ENGSTINGEN. Gebhard Aierstock ist einigermaßen zufrieden: Die Ernte im Bereich des Kreisbauernverbands Reutlingen sei »durchschnittlich« ausgefallen. Die Ernte ist - bis auf den Mais - im Großen und Ganzen abgeschlossen, auch die Alb sei auf der Zielgeraden, ein wenig Hafer und Ackerbohnen stünden noch, die Früchte der Arbeit der Bauern seien so früh wie selten eingefahren worden.
Auch wenn das Erntejahr 2024 alles andere als ein Rekordjahr war, eine Missernte war es auch nicht. Das war so nicht abzusehen. Vom Beginn der Aussaat bis zur Ernte fielen Niederschlagsmengen »wie vielleicht noch nie«, sagte Aierstock beim Erntepressegespräch auf dem Hof von Eberhard Ulmer in Kleinengstingen. Beim Erntegespräch treffen sich traditionell Vertreter der Landwirte mit denen der Politik. Neben dem Kreisvorsitzenden Aierstock waren Thomas Pfeifle vom Kreisbauernverband Reutlingen und Patrick Schmelcher vom Landwirtschaftsamt des Kreises vertreten. Rede und Antwort standen Cindy Holmberg (MdL, Grüne), Manuel Hailfinger (MdL, CDU) und Rudi Fischer (MdL, FDP).
»Ernte heißt, was auf dem Wagen, aber auch was in der Kasse ist«
Die Bauern hatten mit allerlei Widrigkeiten zu kämpfen. Die Kunst, zwischen Niederschlägen und abtrocknenden Böden zu arbeiten, haben sie aber hinbekommen. Wie gut, das hing stark von lokalen Gegebenheiten ab: »Mancher Steinriegel war in diesem Jahr besser dran, als sonst gute, aber heuer feuchte Äcker«, meinte Aierstock. Und von den Sorten. Beim Weizen blieben die Erträge eher unterdurchschnittlich, die Qualitäten gingen aber in Ordnung, die Müller seien zufrieden, berichtete Pfeifle. Bei der Braugerste lag die Ausbeute höher als im Vorjahr, allerdings unter dem langjährigen Mittel, bei zu niedrigem Proteingehalt. Wintergerste und Dinkel blieben unter dem langjährigen Mittel, der Raps im Mittel, aber mit großen regionalen Schwankungen.
»Ernte heißt, was auf dem Wagen, aber auch was in der Kasse ist«, sprich: Was der Landwirt für den Doppelzentner bekommt, betonte Eberhard Ulmer. Insgesamt sinken die Preise - nach den spekulativen Höchstpreisen wegen des Kriegs in der Ukraine - aber wieder, liegen etwa bei Weizen und Braugerste deutlich unter Vorjahresgeboten. Der Milchpreis ist stabil, Rind ist teurer, Ferkel sind im Keller, so die Marktübersicht von Thomas Pfeifle.

Immerhin: »Die Ernte konnte trocken eingebracht werden«, so Aierstock. Allerdings gab es eine Menge »Beifang«: Unerwünschte Beikräuter kommen mit der Feuchte besser zurecht als die Erntefrüchte. Und da sind auch für den Menschen schädliche Dinge wie das Mutterkorn dabei. Hier setzte die Diskussion mit den Landtagsabgeordneten ein. Die Grenzwerte für potenziell gesundheitsschädliche Anteile im Produkt würden immer schärfer, der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln solle aber sinken: »Wie soll das gehen?«, fragte Landwirt Heinrich Bazlen. Wenn die Grenzwerte steigen, landet mehr Getreide im »Trog oder in der Biogasanlage«. Und dann heiße es, die Bauern würden Getreide nur als Viehfutter anbauen. Das Unkrautwachstum sei ein prinzipielles Problem, das im wechselhaften Erntejahr 2024 besonders deutlich wurde. Und mit dem Klimawandel zusammenhängt: Ob das nächste Jahr Dürre oder Überschwemmungen bringe, sei »ein Blick in die Glaskugel«, sagte Aierstock. Wobei die Alb sogar profitiert. Das langjährige Temperaturmittel lag 2016 bei acht Grad Celsius, 2024 waren es 10,5 Grad: »Wir bekommen Weinbauklima«, erklärte Patrick Schmelcher.
»Was fehlt, ist die Haltungsstufe Null«
Immer mehr Vorgaben, immer weniger Freiraum, um zu arbeiten: Das belastet die Bauern, das sollte die Politik von den Traktoren-Demos mitnehmen. Von den Versprechungen sei wenig eingelöst worden, hehre Ziel wie der Bürokratieabbau würden an der einen Stelle erreicht, an einer anderen wieder konterkariert. Was die Landwirte wirklich umtreibt, sind Wettbewerbsverzerrungen. Auflagen, die in Deutschland penibel kontrolliert werden, würden anderswo schlicht ignoriert. »Warenströme sind global«, mahnte Aierstock die Abgeordneten.
Von den Ampelauszeichnungen bei tierischen Produkten erwarten die Landwirte nicht viel: »Was fehlt, ist die Haltungsstufe Null«, sagte Albert Werner aus Römerstein: eine Kennzeichnung für Tierhaltung ohne irgendeine Einhaltung von Tierwohlstandards. Und das könne die Politik leisten, gab er den Abgeordneten mit, und der Konsument verstehen.
Was treibt die Bauern aktuell noch um? Der BayWa geht es schlecht, wie es mit dem großen Abnehmer weitergeht, ist offen. Die Afrikanische Schweinepest ist bis nach Baden-Württemberg vorgedrungen, was nicht nur die Schweinehalter betreffe, mahnte Aierstock: Falls eine tote Sau im Acker liegt, könne auch nicht mehr gedroschen werden. Auch die Blauzungenkrankheit, die Schafe, aber auch Rinder befällt, ist auf dem Vormarsch und profitiert vom feuchten, insektenreichen Jahr. (GEA)