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Trochtelfinger Gemeinderat lehnt Bürgerbegehren als unzulässig ab

Eine Interessengemeinschaft Bürgerentscheid hat ein Bürgerbegehren beantragt. Dabei geht es um die Frage, ob der Gemeinderatsbeschluss für die Verpachtung kommunaler Flächen zum Bau von Windrädern und für den Abschluss eines entsprechenden Nutzungsvertrags aufgehoben werden soll.

Sowitec will auf städtischen Flächen Windräder bauen und hat mit Trochtelfingen einen Nutzungsvertrag geschlossen. Dagegen regt
Sowitec will auf städtischen Flächen Windräder bauen und hat mit Trochtelfingen einen Nutzungsvertrag geschlossen. Dagegen regt sich Widerstand der Bürger, die einen Bürgerentscheid gegen den Gemeinderatsbeschluss herbeiführen wollte. Foto: Carsten Rehder/dpa
Sowitec will auf städtischen Flächen Windräder bauen und hat mit Trochtelfingen einen Nutzungsvertrag geschlossen. Dagegen regt sich Widerstand der Bürger, die einen Bürgerentscheid gegen den Gemeinderatsbeschluss herbeiführen wollte.
Foto: Carsten Rehder/dpa

TROCHTELFINGEN. Aus den Reihen der Bürgerinitiative Gegenwind hat sich eine Interessengemeinschaft Bürgerentscheid gebildet. Mit einem Bürgerbegehren zielte sie darauf ab, einen Bürgerentscheid herbeiführen. Anlass war die Entscheidung des Gemeinderats, einen Nutzungsvertrag mit der Firma Sowitec zur Verpachtung von Flächen für den Bau von Windrädern zu schließen. Die Interessengemeinschaft fordert mit dem Bürgerbegehren eine Entscheidung aller Trochtelfinger ein, die sich positionieren sollen, ob der Gemeinderatsbeschluss aufgehoben werden soll. Der angegebene Grund in Kürze: Die Anwohner von Trochtelfingen sollen vor einer Überlastung durch zu viele Windkraftanlagen geschützt werden.

Die Vorgeschichte: Der Gemeinderat hat mehrmals über den Nutzungsvertrag mit Sowitec diskutiert. Überhaupt ist er seit mehr als zehn Jahren ein Thema. Schon seit 2013 verbindet die Stadt eine Kooperationsvereinbarung über einen städtebaulichen Vertrag mit dem Sonnenbühler Projektierer. Sowitec will sich Nutzungsrechte für Flächen südöstlich von Mägerkingen sichern. Leicht hat sich der Gemeinderat diese Entscheidung nicht gemacht. Überhaupt ist der Bau von Windrädern ein brisantes Thema, vor allem im Städtle, wo sich eine Bürgerinitiative lautstark dagegen wehrt, dass in der Stadt beziehungsweise drum herum Windparks entstehen. Der Plan, mit einem Teilflächennutzungsplan festzulegen, wo, beziehungsweise auszuschließen, wo keine Windräder entstehen können, musste ad acta gelegt werden. Die landes- und bundesweiten Entwicklungen waren schneller. Nun sucht der Regionalverband Neckar-Alb nach geeigneten Flächen.

Vertrag wurde am 20. Juni unterzeichnet

Aber damit war der Nutzungsvertrag mit Sowitec trotzdem nicht vom Tisch. In der Gemeinderatssitzung im März hatte der Gemeinderat über diesen Vertrag diskutiert. Mehrheitlich stimmte der Rat diesem zu. Im Mai stand das Thema erneut auf der Tagesordnung. Denn im März hatten Stadtratsmitglieder mitabgestimmt, die befangen waren. Im Mai also gab es eine erneute Entscheidung, damals wurde ein Änderungsantrag gestellt, die Entscheidung über den Nutzungsvertrag mit Sowitec bis zur Rechtskraft des Verfahrens des Regionalverbands zu vertagen. Dieser Antrag erhielt eine Mehrheit im Gemeinderat. Das stieß bei Sowitec auf wenig Verständnis. Im Gegenteil: Die Firma teilte daraufhin mit, dass sie ihr Windkraftprojekt in Trochtelfingen nun nur noch auf privaten Flächen und nicht mehr in Kooperation mit der Stadt vorantreiben werde. Also kam es im Juni erneut zur Diskussion und Abstimmung im Gemeinderat: Am 18. Juni war schließlich die Mehrheit der Stadträte für die Unterzeichnung des Vertrags, womit die Verwaltung beauftragt wurde. Die Bürgermeisterin und Sowitec schlossen den Vertrag am 20. Juni.

