TROCHTELFINGEN. Streit. Die Fäuste fliegen. Die Kontrahenten schlagen sich und tragen sichtbare Blessuren davon: Schrammen, blaue Flecken. Vielleicht bleiben Narben, doch die Wunden heilen.
Solche Verletzungen gibt es an der Werdenbergschule in Trochtelfingen nicht, denn hier gibt es viele Angebote, um solche Auseinandersetzungen zu vermeiden: Schüler helfen Schülern, Streitschlichter, Sozialarbeiter, Verbindungs- und Vertrauenslehrer. Verletzen durch Worte, Mobbing, Diskriminierung, rassistische und menschenverachtende Äußerungen, blaue Flecken auf der Seele: Auch das möchten die Mädchen und Jungen nicht. Dazu haben sie sich bekannt und sich bei der Landeskoordinationsstelle »Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage« um den gleichlautenden Titel beworben. Den haben sie am Freitag erhalten.
Der Titel »Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage« ist eine Selbstverpflichtung, die die Mädchen und Jungen der Werdenbergschule abgegeben haben. Auf diesem Namen dürfen sie sich nun nicht ausruhen. Er ist keine Auszeichnung für bereits geleistete Arbeit, sondern Ansporn, Verantwortung zu übernehmen. In der Schule, für andere, in und für die Gesellschaft.
78 Prozent sind dabei
Die Bewerbung haben die Schüler nahezu selbst mit Unterstützung von Verbindungslehrerin Monika Hauser organisiert. Dafür mussten auch Unterschriften gesammelt werden. 78 Prozent der 400 Schüler – mehr als der Durchschnitt bei baden-württembergischen Schulen – haben unterzeichnet, die sich gegen Gewalt, diskriminierende Äußerungen oder Handlungen, Mobbing und Rassismus einsetzen wollen. »Aber wir wollen 100 Prozent werden. Das ist das Ziel«, sagt Schulleiter Andree Fees.
»Ich bin echt gerührt, und ich finde: Ihr seid der Hammer«, sagt Monika Hauser zu den 400 Mädchen und Jungen von Klasse eins bis zehn, die zur Titelverleihung entweder auf der Bühne standen oder im Publikum saßen. »Jeder ist anders«, sagt Andree Fees. Und das sei gut so. Das Signal: Vielfalt ist gut und wichtig. »Wir sehen es als unsere gesellschaftliche Aufgabe, Persönlichkeiten auszubilden, die im Lebensraum Schule aber auch später in der Gesellschaft Verantwortung für ein friedliches Miteinander übernehmen können«, sagt Fees. Sich für andere einsetzen: Das machen die Schüler unter anderem seit vier Jahren auch mit einem Spendenlauf.
Während der Feier zur Titelverleihung haben die Mädchen und Jungen in kleinen Szenen gezeigt, wie der falsche und wie der richtige Umgang miteinander aussieht: miteinander statt übereinander reden, helfen, fair miteinander umgehen, zusammenhalten, herzlich bleiben, sich kennenlernen, hin- und nicht wegschauen, Vielfalt lieben und leben.
Einer, der den Werdenbergschülern dafür Mut macht, ist Dodokay (Dominik Kuhn). Ihn konnten sie als Schulpaten gewinnen – auch das ist Voraussetzung für die Titelverleihung. Und was hat Dodokay für Erfahrungen mit Diskriminierung? Naja, seine schwäbische Dialekt-Offensive hilft gegen die Diskriminierung von Dialektsprechern. Ein gutes Argument dafür hat er auch parat: »Schwäbisch ist eine schlechte Sprache für rassistische Sprüche.« Dialekt sorgt für Nähe. Schwätzt schwäbisch, dann versteht man sich. Irgendwann. Und wenn nicht, dann schwätzt man drüber. Überhaupt hilft reden. Und das werden die Werdenbergschüler als eingeschworene Gemeinschaft ohne Rassismus und mit Courage tun: miteinander und nicht übereinander. (GEA)