MÜNSINGEN. Am Samstagvormittag ist der Himmel über Münsingen bedeckt, es ist acht Grad kühl, ein schneidender Ostwind macht den Aufenthalt im Freien unangenehm. Dennoch beackern einige Menschen auf einem Feld am Rande der Stadt unverdrossen mit Spaten und Rechen auf schmalen Reihen das feinkrümelige Erdreich.
Die Stimmung ist gelöst, einige kennen sich gut. Mittendrin im grün-orangen Arbeitsoutfit steht Karl-Heinz Pfleiderer und beantwortet Fragen zur Anpflanzung. Es ist eines der Felder, die zu seinem Besitz, dem Biolandhof Fauserhöhen, gehören. Auf anderen Flächen produziert er Gemüse und Getreide und hält Schweine, Rinder und Pferde, mit deren Mist er seine Felder düngt.
Dieses spezielle Feld bepflanzt er nicht selbst, sondern er verpachtet es in kleinen Einheiten. Beidseits eines Mittelwegs erstrecken sich 50 Meter lange aufgehäufelte Streifen in der Breite von herkömmlichen Kartoffel-Reihen. Insgesamt sind es auf dem 60 Ar großen Acker 44 Reihen. Er verpachtet die Streifen einzeln an interessierte Hobby-Gärtner.
Alles muss Bio sein
An diesem Tag ist er hier, um die Reihen an neue und alte Interessenten zu verpachten. Einige Saison-Gärtner haben bereits ihren Anbaustreifen für dieses Jahr erhalten und ackern drauflos. Eine junge Interessentin ist noch unschlüssig und will sich erstmal erkundigen. Pfleiderer gibt gerne Auskunft.
»Manche Leute wollen mehrere Streifen nebeneinander pachten, andere nur einen halben, um es erst mal auszuprobieren«, sagt Pfleiderer. Eine ganze Reihe kostet 35 Euro und jede weitere 25 Euro pro Jahr. Das Feld wechselt jedes Jahr, das Prinzip bleibt dasselbe: Der Landwirt bereitet das Feld vor. Er pflügt es und düngt mit eigenem abgelagertem Mist vor. Dann zieht er die Reihen. Auf ungenutzten Flächen des Ackers, die in einem Jahr keinen Pächter finden, sät er Gründüngung ein.
An bestimmten Tagen verkauft er zusammen mit seiner Frau direkt auf dem Feld Biosetzlinge und Samen. Über eine WhatsApp-Gruppe oder per Mail werden die Pächter informiert, wann welche Pflanzware zur Verfügung steht. Auch eigene Setzlinge und Saatgut dürfen ausgebracht werden. Es gibt einen regen Austausch von Setzlingen unter den Pächtern.
»Alles an Gemüse und Blumen darf angebaut werden«, sagt Pfleiderer. »Die einzige Einschränkung ist, dass alles, was aufs Feld kommt, Bio sein muss. Das gilt für Pflanzen ebenso wie für zusätzlichen Dünger und Pflanzenschutzmittel.« Chemische Dünger und Pflanzenschutzmittel seien absolut tabu. Um seine Bioland-Zertifizierung nicht zu gefährden, müsse er das so machen, das würde jährlich amtlich kontrolliert. »Es gibt Leute, die setzen dann selbst Jauche aus Brennnessel oder Schachtelhalm an und bringen es auf ihrem Pachtteil aus«, ergänzt er.
Rat und Tat vom Landwirt
Als kostenlosen Service bietet er Schafwolle und abgelagerten Kompost an, den die jeweiligen Pächter nach Bedarf für starkzehrende Pflanzen selbst einarbeiten. Für die Bewässerung ist mit drei Wassertanks gesorgt, die Pfleiderer bei der benachbarten Landwirtin befüllt. Auch Gießkannen stellt er zur Verfügung, mit denen seine Pächter ihre Pflanzen individuell wässern können. Er steht jederzeit mit Rat und Tat zur Seite.
Das Projekt begann mit einem Kinderkurs an der Münsinger Volkshochschule, bei dem die Kinder lernten, wie man Gemüse anpflanzt und sie hatten viel Spaß dabei. Dann folgte die Idee, Erwachsenen die Gelegenheit zu bieten, ihr eigenes Gemüse auf dem Feld zu produzieren. Das war vor elf Jahren und der Erfolg hält bis heute an. Im letzten Jahr hatte Pfleiderer 40 Pächter, viele davon sind ihm wiederholt treu geblieben. Sie kommen vorwiegend aus Münsingen und Umgebung, aber vereinzelt auch aus Esslingen, dem Ermstal, Reutlingen und aus der Richtung Tübingen. Die kommen nicht so oft und bauen beispielsweise Kartoffeln an, die nicht so viel Pflege benötigen.
Eine treue Pächterin ist Sabine Kapeller aus Münsingen. Heute harkt sie den Zwischenraum zweier Erdreihen zu. So erhält sie mehr Fläche, da der Laufgang wegfällt und bepflanzt werden kann. Sie hat in diesem Jahr wieder zwei Felder bei Pfleiderer gepachtet, das macht sie nun schon im vierten Jahr so.
Eine Freundin habe sie auf die Idee gebracht und dann wollte sie es auch mal ausprobieren. »Wenn man es einmal anfängt, hört man nicht mehr auf«, sagt sie freudestrahlend. Sie ist Selbstversorgerin und ihr Ertrag reicht ihr bei günstigen Bedingungen übers ganze Jahr, indem sie das Gemüse auch konserviert. Sie kocht ein, fermentiert, friert ein oder trocknet ihre Ernte.
Kapeller kennt auch Pacht-Anbieter anderswo in der Region. Dort liefe es anders. Bei einigen sei schon eingepflanzt und man müsse dann eben das nehmen, was dort schon wächst. Zudem koste es dadurch mehr. »Hier kann ich selbst entscheiden, was ich anbauen will«, sagt sie. Sie könne auch winterhartes Gemüse stehen lassen bis ins nächste Frühjahr, weil erst dann umgepflügt werde.
»Und das Tolle ist, dass man andere Anbauer kennenlernt. Irgendwo ist immer einer da und am Schaffen«, ergänzt sie. »Es macht einfach Spaß!« Wie viel Zeit sie beim Arbeiten auf ihrem Feld verbringt? In der Hochphase sei sie pro Woche zwei bis drei Mal hier für jeweils zwei bis drei Stunde. Das käme aufs Wetter an und aufs Unkraut. (GEA)