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Theaterkulissen von der Alb sind deutschlandweit gefragt

Matthias Herrmann ist Schreiner, Musiker, Älbler, Genkinger durch und durch. Den Familienbetrieb im Ort hat er 2014 von Vater Karl übernommen, der nun unter dem Namen Albschreiner firmiert. Auf Küchen und Möbel, Fenster und Türen spezialisiert, ist hier nichts von der Stange. Ebenfalls in Handarbeit gefertigt gibt es auch passende Lösungen für Laientheatergruppen: Die Albschreiner-Theaterkulissen sind deutschlandweit und über die Grenzen hinaus gefragt.

Matthias Herrmann hat für alles eine Lösung: Auch ein Vordach hat er für die Kulisse der Genkinger Sportskomede gezimmert.
Matthias Herrmann hat für alles eine Lösung: Auch ein Vordach hat er für die Kulisse der Genkinger Sportskomede gezimmert. Foto: Cordula Fischer
Matthias Herrmann hat für alles eine Lösung: Auch ein Vordach hat er für die Kulisse der Genkinger Sportskomede gezimmert.
Foto: Cordula Fischer

SONNENBÜHL. Ob Wohnzimmer, Außenfassade, Stall oder Gastwirtschaft: Die Kulissen, die Matthias Herrmann und sein Team für Laientheatergruppen bauen, sind wandel- und multipel einsetzbar. Den Auslöser für die Produktion gab die Sportskomede aus Genkingen, die immer bei der Winterfeier des TSV ihr neues Stück präsentiert und eine neue Kulisse haben wollte. Kompakt sollte sie sein, stabil vor allem, und ganz wichtig: schnell auf- und abbaubar. Denn sie kann nicht über Wochen auf der Bühne der Brühlhalle stehen bleiben, die folgenden Aufführungen sind immer erst auf ein Wochenende einige Monate nach der Winterfeier terminiert. Vater Karl Herrmann machte sich ans Werk. Nachdem ein Mitglied der Truppe nach Stuttgart gegangen war, fragte es später bei Matthias Herrmann nach, ob dieser auch eine Kulisse für ihn fertigen könne. Der Albschreiner Matthias Herrmann tüftelte, entwickelte die Kulisse weiter, sicherte sich eine Domain im Internet. Und auf einmal kamen weitere Anfragen über die Theaterkulissen-Homepage. Da wurde eine Tür, ein Fenster, ein Ofen benötigt. »Und alles muss miteinander kompatibel sein«, sagt er.

Funktioniert so ähnlich wie ein Lego-Baukasten

Herausgekommen ist ein auch für handwerklich Unbedarfte gut handhabbares System. So ähnlich wie ein Lego-Baukasten, sagt Matthias Herrmann. Durch das mit einem Farbcode versehene Stecksystem sind noch nicht einmal Schrauben, Handwerkszeug und Geräte notwendig. Zuvor hatte er sich auch mit Messebau beschäftigt, »aber das ist zu aufwendig.« Vor zwei Jahren hat der Schreiner ein Video gedreht, es zeigt im Zeitraffer, wie einfach eine Kulisse aufzubauen ist. Fünf bis sechs Leute, sieben Minuten: Das Ding steht. Es gibt unendliche Gestaltungs- und Kombinationsmöglichkeiten. Und Zubehör. Die Genkinger Laienschauspieler sind so quasi das Testpersonal, Herrmann schaut ihnen beim Aufbau zu und erkennt, wo es noch hakt, wo es Verbesserungen bedarf, wo er noch weiter tüfteln muss, wo Optimierungen nötig sind.

