GOMADINGEN-MARBACH. »Das ist mein Traumjob, ich hab's noch keine Stunde bereut«, sagt Ewald Höh. Vor drei Jahren wollte es der 60-Jährige nochmal wissen: Nach 15 Jahren als Leiter des Bauhofs St. Johann hat er umgesattelt und ist Betriebshofleiter im Haupt- und Landgestüt Marbach geworden. Er kümmert sich darum, dass Gebäude, Stallungen und Reithallen immer gut gepflegt sind. Dabei helfen ihm vier Mitarbeiter und drei Reinigungskräfte, außerdem arbeitet er eng mit den vier Kollegen aus der Landwirtschaft zusammen. Wenn was Größeres ansteht, vergrößert sich sein Team schlagartig: Wenn die Hallen, Weiden und Wege fein gemacht werden für Besuch, packen auch Kollegen aus anderen Bereichen, Azubis und externe Dienstleister mit an.
Hengstparade, Tag des arabischen Pferdes, Tag des Schwarzwälders, Dressurturnier, »Lebendige Bilder zur Weihnacht«: Los ist in Marbach eigentlich immer was. Am morgigen Samstag ist Hengstvorstellung, erwartet werden vor allem Züchter und Fachpublikum, die Veranstaltung ist fast ausverkauft. Dem Zufall überlassen wird hier nichts, und auf dem mehrseitigen Ablaufplan steht ziemlich oft »Ewald Höh« und »Betriebshof«. Höh und sein Team bereiten die Bühne, auf der sich die Hengste von ihrer besten Seite präsentieren sollen. Dreh- und Angelpunkt ist die große Reithalle.
Am Mittwochvormittag hat Höh die Scheinwerfer in Reutlingen abgeholt, um die Mittagszeit stehen die Männer und Maschinen parat, die sie an die richtige Stelle bringen. Der Traktor hievt einen Arbeitskorb unter die Hallendecke, wo die Leuchtelemente montiert werden. Auch ein anderes Problem hat der Betriebshofleiter noch zu lösen. Die fest installierte Hallen-Beleuchtung ist zwar gut und neu - aber sie wirft Schlagschatten auf den Boden, die in Pferdeaugen wie Hindernisse aussehen - mit entsprechenden Folgen: Die Tiere erschrecken und gehen im schlimmsten Fall durch, also muss das anders werden.
Während Höh unterm Dach hantiert, rollt ein zweites Fahrzeug in die Halle. Am Lenkrad sitzt Matthias Armbruster. Seine Ausbildung zum Pferdewirt hat er im Gestüt gemacht, jetzt bewirtschaftet er seinen eigenen Hof. Als Dienstleister kehrt er aber immer wieder nach Marbach zurück. Zwei bis drei Mal im Jahr, vorzugsweise vor Veranstaltungen, kommt er mit Trecker und Planierhobel ins Gestüt, um die Böden der Reithallen einzuebnen. Das ist Maßarbeit: Per Lasertechnik wird sichergestellt, dass alles »im Wasser« ist. Wenn Armbruster nach ein, zwei Stunden fertig ist, ist der Sandboden wirklich topfeben.
Wie der perfekte Sandboden entsteht
Zusammensetzung und Pflege des Untergrunds sind eine Wissenschaft für sich. Meistens besteht er nicht nur aus Sand, sondern wird mit einem Zuschlagstoff vermischt. Das kann zum Beispiel Baumwolle sein. »Textil bindet Wasser, dann trocknet der Boden nicht so schnell aus«, erklärt Armbruster. »Je nasser er ist, desto weniger federt er.« Dressurreiter brauchen einen eher lockeren Boden, »der bringt mehr Elastizität ins Pferd«, sagt der Fachmann, Gespanne brauchen einen stabileren Untergrund. »Wir sind schon zufrieden, wenn's nicht staubt«, sagt Ewald Höh und lacht. Im Sommer wird der Boden mehrmals pro Woche gewässert, derzeit reicht's alle zwei Wochen. Minusgrade sind gefährlich: Um die Sandböden vorm Einfrieren zu schützen, werden sie mit Magnesium versetzt.
Nicht nur die Pferde sollen's gut haben, sondern auch die Gäste. Zwischen den Sitzreihen auf den Tribünen sind ein paar Männer von einer Reinigungsfirma mit Staubsaugern unterwegs. Unten, am Ende der Halle, trennen Ewald Höh und seine Männer derweil ein Stück vom Sandplatz ab und verlegen einen Bretterboden. Hier entsteht der VIP-Bereich, von dem aus besondere Gäste den besten Blick auf die Hengste haben werden.
Inzwischen sind auch die »Mädla« eingetroffen. Das ist gar nicht despektierlich, sondern kollegial nett gemeint, und dass Höh die Jungs in diesem Fall komplett unterschlägt, hat einen Grund: »95 Prozent der Azubis sind weiblich«, erklärt er. Um die 50 junge Frauen und auch ein paar Männer lernen derzeit Pferdewirt(in) im Gestüt. Ihre Arbeitszeit verbringen sie nicht nur im Sattel - heute sollen sie beim Rechen und Fegen helfen. Frühjahrsputz, das welke Laub muss weg.
Der Betriebsleiter sagt den »Mädla« Hallo und erklärt kurz, was zu tun ist. Dann wuselt er auch schon weiter. Wie viele Schritte pro Tag er zurücklegt, weiß er nicht, aber die 10.000, die man aus gesundheitlichen Gründen machen sollte, hat er ganz bestimmt. Locker. Keiner ist umsonst, leer laufen tut Höh nie, auf dem Rückweg in die Halle schnappt er sich das Rednerpult, an dem Samstag der Moderator stehen wird. Kurzer Blick auf die Uhr, der Landschaftsgärtner müsste jetzt da sein. Ist er. An der Böschung unterhalb der Reithalle zur Ortsdurchfahrt hin ist Peter Dangel damit beschäftigt, den Boden für Pflanzungen vorzubereiten.
