet. Wildpferde waren Hauptjagdbeute in der Steinzeit, häufiger und leichter zu kriegen als ein Mammut. »Und wer kann schon ein ganzes Mammut essen?«, fragt Johannes Wiedmann. Die Kuh steht für die Wildrinder Wisent und Auerochse, auch sie wurden gern auf der Jagd mitgenommen. Der Fasan für die verschiedenen Hühner-, Enten- und Gänsearten. Dazu reichte Koch Bögel verschiedene alte Gemüse: Urkarotten, Haferwurzel, wilder Brokkoli und wilder Pac Choi, diverse Pilzarten. Mit einer Vorspeise aus Stör, Aal und Forelle ein echtes Drei-Sterne-Menü, wie es sich auch in der Edelgastronomie sehen lassen konnte.
Was fehlt, ist Bier oder Wein - alkoholische Getränke wurden erst deutlich später erfunden. Süßigkeiten gab's schon, Honig in der Wabe nebst Beeren sind eine Delikatesse und getrocknete Heuschrecken und Mehlwürmer waren das Knabberzeug der Steinzeit.
Luxus war der Steinzeit nicht fremd
Wurde vor 30.000 Jahren wirklich so getafelt? Warum nicht? Wild und Fisch gab es reichlich und auf der Fläche des heutigen Baden-Württemberg haben wohl nur rund 6.000 Menschen gelebt, also war wohl meist genug für alle da. Zeit hatten die Steinzeitler auch, wie die Schmuck- und Kunstfunde zeigen, im Schweiße seines Angesichts muss der Mensch sein Brot ja erst seit der Erfindung des Ackerbaus verdienen. Kunst und Schmuck künden von einer Neigung zu Luxus und Wohlleben, und dazu passt durchaus die Vorstellung von einer Fünf-Steine-Küche. (GEA)