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Aktuell Kultur

Wenn Kunst die Räume füllt

Bei der Gauinger Kunstnacht wurde über die Wechselwirkung von Leerstand und Kultur debattiert

Ida Baumann, Bürgermeister Matthias Henne und Vero Bobke (von links) haben die alte Schule in Gauingen vielfältig mit Leben gefü
Ida Baumann, Bürgermeister Matthias Henne und Vero Bobke (von links) haben die alte Schule in Gauingen vielfältig mit Leben gefüllt. FOTO: WURSTER
Ida Baumann, Bürgermeister Matthias Henne und Vero Bobke (von links) haben die alte Schule in Gauingen vielfältig mit Leben gefüllt. FOTO: WURSTER

ZWIEFALTEN-GAUINGEN. Kunst braucht Raum und Räume brauchen Nutzer. Ohne Platz zur Präsentation wird Kunst nicht wahrgenommen und Leerstand ist der Beginn des Verfalls lebendiger Ortszentren. Bei der Gauinger Kunstnacht – überschrieben mit dem poetischen Titel WinterKreativZauber – wagten sich ein ehemaliger Bürgermeister, eine Künstlerin, eine Kulturbeauftragte und eine Unternehmerin unter der Moderation von Leader-Regionalmanagerin Elisabeth Markwardt aufs Podium, um darüber zu sprechen, wie sich Kunst, Kultur und Leerstand gegenseitig beflügeln können.

Kalligrafie und Malerei

Ida Baumann und Vero Bobke beleben seit Anfang des Jahres das ehemalige Schul- und Rathaus in Gauingen mit ihrer Kunstschule für Malerei, Kalligrafie und Bildhauerei. Die beiden Powerfrauen bieten allen Kurse an, die sich an Pinsel, Kalligrafie-Stift oder Hammer und Meisel versuchen wollen. Das alte Schulhaus stand seit Längerem leer, die Gemeinde suchte einen Nutzer oder Käufer für das Gebäude in der Lindenstraße – es stehe immer noch zum Verkauf, machte Bürgermeister Matthias Henne Werbung für sein Liegenschaftsamt –, Ida und Vero füllen den Leerstand jetzt mit ihrem »Arthaus«.

Ursprünglich dachten sie an eine gemeinsame Galerie im Zwiefalter Zentrum, jetzt ist es anders gekommen und die beiden scheinen mit der Lösung ganz zufrieden zu sein. Bobke schätzt das dörfliche Umfeld mit »einer echt schwäbischen Gaststätte mit Riesenportionen«. Außerdem liegt das auffallend orangegestrichene Anwesen günstig auf halber Strecke auf der so geschaffenen Kunstachse zwischen dem Gauinger Steinbruch – schon seit Längerem Magnet für Bildhauer – und der Wimsener Mühle, mit ihrem vielseitigen Veranstaltungsangebot.

Leerstand in einem stattlichen kommunalen Anwesen, Bedarf nach Ausstellungs- und Arbeitsflächen der Künstler – das zum Arthaus gewordenen Schulhaus sei ein gutes Beispiel für eine Win-win-Situation, meinte Bürgermeister Henne.

So eine für beide Seiten profitable Lage schafft Edith Koschwitz auch in Münsingen. In ihrem »BT24 Kulturhaus« im Alten Lager in Auingen, einer ehemaligen Baracke der Truppenübungsplatz-Verwaltung, herrsche »eine ganz besondere Stimmung«, beschreibt sie den Aufbruch, der im jetzigen Albgut stattfinde. BT24 bietet Ausstellungsflächen, aber auch Räume für Seminare oder Meetings. Und es können dauerhaft Arbeitsräume angemietet werden. Als »Co-Working-Space« beschreibt sie die ehemalige Truppenbaracke, in der Künstler und Freiberufler, denen zu Hause die Decke auf den Kopf fällt, in Gemeinschaft arbeiten können.

Von der überregionalen Warte betrachtete Judith Bildhauer das Spannungsfeld zwischen Kreativen und Kommunen. Sie schafft mit dem Programm Lernende Kulturregion Schwäbische Alb auf übergeordneter Ebene Netzwerke zwischen Kunst, Gemeinden und auch Unternehmen. So hat sie beispielsweise im Theater Lindenhof in Melchingen einmal in der Woche einem Friseur eine etwas andere Aktionsfläche geschaffen: ein Co-Working-Space der besonderen Art.

Gemeinsames Arbeiten

Für Alt-Bürgermeister Hubertus-Jörg Riedlinger ist es keine Überraschung, dass gerade in Zwiefalten Kunst und Leerstand keine Gegensätze sind, sich gegenseitig bereichern und das auch müssten. In Zwiefalten drehe sich viel um das Münster und die ehemaligen Besitztümer des Benediktiner-Klosters. Für deren Nutzung – mit rechtzeitiger Einbindung des Denkmalschutzes, wie er betonte – hat er sich in seiner Amtszeit eingesetzt. »Denkmäler darf man nicht zu Tode pflegen«, hat er gelernt. Loretto, die Wimsener Höhle und mehr – die hochwertigen in und um Zwiefalten gelegenen Anwesen werden inzwischen auch für hochwertige Angebote genutzt.

»Mittlerweile kommen sogar die Einheimischen zu den Veranstaltungen«, flachst er und hebt auf die Bedeutung von Konstanz und Qualität im Angebot ab. Etwa bei der Besetzung der Konzerte im barocken Prälatursaal, wenn man eine bleibende Duftmarke setzen wolle. Was bei einer Kunstnacht-Besucherin mit Berlin-Erfahrung Widerspruch hervorrief: auch Straßenkunst, Low-Budget-Kunst, belebe eine Kommune. Das sollte man natürlich nicht aus dem Blick verlieren, meinte Riedlinger. Wobei ihm der Gedanke an Graffiti auf der alten Klostermauer vielleicht doch zu weit ging.

Letztlich sei die Kunstschule Arthaus wegen der leerstehenden Schule entstanden, merkte Vero Bobke an. Ein gutes Beispiel für die anregende Wirkung leerer, aber schöner Räume. (GEA)