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Aktuell Vollzug

Straftäter bewirtschaften Bio-Hof in Hohenstein

Manuel H. schwingt seine Mistgabel ins Heu und schiebt eine neue Ladung Futter in Richtung der Kühe. Er und weitere Gefangene arbeiten auf einem Bio-Hof in Hohenstein. Sie sind im offenen Vollzug.

Kühe stehen in den Stallungen der Staatsdomäne Maßhalderbuch, die eine Außenstelle der Justizuvollzugsanstalt Rottenburg ist. Foto: Bernd Weißbrod/dpa
Kühe stehen in den Stallungen der Staatsdomäne Maßhalderbuch, die eine Außenstelle der Justizuvollzugsanstalt Rottenburg ist.
Foto: Bernd Weißbrod/dpa

HOHENSTEIN. Auf der Schwäbischen Alb mehrere Kilometer abgelegen von der nächsten Ortschaft inmitten vom Nirgendwo bewirtschaften Straftäter einen Bio-Hof - ohne Stacheldraht und Zäunen drumherum. Wie bitte? Ja. Die Staatsdomäne Maßhalderbuch in Hohenstein ist eine Außenstelle der Justizvollzugsanstalt Rottenburg und sie nimmt nicht jeden auf.

Bevor es mit dem Gefangenentransportwagen auf die raue Alb nach Hohenstein geht, wird geprüft, ob der Täter sich eignet. Mörder, Sexualstraftäter und in der Regel auch wegen Totschlags Verurteilte haben keine Chance. Vielmehr sind es Straftaten wie Betrug, Drogendelikte samt Beschaffungskriminalität und Körperverletzungen, für die die Männer verurteilt wurden. Derzeit leben und arbeiten 19 Strafgefangene im Alter zwischen 20 und 70 Jahren in Maßhalderbuch im offenen Vollzug. Dort werden sie auf ihre Entlassung vorbereitet. Dieses System läuft schon seit 1954 so.

Gefangene füttern Kühe

Anstaltsleiter Gerhard Geckeler ist überzeugt, dass die Arbeit mit Tieren eine andere Qualität hat und den Gefangenen mehr Sinn gibt. »So manch einer hatte Tränen in den Augen, als er uns verlassen musste«, erzählt er. Laut dem Justizministerium gab es seit dem Jahr 2006 insgesamt 13 »Entweichungen« aus dem offenen Vollzug in Maßhalderbuch.

Gerhard Geckeler, der Anstaltsleiter der Staatsdomäne Maßhalderbuch steht vor den Gebäuden des Bio-Hofes und der Justizvollzugsanstalt. Foto: Bernd Weißbrod/dpa
Gerhard Geckeler, der Anstaltsleiter der Staatsdomäne Maßhalderbuch steht vor den Gebäuden des Bio-Hofes und der Justizvollzugsanstalt.
Foto: Bernd Weißbrod/dpa

Im Wechsel füttern die Gefangenen beispielsweise Rinder - alle haben einen eigenen Namen - melken Kühe und bringen Kälber auf die Welt. Manche arbeiten in der Küche, andere sind für Sauberkeit in den Toiletten und Duschen zuständig. Laut Geckeler wird da, wo es geht, auf Maschinen verzichtet. Der 170 Hektar große Domäne ist seit 1987 ein Biolandbetrieb und besteht aus 100 Hektar Grünlandwirtschaft, der Rest ist Ackerbau. Es werden Mais, Weizen, Dinkel, Gerste, Kleegras und Kartoffeln angebaut und verkauft. Gewinn macht der Betrieb laut Geckeler nicht. »Wir arbeiten optimiert, nicht gewinnbringend«. Pro Tag kostet ein Gefangener nach der aktuellsten Berechnung des Justizministeriums 155,21 Euro.

System läuft seit 1954 

Auf dem Hof mit seinen fast 20 Gebäuden sind 240 Rinder, also Kühe, Ochsen und Kälber. Zu Weihnachten werden Masthähnchen und Enten veräußert. Die Staatsdomäne Maßhalderbuch war ursprünglich ein Klostergut des Benediktinerklosters Zwiefalten. Seit 1954 nutzt die Landesjustizverwaltung die Staatsdomäne für den offenen Vollzug.

Ein Häftling arbeitet in den Stallungen der Staatsdomäne Maßhalderbuch, die eine Außenstelle der Justizuvollzugsanstalt Rottenburg ist. Foto: Bernd Weißbrod/dpa
Ein Häftling arbeitet in den Stallungen der Staatsdomäne Maßhalderbuch, die eine Außenstelle der Justizuvollzugsanstalt Rottenburg ist.
Foto: Bernd Weißbrod/dpa

Besucher werden vom Geschnatter der Gänse am Eingang des mehrere Jahrhunderte alten Gemäuers begrüßt. Gleich rechts neben dem Eingang ist das Verwaltungsgebäude angegliedert, daran die Unterkünfte der Gefangenen. Ihre Räume sind im 1. Stock und im Dachgeschoss. Die »Zellen« in der ersten Etage schließt niemand ab, jedoch wird diese Abteilung von der im Dachgeschoss, wo sich ebenso Hafträume befinden, getrennt gehalten. Die Gefangenen können sich in ihrer jeweiligen Abteilung frei bewegen. Sie dürfen auch ihre Tür von innen verschließen. Ihre Arbeit auf dem Hof wird entlohnt. Insgesamt gibt es drei Lohnstufen.

Justizministerin Gentges lobt Konzept

Ob es denn auch mal zu Auseinandersetzungen zwischen den Gefangenen kommt? »Klar«, sagt Geckeler. Dort, wo Menschen zusammenlebten, sei es nicht konfliktfrei. Und nicht alle Gefangenen kämen mit der Gemeinschaft zurecht. »Es fällt ihnen schwer, sich einzufühlen.« Das Gros der Auseinandersetzungen bekämen die Justizvollzugsangestellten auf dem Hof aber gar nicht mit. »Manch einer kommt morgens mit Farbe im Gesicht an. Da wissen wir, dass was los war in der Nacht.« Er selber habe keine Angst mal angegriffen zu werden. »Ich bin seit 34 Jahren im Vollzug und bin überzeugt, dass es in einem solchen Fall auch jemanden gäbe, der mir helfen würde.«

Blick aus dem Fenster eines Haftraums der Staatsdomäne Maßhalderbuch. Foto: Bernd Weißbrod/dpa
Blick aus dem Fenster eines Haftraums der Staatsdomäne Maßhalderbuch.
Foto: Bernd Weißbrod/dpa

Die Staatsdomäne Maßhalderbuch werde nicht ohne Grund die landwirtschaftliche Außenstelle der JVA Rottenburg genannt, sagt Justizministerin Marion Gentges (CDU). »Die Außenstelle ist ein Bioland-Betrieb mit Tierhaltung und Ackerbau. Hier lernen Gefangene im offenen Vollzug nicht nur den verantwortungsvollen Umgang mit Tier und Natur, sondern auch die wirtschaftlichen Komponenten – von der ersten Saat bis hin zur Weitergabe an den Konsumenten.«

Gerade suchtkranke Gefangene, die in Maßhalderbuch an einem besonderen therapeutischen Konzept teilnehmen, profitierten von der landwirtschaftlichen Arbeit als Teil ihrer Behandlung. Dies sei ein wichtiger Teil der Resozialisierung, meint Gentges. (dpa)