Eine neue Heimat für die Haselmaus und ein neuer Weg für Reiter
Die Arbeiten haben gar nichts mit der Hengstvorstellung zu tun, sondern einen ganz anderen Grund: Das mehr als 500 Jahre alte Haupt- und Landgestüt soll fit gemacht werden für die Zukunft - als Zuchtbetrieb und Sportstätte. Dafür gibt es einen »Masterplan«, nach dem nach und nach Gebäude und Anlagen modernisiert werden. Eines der ersten Projekte soll vor allem Pferden und Reitern das Leben leichter machen: Um vom Gestütshof zur Landesreitschule hinterm Marbacher Bahnhof zu kommen, müssen sie die Straße benutzen.
Eine Szene, die sich just in dem Moment abspielt, zeigt, wie gefährlich das ist. Zwei junge Frauen mit Pferd werden von einem Auto überholt, dessen Fahrer offenbar nicht kapiert hat, dass das ziemlich sinnlos ist, weil ein paar Meter weiter vorne auch noch die Schranke vom Bahnübergang runtergeht - das Pferd wird unruhig, mehr passiert in dem Fall glücklicherweise nicht. Um die Stelle zu entschärfen, wird deshalb ein neuer Weg oberhalb der Straße gebaut - über die Wiese, auf der gerade der Landschaftsgärtner buddelt. Was er macht, dient allerdings nur der Vorbereitung: Bevor der Reitweg wirklich gebaut wird, muss erst die Haselmaus ein neues Zuhause bekommen - ihr altes, ein Heckenriegel an der Böschung, muss für die Bauarbeiten weichen. Um sie zum Umzug zu bewegen, wird Peter Dangel rund 170 neue Büsche und Sträucher pflanzen.
Der Traum von zwei eigenen Schwarzwäldern
Ewald Höh muss zurück in die Halle, wo die Arbeiten am Boden für die Gäste-Lounge in den letzten Zügen sind. Bis zur Hengstschau am Samstag ist noch ein bisschen was zu tun. Auch am Veranstaltungstag selbst ist Höh natürlich im Dienst. Funktioniert die Technik, sind alle Notausgänge offen? Fragen, für die der Betriebsleiter ebenso zuständig ist, wie dafür, dass der Notfallpferdeanhänger bereit steht: Er ist mit einer Seilwinde und Sichtschutzwänden ausgestattet, falls ein Pferd zu Schaden käme, würde es damit möglichst schnell und diskret geborgen. »Seit ich hier bin, haben wir es glücklicherweise noch nie gebraucht«, sagt Höh.
Was er an seinem Job besonders mag? "Älles!" Einfach, weil kein Tag gleich ist und Höh die Abwechslung liebt. Wenn es schon ein Lieblingsgeschäft geben muss, dann wäre es alles, was mit den Stallungen zu tun hat. Ich bin pferdeverrückt", gesteht er. "Und meine Tochter auch. Sie hat sich über die Zusage damals mindestens genauso gefreut wie ich." Als Kind hat Höh ein bisschen reiten gelernt, im Sattel sieht er sich allerdings weniger: Er träumt von zwei Schwarzwäldern, mit denen er Holz rücken und zweispännig fahren kann.
Leiter der Gestütskapelle
Für dieses Hobby war zumindest bisher keine Zeit, Höh war in den vergangenen zehn Jahren auch Gesamtkommandant der Freiwilligen Feuerwehr St. Johann. Auch wenn er's gern gemacht hat: In vier Monaten wird er das Amt in jüngere Hände legen. Zu seinen wichtigsten Einsätzen zählt zweifelsohne der Großbrand auf dem Gestütshof St. Johann im Jahr 2017. Damals sind die ersten Kontakte zur Gestütsleitung entstanden, die ihn schließlich zu seinem Traumjob geführt haben.
Ein anderes Hobby, das überhaupt nichts mit gefährlichen oder dramatischen Situationen zu tun hat, ist die Musik: Ewald Höh spielt Trompete im Musikverein Würtingen, seit einiger Zeit leitet er auch die Gestütskapelle. Das kleine Bläserensemble hat schon einige interne Veranstaltungen begleitet, und wenn die Proben weiterhin gut laufen, könnte es sogar sein, dass die musizierenden Gestütler bald einen großen öffentlichen Auftritt haben: Im Herbst werden 100 Jahre Hengstparade gefeiert. Schon jetzt wirft die Großveranstaltung ihre Schatten voraus, Höh wird wieder viel zu tun haben. Aber das ist eine andere Geschichte. (GEA)
Start ins Zuchtjahr
Mit der Hengstvorstellung startet das Haupt- und Landgestüt Marbach ins Zuchtjahr 2025. Am Samstag, 8. März, um 17 Uhr beginnt die Vorstellung der Marbacher Landbeschäler in der festlich geschmückten Reithalle vor Fachpublikum. Durch das Programm führen Landoberstallmeisterin Dr. Astrid von Velsen-Zerweck im Gespräch mit Olympiareiterin Dr. Annette Wyrwoll, Springreiter und Körkommissar Andy Witzemann im Gespräch mit Moderator Hendrik Schulze Rückamp. In einem mehrstündigen Programm präsentiert das Team des Gestüts neue und bewährte Landbeschäler für die Decksaison 2025. Tickets gibt es im Vorverkauf für 10 Euro (www.diginights.com), Restkarten für 13 Euro an der Tageskasse, die Veranstaltung ist inzwischen aber schon fast ausverkauft. (ma)