Im Haus in der Jahnstraße 1 in Genkingen fing alles an (entstanden vermutlich vor 1920): Sohn Ernst (von links), Vater Matthäus
Im Haus in der Jahnstraße 1 in Genkingen fing alles an (entstanden vermutlich vor 1920): Sohn Ernst (von links), Vater Matthäus und Tochter Berta Herrmann. Die alte Schreinerwerkstatt gibt es heute noch. Foto: privat
Im Haus in der Jahnstraße 1 in Genkingen fing alles an (entstanden vermutlich vor 1920): Sohn Ernst (von links), Vater Matthäus und Tochter Berta Herrmann. Die alte Schreinerwerkstatt gibt es heute noch.
Foto: privat

In der Werkstatt des Albschreiners arbeiten seit vergangenem Jahr auch wieder Azubis. Und die können hervorragend an den Kulissen werkeln, vor allem, wenn wie im Mai 2023 sieben Bestellungen abzuarbeiten sind. Dann sind auch die Maschinen ausgelastet. »Wir fertigen in Kleinserien«, sagt Matthias Herrmann. Nachdem die Möbelfertigung etwas abgenommen hat, ist das ein zusätzliches Standbein für den Betrieb. Die Kulissen werden aus Massivholz gebaut, aus großen Tischlerplatten, 2,50 Meter lang, eine Standardraumhöhe -, die sich nicht verformen, aber trotzdem nicht zu schwer sind, damit auch weniger muskulöse Kulissenschieber sie problemlos stemmen können. Alle Teile werden abgefräst und geglättet, damit sich niemand beim Aufbau einen Splitter einzieht. Als Rohlinge sind die Holzwände dann für jeden Anlass modifizierbar. Sie können bemalt oder tapeziert werden. Wenn eine Gruppe das nicht selbst übernehmen kann oder will, bietet Herrmann auch dafür eine Lösung an: Vor zwei Jahren lernte er Sina Schmidt aus Willmandingen kennen. Auf Wunsch gestaltet die gelernte Kulissenmalerin die Holzelemente als Außenfassade, Wohnzimmer, Küche oder was sonst gefragt ist.

Ideen gibt es noch viele

Die Software, mit der Herrmann sonst Küchen plant, ist auch bei den Kulissen hilfreich. Die einzelnen Elemente und Grundrisse werden hier virtuell in 3D visualisiert, sodass die Kunden optisch vor Augen haben, wie sich die Kulisse im Raum macht. Außerdem können sie entscheiden, ob sie ein Roll-up zum Beispiel mit einer Landschaft brauchen, damit der Blick aus dem Fenster echt wirkt, oder ob LEDs eingebaut werden sollen, die für passende Lichtstimmung sorgen. Zum Konvolut gehört auch ein hochwertiger Transportwagen aus Aluprofilen, ebenfalls von Herrmann entwickelt. »Der ist leichtläufig und zum Lagern der Kulissen super«, sagt der tüftelnde Genkinger, »und es kommen immer neue Dinge dazu.« So wie etwa eine Treppe, die zusammenschiebbar ist und aussieht wie ein Holzkoffer. Der Clou: Herrmann hat eine Arretierung eingebaut. Denn als seine Frau Nadine, als Betriebswirtschaftlerin im Unternehmen für die Bücher, Bestellungen, Fertigungslisten, strukturierte Abläufe zuständig, sie ausprobierte und gegen die unterste Stufe stieß, schob sich diese unter die zweite. Die Genkinger benötigten für ihr diesjähriges Stück eine Holzbeige - mit versteckter Tür, hinter der eine Flasche verborgen ist. Das ist zwar eine Konstruktion der Sportskomede, aber Herrmann hat schon eine Idee, wie er ein solches Element fertigen und ins Portfolio aufnehmen kann. Auch eine Saloontür zu bauen, geistert ihm im Kopf herum.

Gute Idee aus Genkingen: So eine Holzbeige mit versteckter Tür kann Matthias Herrmann auch als Zubehör in seine Theaterkulissen
Gute Idee aus Genkingen: So eine Holzbeige mit versteckter Tür kann Matthias Herrmann auch als Zubehör in seine Theaterkulissen einbauen. Foto: Cordula Fischer
Gute Idee aus Genkingen: So eine Holzbeige mit versteckter Tür kann Matthias Herrmann auch als Zubehör in seine Theaterkulissen einbauen.
Foto: Cordula Fischer

