MÜNSINGEN. Am 30. September soll Schluss sein: Die Entscheidung der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW), die hausärztliche Bereitschaftspraxis in der Münsinger Albklinik zu schließen, sorgt seit Monaten für öffentliche Entrüstung. Eine Bürgerinitiative (BI) um Dr. Eberhard Rapp, selbst Hausarzt und SPD-Gemeinderat in Münsingen, führt die Proteste an und lenkt sie in geordnete Bahnen. Die von der BI organisierte Podiumsdiskussion, die mit Landes- und Kommunalpolitikern sowie Vertretern des Medizinsektors hochkarätig besetzt war, füllte Ende Januar die Alenberghalle.
Parallel lief eine Unterschriftenaktion: Nicht nur in Münsinger Arztpraxen und an öffentlichen Orten, sondern auch in den Nachbargemeinden lagen Listen aus, auf der Bürger mit ihrem Namen für den Fortbestand der Notfallpraxis - oder Bereitschaftspraxis, wie sie nun offiziell heißt (siehe Info-Box) - einstehen konnten. 22.341 Unterschriften, sagt Rapp, sind zusammengekommen. Den dicken Packen Papier haben er und eine kleine Gruppe - zugelassen waren maximal 25 Personen - bei einem offiziellen Termin in Stuttgart an diejenigen überreicht, die das Thema angeht: Sozialminister Manne Lucha und Dr. Doris Reinhardt, stellvertretende Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung.
»Wir hoffen, dass die Entscheidung noch revidiert werden kann. Sonst würden wir nicht weitermachen«
Beide hatten die wenig populäre Entscheidung, die neben Münsingen 17 weitere Notfallpraxen im ganzen Land betrifft, zu verantworten, zu kommunizieren und zu verteidigen. Die Einladung der Bürgerinitiative, das im Angesicht der Menschen, die es betrifft, in der Alenberghalle zu tun, hatten sie im Januar ausgeschlagen. Insofern war es für die BI ein Erfolg, dass es nun doch noch zum Treffen und zur persönlichen Übergabe kam - wenn auch in weniger großem Rahmen. Lucha, Reinhardt und Florian Wahl, MdL und Vorsitzender des Sozialausschusses, empfingen die Münsinger Delegation, in deren Reihen auch Gemeinderäte verschiedener Fraktionen zu finden waren.
»Zurückhaltend«: So schildert Rapp seinen Eindruck vom Minister und der KV-Vize-Vorsitzenden. Das Foto, das die Übergabe der Unterschriften dokumentiert, untermauert diese Beschreibung. Eine knappe halbe Stunde dauerte das Treffen immerhin, Lucha und Reinhardt hätten durchaus Verständnis signalisiert, berichtet Rapp, im Wesentlichen aber »ihre üblichen Argumente« vorgebracht. Ärztemangel, Kostendruck, Zentralisierung: Die Gründe für die Entscheidung der KV sind bekannt, Luchas Haltung auch. Es handle sich um eine Entscheidung, die landesweit gelte, für Münsingen, so die Botschaft, könne man keine Ausnahme machen.
»Landkreise und Kommunen erwägen, Klage einzureichen - es tut sich was«
Den Ausflug nach Stuttgart samt kurzer Führung im Landtag auf Einladung von MdL Manuel Hailfinger verbucht Rapp dennoch als Erfolg: »Wir haben uns gezeigt und Aufmerksamkeit erregt.« Dass politisch wirklich das letzte Wort gesprochen ist, glaubt Rapp nicht: »Wir hoffen, dass die Entscheidung noch revidiert werden kann. Sonst würden wir nicht weitermachen.« Noch ist Bewegung in der Sache: Katja Spinnler, CDU-Gemeinderätin in Münsingen, hat eine Petition initiiert, die die Fraktionsvorsitzenden des Münsinger Gremiums unterzeichnet haben. Sie werde derzeit geprüft, erfuhren die Münsinger bei ihrem Besuch in Stuttgart.
Auf Antrag der SPD, berichtet Rapp weiter, stünden die Notfallpraxen am 12. März erneut auf der Tagesordnung in einer Plenarsitzung des Landtags. Außerdem sei - voraussichtlich am 17. März - eine Veranstaltung in Stuttgart geplant, zu der die SPD-Fraktion Vertreter aller betroffenen Kommunen und Landkreise einladen will. Das Thema liegt also noch nicht bei den Akten - zumal auch noch eine bereits bei der Podiumsdiskussion Ende Januar angesprochene Möglichkeit im Raum steht: »Landkreise und Kommunen erwägen, Klage einzureichen - es tut sich was«, sagt Rapp, will aber (noch) nicht ins Detail gehen. (GEA)
Bereitschafts- statt Notfallpraxis
Was genau ist eine Notfallpraxis? Der Begriff hat in der Vergangenheit immer wieder für Missverständnisse gesorgt. Geht es um die Schließung der Notaufahme in der Münsinger Albklinik? Klares Nein. Es geht darum, dass die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) den ebenfalls in Räumen der Albklinik angesiedelten hausärztlichen Notdienst dort nicht weiterführen möchte. Behandelt werden in einer Notfallpraxis also keine lebensbedrohlichen Fälle wie Herzinfarkt oder schwere Unfallverletzungen, sondern Erkrankungen, für die normalerweise der Hausarzt zuständig ist - der aber am Wochenende seine Praxis geschlossen hat. Zur besseren Abgrenzung zum Rettungs- und Notdienst hat die KVBW die Notfallpraxen nun offiziell umbenannt: Aus Notfallpraxis wird Bereitschaftspraxis und aus Notfalldienst wird Ärztlicher Bereitschaftsdienst (ÄBD). (ma)