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Aktuell Engagement

Warum es sich lohnt, Landfrau auf der Alb zu sein

Viele Ortsverbände der Landfrauen im Kreis Reutlingen waren in den Dornröschenschlaf gefallen. Mit neuen Vorsitzenden und neuen Ideen konnten einige wieder wachgeküsst werden.

Pia Münch, Kreisvorsitzende der Landfrauen (links), ist froh darüber, dass viele Ortsverbände wieder Vorsitzende haben und diese
Pia Münch, Kreisvorsitzende der Landfrauen (links), ist froh darüber, dass viele Ortsverbände wieder Vorsitzende haben und diese auch neue Ideen umsetzen. Foto: Cordula Fischer
Pia Münch, Kreisvorsitzende der Landfrauen (links), ist froh darüber, dass viele Ortsverbände wieder Vorsitzende haben und diese auch neue Ideen umsetzen.
Foto: Cordula Fischer

MÜNSINGEN. Etwa 720 Mitglieder hat der Kreislandfrauenverband Reutlingen. Nicht alle Ortsverbände sind aktiv, viele haben sich aber wieder neu zusammengefunden, die Vorsitzenden und Mitglieder versuchen, bewährte und neue Veranstaltungsformate anzubieten, um auch junge Frauen anzusprechen.

Der Ortsverein in St. Johann hatte einige Zeit geruht. Mit der Vorsitzenden Christiane Nau ist wieder frischer Wind ins Landfrauenverbandsleben gekommen. "Wir Landfrauen machen wichtige Arbeit", sagt sie. Darum hat sie sich bereit erklärt, den Vorsitz zu übernehmen. Ihr Ortsverband sei eher klein, aber es lohne sich, wieder mit der Arbeit zu beginnen. Sie möchte Impulse geben, neue Ideen entwickeln, der Bereich Weiterbildung liegt ihr am Herzen. Ebenfalls in St. Johann aktiv ist Beate Kübler. Beruflich ist sie in der Pflege aktiv. "Man muss keine Landfrau (Landwirtin) sein, um Landfrau zu sein", sagt sie. "Mehrere Jahre gab es in St. Johann null Komma null Angebote, sagt Pia Münch, seit 2013 Vorsitzende des Kreislandfrauenverbands. Schade, denn Potenzial gibts, nur ein aktiver Ortsvorsitz habe gefehlt. Jetzt gibt es in St. Johann wieder "ein junges Team, das Vollgas gibt".

Interessante Weiterbildungen

Petra Merz aus Pfronstetten will »nicht nur zuschauen, sondern mitgestalten, etwas bewegen«. Die Landfrauen bieten ihr die Chance, das zu tun. Das Ehrenamt sei keine Last, sondern eine Chance - für die Mitglieder, aber auch für sie persönlich. Es bietet ihr die Möglichkeit, Netzwerke aufzubauen, in der Gemeinde etwas zu bewegen, Frauen zusammenzubringen und Veranstaltungen zu Themen anzubieten, die für viele interessant seien. Zum Beispiel der richtige Umgang mit Feuerlöschern. Im Ernstfall eines Brandes kommt’s nämlich nicht nur darauf an, dass ein Feuerlöscher da ist – sondern vor allem auch darauf, dass man ihn schnell und richtig bedienen kann. Auch am Sommerferienprogramm beteiligen sich die Pfronstetter Landfrauen mit interessanten Angeboten. Und Merz schätzt die Online-Seminare und Weiterbildungen.

Gabi Straub aus Trochtelfingen ist in diesem Frühjahr zur Vorsitzenden des Landfrauenortsverbands im Städtle gewählt worden. Sie sei so da hinein »gerutscht«, sagt sie. Mit Beruf, Kindern, Familie und Nebenerwerbslandwirtschaft sei es oft schwierig, sich die Zeit für noch eine Aufgabe freizuschaufeln. Aber es geht. Und weil sie aus Erfahrung spricht, legt sie den Terminplan rechtzeitig vor, damit sich die Frauen, die sich für die Veranstaltungen interessieren, diese frühzeitig einplanen können. Zum Beispiel war die Erdbeerkönigin zu Gast in Trochtelfingen, am 4. Juli kommt Fidelius Waldvogel, es geht aber auch unter anderem um weniger Kurzweiliges wie Gesundheitsthemen. Auch die gehen alle an.