Viele Vereine und Theatergruppen wissen häufig nicht, wie sie eine neue Kulisse finanzieren können. Beratung gehört bei Matthias Herrmann sowieso zum Geschäft, und so informiert er auch über Fördermöglichkeiten von staatlicher Seite, Genkingen und Engstingen haben zum Beispiel einen Zuschuss von Leader erhalten. »Für Kultur kann man immer etwas rausholen«, sagt Herrmann. Aber man kann sich auch über Sponsoring den Kulissenwunsch erfüllen. Kulissen made in Genkingen gingen auch schon nach Bayern, Thüringen, nach Norderney, Berlin, Köln, ins Ruhrgebiet oder bis nach Österreich. »Es gibt einfach nicht so viele Anbieter«, sagt Herrmann. Und viele Kunden haben nicht so handwerklich begabte Mitglieder im Team, die eine Kulisse nach Maß bauen können. Als Dank werden Matthias und Nadine oft zu Aufführungen eingeladen. »Da kann man live erleben, ob die Kulisse funktioniert. Das ist eine tolle Belohnung, wenn man sieht, was aus einer Kulisse geworden ist.«

Vom Ausstand bis zum Sarg

Die Schreinerei Herrmann ist ein Traditionsbetrieb. Im kommenden Jahr feiert sie ihr 150-jähriges Bestehen. Begonnen hat Matthäus Herrmann in der Jahnstraße 1 mit dem Zimmern des Ausstands - und für den letzten Akt im Leben - mit dem Schreinern von Särgen. »Mein Vater war noch beim Einsargen dabei«, sagt Matthias Herrmann, der das Unternehmen in fünfter Generation führt. Der älteste schriftliche Nachweis mit dem Eintrag des Gewerbes in die Handwerksrolle datiert auf das Jahr 1888. 1897 wurde Ernst, der Sohn von Matthäus und Rosine Herrmann, geboren und baute die Schreinerei mit damals modernen Maschinen aus. Sein Sohn Karl hätte ihm nachfolgen sollen, doch als 18-Jähriger war er im Krieg gefallen. Ernst machte bis ins hohe Alter weiter, bis Enkelsohn Karl übernahm. 1976 baute er die Werkstatt in der Silcherstraße, heute noch Sitz des Handwerksbetriebs. Und war wie Sohn Matthias heute schon findig im Erschließen neuer Kunden. Im Auftrag eines Reutlinger Unternehmens baute er so zum Beispiel Barmöbel und Fernsehwände in die Limousinen von arabischen Scheichs ein oder verkleidete sie innen mit Wurzelholz.

Matthias Herrmann überprüft das Vordach. Die Kulissen aus seiner Schreinerei sind wandel- und leicht aufbaubar.
Matthias Herrmann überprüft das Vordach. Die Kulissen aus seiner Schreinerei sind wandel- und leicht aufbaubar. Foto: Cordula Fischer
Matthias Herrmann überprüft das Vordach. Die Kulissen aus seiner Schreinerei sind wandel- und leicht aufbaubar.
Foto: Cordula Fischer

Das Schreiner-Gen hat Matthias Herrmann geerbt, war schon als Kind mit in der Werkstatt. Er ist selbst Vater, ob die beiden Töchter, acht und elf Jahre alt, in seine Fußstapfen treten werden, weiß er nicht; das hat noch Zeit. Er lässt ihnen Freiraum wie es Vater Karl bei ihm tat. Mit und in der Werkstatt wachsen sie aber ebenfalls auf: Opa Karl baut für seine Enkelinnen, was sie haben wollen und lässt sie auch selbst werkeln. Nur eines macht Matthias anders als sein Vater: Am Sonntag bleibt Geschäft Geschäft und Werkstatt Werkstatt, er gehört ganz der Familie. Seinen Ausgleich findet der Holzfachmann außerdem in der Musik: als Gründungsmitglied der Band No way. Um die zehn Auftritte hat er im Jahr, die Familie hält ihm den Rücken frei. Und bei einem Konzert kann sie Vater und Ehemann jedes Jahr live erleben: beim Nebelhöhlenfest in Genkingen. Dann ist die Bühne seine Welt, und im Alltag sind Kulissen für die Bühnen der Welt ein Teil seines Metiers. (GEA)