Die Interessengemeinschaft Bürgerentscheid hat daraufhin Unterschriften gesammelt und am 20. September bei der Stadt ein Bürgerbegehren beantragt. Die Frage, die eindeutig mit Ja oder Nein beantwortet werden können muss, lautet: »Sind Sie dafür, dass die wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger der Stadt Trochtelfingen bei der Planung und Festlegung der Anzahl der Windkraftanlagen (WKA) im Stadtgebiet Trochtelfingen mitentscheiden und damit der Beschluss des Gemeinderates vom 18.06.2024 und der Nutzungsvertrag mit der Firma SOWITEC GmbH, Sonnenbühl, über den Bau von bis zu 9 Windkraftanlagen im Gebiet RT-04 aufgehoben wird?«

Vertrauenspersonen werden angehört

Die Stadtverwaltung hat die formale Prüfung der Zulassungskriterien durchgeführt, der Gemeinderat muss dann über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens entscheiden, so sieht es die Gemeindeordnung vor. In der Gemeinderatssitzung am Dienstag, auch das ist vorgeschrieben, gab es eine Anhörung der Vertrauenspersonen. Es sprachen Diana Baumeister und Jochen Möck. »Wir lehnen das Vorgehen der Stadt ab«, so Baumeister. Das war noch einer der sachlichsten Sätze ihrer Präsentation. Sie skizzierte die Situation, dass die Stadt umzingelt würde mit riesigen Vorranggebieten, die sich vor allem an den Gemarkungsgrenzen und denen zu anderen Regionalverbänden befinden würden. Trochtelfingen würde »überproportional« belastet.

Vorwürfe gegen Bürgermeisterin

Baumeister kritisierte den Mangel an Transparenz und das Fehlen von Bürgerinfo-Veranstaltungen. Und sie attackierte die Bürgermeisterin, Katja Fischer würde sich mehr dem Regionalverband als den Bürgern der Stadt verpflichtet fühlen und sei beim von Sowitec ausgeübten Druck eingeknickt. Im normalen Leben sei das ein Grund, Verhandlungen mit einem solchen Partner sofort einzustellen. Außerdem kritisierten die Vertrauenspersonen, Fischer habe dem Regionalverband eine Fläche bei Steinhilben geradezu »angepriesen«, und sie mahnten: »Jeder kann für sein Tätigsein haftbar gemacht werden.« Außerdem sehen sie in der Vertragsunterzeichnung einen Verstoß gegen »Treu und Glauben«.

Fischer wies die persönlich an sie gerichteten Vorwürfe zurück. Der Prozess des Regionalverbands läuft sauber ab, die in der ersten Runde zur Debatte stehenden Flächen seien im laufenden Verfahren bereits viel kleiner geworden. Stadtrat Martin Tschöpe stellte sich hinter die Stadtchefin: Der Beschluss über den Nutzungsvertrag im Juni sei »eine Mehrheitsentscheidung des Gemeinderats gewesen. Wir entscheiden gemeinsam, Katja Fischer ist nur eine Stimme davon.«

Die meisten formalen Kriterien sind erfüllt

Nun zur rechtlichen Prüfung; Das Bürgerbegehren erfüllt die meisten Kriterien. Unter anderem: Es sind Vertrauenspersonen benannt, die Unterlagen sind innerhalb der gebotenen Frist eingereicht worden, die Anforderungen an die Fragestellung sind erfüllt, es gab zu dem Thema innerhalb der vergangenen drei Jahre noch kein Bürgerbegehren, es wurden 730 Unterschriften, davon 718 gültige eingereicht, somit sind die benötigten 351 übererfüllt. So weit so gut. Aber: Das Bürgerbegehren dürfe nicht auf ein rechtswidriges Ziel gerichtet sein. Und das ist es, weil der Nutzungsvertrag bereits unterzeichnet ist. Zur Gemeinderatssitzung eingeladen war auch Martin Vollmer, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, von der Stuttgarter Kanzlei Juscomm, die kommunale Verwaltungen, Einrichtungen, Zweckverbände, Anstalten, Körperschaften sowie Stadtwerke und sonstige Gesellschaften berät und vertritt. Er bestätigte die rechtliche Einordnung, dass das Bürgerbegehren als unzulässig eingestuft werden muss. »Alle formalen Voraussetzungen sind erfüllt, aber: Der Beschluss des Gemeinderats ist bereits vollzogen.«

Fronten sind verhärtet

Obwohl ihre Redezeit beendet war, insistierte Baumeister, die wieder im Zuschauerraum Platz genommen hatte. Der Vertrag sei sittenwidrig. Auch die Kommunalaufsicht sei anderer Auffassung als Anwalt Vollmer. »Wir möchten das rechtlich prüfen lassen.« Es wurden weitere Vorwürfe gegenüber der Bürgermeisterin und dem Gemeinderat erhoben. Fischer hätte den Vertrag unterzeichnet, obwohl sie wusste, dass ein Bürgerbegehren vorbereitet werde. Die über zehn Jahre dauernde Diskussion des Gemeinderats sei unsauber gewesen. »Sie haben uns gelinkt.« Ein weiterer Bürger erhob seine Stimme: »Sie haben über die Köpfe der Bürger hinweg entschieden. Sie reißen uns ins Verderben.« Die Fronten in Trochtelfingen sind verhärtet.

Der Gemeinderat traf schließlich eine Entscheidung über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens. Die Mehrheit der Stadträte folgte der Einordnung von Verwaltung und Anwalt: Es ist nicht zulässig, bei zwei Gegenstimmen wurde mehrheitlich beschlossen, dass es dieses Bürgerbegehren geben wird. Die Vertrauenspersonen verließen den Sitzungsraum, ohne sich die Diskussion und Entscheidungen über die weiteren Tagesordnungspunkte anzuhören. Dabei ging es unter anderem auch über eine Möglichkeit einer Form der Bürgerbeteiligung zum Umgang mit dem Klimawandel (Bericht folgt). (GEA)