»Themen, die Frauen betreffen, betreffen alle«

Cornelia Vöhringer aus Steingebronn hat dem Gomadinger Ortsverband wieder Leben eingehaucht. Erst seit 2022 ist sie bei den Landfrauen, seit April 2023 Ortsvorsitzende. Auch hier das Problem: "Keiner wollte vorangehen." Auch sie empfindet dieses Ehrenamt nicht als Last. Organisation - ja, die gehört dazu, aber der Gewinn ist ungleich größer: auch für die persönliche Weiterentwicklung. Wie bei ihr nach einer beruflichen Neuorientierung. »Themen, die Frauen betreffen, betreffen alle«, sagt sie. Familie, Kinder, Gesundheit, Kultur, andere Betriebe anschauen, von anderen lernen, neue Ideen erhalten und manches neu denken - sie schätzt die Arbeit als Landfrau in einem Verband und ist auch ins Team des Kreisverbands gewählt worden, in dem lang kein Mitglied aus Gomadingen mehr vertreten war. Die Trochtelfingerin Gabi Straub will es ihr gleichtun und sich nächstes Mal zur Wahl stellen.

»Die Ortsverbände sind das Herzstück unserer Arbeit«, sagt Pia Münch. Die Frauen vor Ort kennen die Frauen vor Ort am besten, wissen, was sie umtreibt, welche Themen für sie interessant sind. Nicht in allen Gemeinden gibt es diese Positiv-Beispiele der Arbeit an der Basis, manche Ortsverbände sind verwaist, so wie etwa in vielen Lautertalgemeinden, im Nordraum oder auch Engstingen. Das liegt nicht etwa daran, dass es kein Interesse gibt, sondern eher, dass sich viele nicht die Arbeit oder Mitgliedschaft in einem Verband vorstellen können. »Aber wir sind da am Ball«, sagt Münch. Der Kreisverband gibt Frauen, die es angehen wollen, Starthilfe. Das Modul nennt sich »Pizza- und Kartoffel-Party«. Meist in einem Backhaus, in dem sich Frauen ungezwungen zur Zubereitung von Pizza und Kartoffeln - und auch anderem Backwerk - treffen, sich kennenlernen und über den Landfrauenverband informieren können. Die nächste findet am 12. September in Böttingen statt.

Klischeedenken ist out

Die »Landfrauen« managen die Familie, kümmern sich um die Kinder, arbeiten auf dem Acker und im Stall mit, leisten Arbeit im Büro, betreiben einen Hofladen. Oder verdienen im eigenen Job Geld, das in den Fortbestand eines landwirtschaftlichen Betriebs mit einfließt. Auch Verhandlungen mit Banken, Umgang mit Steuerberatern und Mitarbeitern – mit ihrer Frauenpower sind sie in alle betriebswirtschaftliche Bereiche involviert. Und das Image der Kopftuch und Gummistiefel tragenden Bäuerin, die ausschließlich backt, kocht und melkt, gehörte schon 1982 angestaubtem Altherrendenken an, als der Kreislandfrauenverband als weiblichen Interessenvertretung gegründet wurde. Im Bundesverband, in dem man als Ortsverbandsmitglied automatisch wie im Kreis- und Landesverband auch Mitglied ist, sind 450.000 Frauen organisiert. »Willkommen ist jede Frau, das Alter spielt keine Rolle«, sagen die Frauen. »Bei uns ist es einfach schön«, sagt Christine Nau.

Auch in diesem Jahr gibt es vom Kreislandfrauenverband jede Menge Veranstaltungen. Die Sommerlehrfahrt zur Gartenschau nach Baiersbronn/Nagold am 23. August ist allerdings bereits ausgebucht. Vom 10. September bis 15. Oktober wird in Eglingen ein Beckenbodenkurs angeboten. Eine Herbstwanderung ist in Planung. Am 6. November geht es um das Thema Pflege und Finanzen. Die Ortsvorsitzendentagung findet am 8. November im Gestütsgasthof Marbach statt. Dr. med. Hannah Haumann, stellvertretende Leiterin des Instituts für Allgemeinmedizin und Interprofessionelle Versorgung, hält am 13. November einen Vortrag im Hirsch in Dapfen. Es gibt wieder einen Holzsägen-Workshop am 15. November. Im Adler in Bremelau findet am 21. November ein Netzwerktreffen »Starke Frauen - Starkes Land« statt. Das Jahr klingt aus am 12. Dezember mit einer Besichtigung der Fein-Brennerei Prinz in Hörbranz mit Führung und Verkostung, danach geht es weiter zum Weihnachtsmarkt nach Lindau. (GEA)