SONNENBÜHL. Erst mal sind Handarbeit und Muskelkraft, dazu noch Trittsicherheit in den steilen Hängen gefragt. Zwar haben Forstmitarbeiter und Revierleiter ganze Arbeit im Wald geleistet und viele der vom Sturm abgebrochenen oder umgestürzten Bäume zersägt. Aber nicht alles Holz konnte aus dem unwegsamen Gelände um den Hohengenkingen hinausgeräumt werden. Das haben nun Auszubildende im zweiten und dritten Lehrjahr von der Grafenbergschule in Schorndorf erledigt. Für einen Tag sind die jungen Leute, allesamt Berufsschüler im Straßenbau, angereist, haben Stämme und Äste zersägt und aufgesammelt. Vorsicht war nicht nur in den steil abfallenden Hängen geboten, um nicht selbst hinabzustürzen. Aufpassen mussten die 18- bis 23-Jährigen auch, wohin sie treten, um nicht eventuell Mauerreste oder an die Oberfläche geratene Scherben oder andere Funde zu zerstören. Sie bilden lange Ketten, um die Äste von der Ruine zu transportieren.
»Ein tolles Projekt«, findet Lehrer Hermann Idarous, der mit seinen Kollegen Ulrich Heinz und Raoul Schölch die jungen Frauen und Männer begleitet. Ein tolles Projekt nicht nur, weil die Auszubildenden mal raus kommen. Es gibt einen besonderen Mehrwert: »Wir sensibilisieren die Schüler für Archäologie.« Denn bei der Arbeit im Straßenbau komme es immer wieder vor, dass Funde zutage treten, die beim Graben in der Erde aufkommen. »Die Schüler bekommen so ein Gefühl dafür, die Spuren der Vergangenheit zu erkennen und zu schützen. Und wir können außerdem den Verein unterstützen.«
Der Verein »Die Burg« hat sich zum Ziel gemacht, den Hohengenkingen zu erforschen und die Ruinenreste vor der endgültigen Zerstörung zu retten. So behutsam wie möglich, wobei die Stürme von 2023 das Schadensbild der Burg noch vergrößert haben. Eile ist - bei aller Vorsicht und Akribie - geboten, denn manche Mauer droht abzustürzen, Wurzelteller haben Löcher gerissen. Zum anderen sind dadurch aber auch jede Menge Scherben an die Oberfläche gelangt und der an manchen Stellen geöffnete Boden gibt den Blick auf Grundmauern, verbrannte Steine frei und gibt noch mehr Rätsel auf. Die Arbeit der Schorndorfer Azubis war in diesem Jahr nur der erste Einsatz, den der Verein an der Burg organisiert.
Nachdem Äste und Stämme entfernt waren, sind eine Woche später Studenten der Uni Tübingen auf den Hohengenkingen gekommen. Das Geländesurvey ist eine Lehrveranstaltung des Instituts für Ur- und Frühgeschichte und des Mittelalters. Gemeinsam mit Sören Frommer hatten sie bereits 2024 das Gelände südlich und östlich der zentralen Kernburg untersucht, nun haben sie ihre Aufmerksamkeit auf die Areale ganz im Norden und Süden gelenkt sowie auf die Teile der Kernburg, die sie noch nicht näher angeschaut hatten. Sie haben nach Strukturen im Boden, Auffälligkeiten und Funden Ausschau gehalten, außerdem in Richtung Grillstelle Vertiefungen gefunden, die einen Siedlungsbereich oder Keller vermuten lassen könnten und genauer inspiziert werden müssen. Die Auswertung der Funde wird Inhalt einer Bachelor-Arbeit sein.
Könnten. Denn vieles bleibt nach wie vor Spekulation, die Geheimnisse um den Hohengenkingen, über den man nicht viel weiß, werden nur langsam gelüftet. »Wir sind angewiesen auf offene Stellen im Boden, manchmal hilft auch der Maulwurf«, sagt Sören Frommer, so hatte der eifrige Gräber ein Bruchstück eines Signalhorns aus schwäbischer Feinware zutage gefördert. Ab September sollen dann wirkliche Grabungen beginnen, »da erschließen wir dann weitere Schichten«, sagt Frommer. Außerdem soll die Erforschung und Rettung der absturzgefährdeten Ringmauer vorangetrieben werden, ein Steinmetz und Archäologe sollen in diesem Jahr daran arbeiten, dafür muss eine Plattform gebaut werden.
Dass es auf dem Hohengenkingen gebrannt hat, belegen die Keramik- und Kachelscherben sowie Mörtelstücke, die deutliche Verfärbungen zeigen. Wann das war »können wir noch nicht genau datieren«. Überall haben die Studenten und Fachleute verbrannte Steine und Hohlziegel aufgelesen. Aber es gibt Hinweise darauf, dass die Burg danach wieder aufgebaut wurde. Ein Holzkohlestück im Mörtel aus einer verbrannten Kellerschicht in der Südecke des Turms ist so ein Missing Link, das auf die Zeit um 1200 datiert wurde. An der Stelle, wo es aufgefunden wurde, war neues Mauerwerk hochgezogen worden.
Die Herren von Genkingen sind im 13. und 14. Jahrhundert mehrfach in Quellen belegt. Allerdings gibt es keine Fundstücke von der Burg, die in die Neuzeit datieren, nichts deutet auf den Fortbestand im 15. oder 16. Jahrhundert hin. »Das sichere Fundaufkommen endet mit dem letzten Drittel des 14. Jahrhunderts.« Also bleibt weiter offen, wie lange das Adelsgeschlecht auf dem Hohengenkingen lebte. Ebenfalls im Dunkel der Geschichte verborgen bleibt, wie viele Menschen einst auf der Burg gewohnt haben, ob es zwei Familien waren, die sich den Adelssitz teilten.
Auch Schmiedeschlacke wurde im Pallas und Richtung Unterburg gefunden, was Rückschlüsse auf das Wirtschaften und Arbeiten in der Burg ziehen lässt, aber auch weitere Fragen aufwirft. Hat der Schmied Waffen oder Werkzeuge hergestellt? Und war seine Werkstatt wirklich neben dem Haus des Burgherrn? Schwer vorstellbar. Vielleicht hat sich auch das Wohnen auf der Burg verlagert. Die Studenten haben im Turmbereich Ofenkeramik entdeckt, was die Vermutung nahelegt, dass sich darin ein beheizbarer Wohnraum befand. Die Genkinger aus dem Mittelalter seien noch nicht zufriedenstellend eingeordnet, sagt Sören Frommer, darum müsse sich ein Historiker kümmern.
Die Burg war keine winzige, aber auch keine riesige Befestigungsanlage, aber durch ihre Lage auf dem Berg mag sie doch auch prädestiniert gewesen sein, um die Wege auf die Alb zu kontrollieren. Ihre Mauern wurden im Lauf der Jahrhundert fast restlos abgeräumt. Sie werden vermutlich als recyceltes Baumaterial gedient haben. Die Masse der Daten, die wird den Archäologen, Studenten, den Mitgliedern des Vereins weiter helfen, um ein genaueres Bild vom Hohengenkingen zu zeichnen, um belegen zu können, wie alt die Burg ist, wo auf der Südseite die Zugänge in die Anlage lagen, wie der Hauptturm genutzt wurde, welche Funktion er hatte. »Die Restburg hat nicht mehr viel Zeit«, sagt Frommer. Deswegen sind die nächsten Schritte umso wichtiger und drängender. (GEA)