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Aktuell Lokalhistorie

Vor 125 Jahren fiel der erste Schuss auf dem Truppenübungsplatz in Münsingen

Ein neues Buch dokumentiert die Geschichte des Truppenübungsplatzes und des Alten Lagers in Münsingen.

So wurden Militärgelände und Lager auf einer Postkarte aus dem Jahr 1910 dargestellt. FOTOS: SAMMLUNG LENK
So wurden Militärgelände und Lager auf einer Postkarte aus dem Jahr 1910 dargestellt. FOTOS: SAMMLUNG LENK
So wurden Militärgelände und Lager auf einer Postkarte aus dem Jahr 1910 dargestellt. FOTOS: SAMMLUNG LENK

MÜNSINGEN. Vor genau 125 Jahren, am 24. Oktober 1895, fiel auf dem Truppenübungsplatz Münsingen der erste Schuss, wenig später wurde mit dem Bau des Alten Lagers begonnen. Ende 2005 endete die militärische Nutzung – und damit eine ganze Epoche auf der Mittleren Alb.

Rückblick: Es ist der 11. April 1895. An diesem Morgen fährt eine Militärdelegation in der Kutsche durch Böttingen. Darin sitzt unter anderem der württembergische Kriegsminister Generalleutnant Maximilian Freiherr Schott von Schottenstein, der tags zuvor in Auingen war. Sein Ziel: der Böttinger Sternenberg am Nordrand des Dorfes. Von dort aus hat er einen ausgezeichneten Blick über das Münsinger Hardt. Das Generalkommando des XIII. Königlich Württembergischen Armeekorps hält Ausschau nach einem Übungsgelände für seine Truppen, das mindestens vier Kilometer lang und vier Kilometer breit sein muss.

Der General hat in den letzten Wochen bereits mehrere infrage kommende Manövergelände inspiziert. Letztlich entscheidet er sich für das Münsinger Hardt. Seine Argumente: Innerhalb des vorgesehenen Areals liegen nur die vier Bauernhöfe Ludwigshöhe, Bäumlesburg, Heroldstetten und Achenbuch. Bei den beiden anderen infrage kommenden Standorten Nellingen (Landkreis Alb Donau) und Böhmenkirch (Landkreis Göppingen) hätten ganze Dörfer dem Manövergelände weichen müssen.

Danach geht alles sehr schnell, am 3. August 1895 unterzeichnet Wilhelm II., König von Württemberg, die Ermächtigung für die Zwangsenteignung von Grundstücken auf dem Münsinger Hardt. Damit ist der Weg für den 3 700 Hektar großen Gefechtsschießplatz geebnet. Bereits am 24. und am 25. Oktober finden dort die ersten Schießen statt. Kurz danach beginnen die Planungen für die Soldatenunterkunft Altes Lager, die an den Schießplatz grenzt. Einweihung der ersten Gebäude ist Mitte 1897.

1912 zählt die Münsinger Oberamtsbeschreibung im Lager »130 Gebäude mit verschiedenen Aufgaben«. Im Einzelnen sind das acht Wohn- und Dienstgebäude, 61 Baracken für Offiziere und Mannschaften, neun Küchen sowie Kantinen, 29 Stallgebäude, zwei Beschlagschmieden, vier Schuppen, ein Lazarettgebäude mit Nebenbaracken, eine Wasch-, eine Bade- und eine Munitionsanstalt, eine Werkstatt und das Königlich Württembergische Postgebäude. In unmittelbarer Nachbarschaft zum Geschütz- und Exerzierplatz stehen drei Hafermagazine sowie fünf Raufutterscheunen. Nicht zu vergessen ist die bereits 1897 eröffnete Offiziersspeiseanstalt.

1912 entstand diese Aufnahme von Soldaten auf dem Truppenübungsplatz.
1912 entstand diese Aufnahme von Soldaten auf dem Truppenübungsplatz. Foto: Joachim Lenk
1912 entstand diese Aufnahme von Soldaten auf dem Truppenübungsplatz.
Foto: Joachim Lenk

Nach dem Ersten Weltkrieg nutzen lange Zeit nur noch vereinzelt Soldaten der Reichswehr den Übungsplatz, sodass das Alte Lager nur noch selten belegt ist. Ende der 1920er-, Anfang der 1930er-Jahre gibt es im Sommer im ehemaligen Gefangenenlager Gänsewag Kinderfreizeiten.

