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Steinmetzgeselle in Melchingen auf die Walz verabschiedet

Mit Anekdoten und Liedern: Handwerker pflegen in Melchingen eine jahrhundertealte Tradition

Im Spinnermarsch über den Brunnen: In Melchingen wurde ein Handwerksbursche traditionell auf die Walz geschickt. FOTO: BARTH
Im Spinnermarsch über den Brunnen: In Melchingen wurde ein Handwerksbursche traditionell auf die Walz geschickt. FOTO: BARTH
Im Spinnermarsch über den Brunnen: In Melchingen wurde ein Handwerksbursche traditionell auf die Walz geschickt. FOTO: BARTH

BURLADINGEN-MELCHINGEN. Ein Fuß auf der Bordsteinkante, der andere auf der Straße und lauthals singend: »Im Spinnermarsch zur Stadt hinaus, Kamerad wir bringen dich raus.« So zogen an die zwanzig Handwerksburschen – angeführt von ihrem Wortführer Jimmy Maas – durch die Melchinger Straßen, um den Steinmetzgesellen Raffael Funk aus Leinfelden auf die Walz zu verabschieden.

Raffael Funk will in der Fremde neue Erfahrungen sammeln und seinen beruflichen Horizont erweitern. Er darf für drei Jahre und einen Tag nicht näher als fünfzig Kilometer an seine Heimatstadt kommen. Im Gänsemarsch gingen die Burschen mal im Kreis, mal balancierten sie über den Brunnen, und immer wieder stimmte Jimmy Maas Lieder an, die auf der Walz gesungen werden. Einige dieser Lieder hat er selbst geschrieben. Wenn ein Kreis gebildet wurde, musste ein Wandergeselle eine Anekdote erzählen. Da hörte man die tollsten Geschichten, und so mancher neugierige Zuhörer traute seinen Ohren nicht. Dabei machte eine an einem Taschentuch festgemachte Buddel die Runde. Mit den Stenzen – den wunderschön gewundenen hölzernen Wanderstöcken – den Takt schlagend, den Charlottenburger auf der linken Schulter, marschierten die Burschen weiter. Vor dem Rathaus erzählte der Melchinger Wortführer Geschichten aus dem Dorf. Hier am Dorfbrunnen musste dann auch die Mutter von Raffael eine Anekdote von ihrem Sohn erzählen.

Dann wurde es ernst, der Geselle wurde an das Ortsschild gebracht, das er überklettern musste. Und jetzt ist er auf dem Weg. Die ersten Wochen wird Raffael noch von einem erfahrenen Gesellen begleitet, dann ist er auf sich allein gestellt. »Zurzeit«, sagte Jimmy Maas etwas wehmütig, »sind nur 15 reisende Gesellen in unserer Schacht. Vor einigen Jahren waren es noch über 50 fremdgeschriebene Gesellen.« (GEA)