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 herrscht wieder militärischer Hochbetrieb in der Soldatensiedlung, in der jetzt kräftig renoviert und gebaut wird. Außerdem entstehen neue Gebäude. 1944 sind im Alten Lager zeitweise rund 20 000 Soldaten stationiert. Am 24. April 1945 marschieren die Amerikaner in Münsingen ein, nur vier Monate dauert die amerikanische Ära, bevor die Franzosen Hausherr des Truppenübungsplatzes und des angrenzenden Alten Lagers werden. Am 8. Oktober 1957 ist es so weit: Zwölf Jahre nach Kriegsende sind wieder deutsche Soldaten in Münsingen präsent. Sie gehören zur Bundeswehr, die zwei Jahre zuvor ins Leben gerufen wurde. Vier Soldaten eröffnen dort die Militärdienststelle »Deutscher Verbindungsoffizier für die Truppenübungsplätze Münsingen und Heuberg«. Von nun an üben Deutsche und Franzosen abwechselnd auf dem Schießplatz und nutzen gemeinsam die Soldatenunterkunft. Von den 1960er-Jahren an lässt der Bund das Übungsgelände sukzessive mit modernen Schießständen, Zielbauten und Panzerschießbahnen ausbauen. Zwischen Anfang der 1970er-Jahre und Ende der 1980er-Jahre wird die 38 Kilometer lange Panzerringstraße gebaut, die den Schießplatz umrundet.

BUCHPRÄSENTATION

Anlässlich des 125. Geburtstages des ehemaligen Truppenübungsplatzes und des Alten Lagers erscheint das Buch »Baracken, Bataillone und Bâtiments« von Joachim Lenk. Es hat 272 Seiten mit mehr als 950 Fotos, Abbildungen und Postkarten. Der Erstverkaufstag ist am Sonntag, 25. Oktober, zwischen 13.30 und 15.30 Uhr im Musikpavillon vor dem ehemaligen Offizierskasino (Württemberg Palais) im Alten Lager (Albgut). Der Autor ist ebenfalls anwesend. (fm)

Obwohl der Truppenübungsplatz für die Bevölkerung viele Unannehmlichkeiten mit sich bringt, zeigen sich die meisten Bewohner rund um das Ende der 1930er-Jahre auf 6 700 Hektar vergrößerte Sperrgelände verständnisvoll und geduldig. Nicht zu vergessen sind die vielen zivilen Arbeitsplätze in der Region. Während der Zeit mit den Soldaten verdienen mehrere Tausend Arbeiter, Angestellte und Beamte ihre Brötchen beim Militär. Die Menschen lernen, sich mit der Garnison zu arrangieren.

Die deutsche Wiedervereinigung 1990 bringt entscheidende Veränderungen. In ganz Deutschland bauen die ehemaligen Besatzungsmächte ihre Truppen ab. Auch die Franzosen, die sich Mitte 1992 verabschieden und das Alte Lager und den Übungsplatz der Bundeswehr übergeben. Die Belastungen werden nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes kontinuierlich weniger. Die deutschen Streitkräfte lassen in den folgenden Jahren die 205 Unterkünfte, Häuser und Scheunen für umgerechnet 21 Millionen Euro renovieren. 30 Soldaten und 130 zivile Mitarbeiter der Kommandantur betreuen die bis zu 20 000 Soldaten aus ganz Europa, die jährlich auf den Schießplatz zum Üben kommen und im Alten Lager auf Zeit wohnen. Auch Polizei, Bundesgrenzschutz, Feuerwehr und Technisches Hilfswerk nutzen regelmäßig Teile des Areals. Ende 2005 ist Schluss. Im Dezember, einen Tag vor Heiligabend, verlässt Oberstleutnant Dieter Kargl als letzter der insgesamt 35 deutschen und französischen Kommandanten das Militärcamp.

2005: Das Militär zieht ab.
2005: Das Militär zieht ab. Foto: Joachim Lenk
2005: Das Militär zieht ab.
Foto: Joachim Lenk

Von Frühjahr 2006 an mieten sich zahlreiche große sowie kleine Betriebe und Firmen mehr oder weniger lang in die denkmalgeschützten Gebäude ein, die die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) verwaltet.

Seit November 2015 gehört dem ehemaligen Münsinger Nudelfabrikanten Franz Tress die einstige Soldatensiedlung, die er in den nächsten Jahren »zu einer zivilen, nachhaltigen Wohlfühlwelt« umgestaltet. Entstehen soll dort »ein Sehnsuchtsort zum Entschleunigen« im Herzen des Biosphärengebietes Schwäbische Alb, der für jedermann zu den vorgegebenen Öffnungszeiten zugänglich ist. Der ans Albgut grenzende ehemalige Truppenübungsplatz, der Friedhof Hörnle, die 38 Kilometer lange Panzerringstraße und die Lagerhallen auf dem Gänsewag sind weiterhin im Eigentum der BImA. Der einstige Schießplatz ist inzwischen ein Wander- und Fahrradfahrerparadies und das Herzstück des 2008 ins Leben gerufenen Biosphärengebiets Schwäbische Alb. (GEA)